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Eulbergs tönende Tierwelt: Der Klang von Hochsommer

Seinen Namen verdankt der Nachtigall-Grashüpfer (Chorthippus biguttulus) seinem schwirrenden Sound, der an einen Singvogel erinnert. Auch sonst hat er vieles mit Vögeln gemeinsam – etwa eine Strategie, um über Verkehrslärm hinweg gehört zu werden.
Eine Buntstiftzeichnung zeigt den Nachtigall-Grashüpfer in pinker Färbung.
Die Färbung des Nachtigall-Grashüpfers variiert stark: von grau über bräunlich und grünlich bis hin zu rötlich. Mit viel Glück kann man sogar intensiv pink gefärbte Tiere finden.
Wissen Sie, wie ein Siebenschläfer klingt? Oder ein Reh? Warum der Pirol auch Regenkatze genannt wird? Vermutlich nicht – obwohl all diese Lebewesen Teil unserer heimischen Fauna sind. In der Kolumne »Eulbergs tönende Tierwelt« stellt der Techno-Künstler, Ökologe und Naturschützer Dominik Eulberg faszinierende Exemplare aus der Tierwelt vor unserer Haustür vor.

Wie klingt eine Hochsommerwiese zur Mittagszeit? Für mich ganz klar nach dem schwirrenden Sound des Nachtigall-Grashüpfers (Chorthippus biguttulus). Zum einen, weil er zu den häufigsten heimischen Heuschreckenarten gehört, zum anderen, weil seine Laute einfach unverwechselbar sind: Der Stridulationsgesang (von lateinisch stridulus für schwirrend) der Männchen besteht aus einer Folge von meist drei anschwellenden, rasselnden Strophen, die zum Ende hin deutlich lauter werden. Die erste Strophe ist dabei mit etwa zwei bis sechs Sekunden immer die längste.

Sowohl der Begriff Grashüpfer als auch der Ordnungsname Heuschrecken leiten sich von den hervorragenden Sprungeigenschaften des Tiers ab. So bedeutet das althochdeutsche Verb »schrecken« so viel wie »aufspringen«. Der deutsche Trivialname der Art stammt daher, dass die Töne des Insekts in gewisser Weise dem schlagenden Gesang der Nachtigall ähneln. Diesen gibt die folgende Tonspur wider:

Für uns Menschen ist der Gesang des Nachtigall-Grashüpfers ungefähr 20 Meter weit zu hören. Man kann manche Artgenossen der Gattung Chorthippus wie etwa die Schwesterarten Brauner Grashüpfer (Chorthippus brunneus) oder den Verkannten Grashüpfer (Chorthippus mollis) äußerlich kaum voneinander unterscheiden. Das Lied des Nachtigall-Grashüpfers ist jedoch das einfachste und sicherste Bestimmungsmerkmal, es hebt sich deutlich von den gut 70 anderen einheimischen Heuschreckengesängen ab. Ähnlich verhält es sich bei den heimischen Singvögeln: Manche so genannte Zwillingsarten wie Wald- und Gartenbaumläufer sind optisch beinahe identisch. Der Gesang der Doppelgänger unterscheidet sich jedoch deutlich: Während der Gartenbaumläufer eine klare, durchdringende Stimme auf gleicher Tonhöhe hat, singt der Waldbaumläufer eine sehr helle Strophe, die zum Ende abfällt.

Wie alle Arten aus der Familie der Feldheuschrecken (Acrididae) erzeugt der Nachtigall-Grashüpfer seinen Sound mit den Hinterbeinen: Dabei streicht er eine gezähnte Leiste an der Innenseite der Oberschenkel schnell über eine hervorstehende Ader des Flügels, die zu diesem Zweck besonders verdickt ist. Die Flügel faltet er dabei dachartig über den Körper, so dass sie einen Resonanzkörper zur Schallverstärkung bilden. Die Grashüpfer besitzen auf beiden Seiten des ersten Hinterleibsegments je ein Trommelfell, mit dem sie den Schall wahrnehmen. Paarungsbereite Weibchen, die den Gesang eines Männchens ansprechend finden, antworten mit einem kurzen und niederfrequenten Laut.

Der Nachtigall-Grashüpfer | Manche Individuen sind auf Grund einer Genmutation pink gefärbt. Das Erwachsenenstadium erreichen sie fast nie, denn wer so stark leuchtet, wird schnell gefressen.

Um anderen Arten akustisch aus dem Weg zu gehen, beginnen die Feldheuschrecken im Gegensatz zu den Laubheuschrecken, zum Beispiel dem Heupferd, bereits am Vormittag mit ihrem Konzert und überlassen später den anderen die Bühne. In ähnlicher Weise wechseln sich die verschiedenen Vogelarten mit ihrem Gesang in der Morgendämmerung ab: Artspezifische Schwellenwerte der Umgebungshelligkeit beeinflussen, wann ein Vogel zu singen beginnt.

Und eine weitere Parallele zu Vögeln haben Studien der Universität Bielfeld nachgewiesen: Um eine Übertragung des Balzgesangs zu gewährleisten, erzeugen männliche Nachtigall-Grashüpfer in Regionen mit erhöhtem anthropogenem Hintergrundlärm höhere Stridulationslaute als solche Individuen, die in ruhigeren Gebieten leben. Eine ähnliche Frequenzerhöhung wurde auch bei Vögeln nachgewiesen. Sie versuchen ebenfalls auf diese Weise zu verhindern, dass ihr Gesang im niederfrequenten Verkehrslärm untergeht.

  • Der Nachtigall-Grashüpfer
    Hier finden Sie alle wichtigen Eckdaten rund um den Nachtigall-Grashüpfer
  • Steckbrief

    Klasse: Insekten

    Ordnung: Heuschrecken

    Unterordnung: Kurzfühlerschrecken

    Familie: Feldheuschrecken

    Größe: 1,2 bis 2,2 Zentimeter

    Gewicht: 0,5 bis 0,9 Gramm

    Fortpflanzungsperioden pro Jahr: 1

    Nachkommen pro Periode: 250 bis 350

    Höchstalter: 2 Monate (Imago)

    Bundesweiter Gefährdungsgrad (Rote Liste): nicht gefährdet

  • Beobachtungstipps

    Man trifft den Nachtigall-Grashüpfer von Juni bis November in vielen verschiedenen wiesenartigen Lebensräumen an, wo es nicht zu feucht ist.

    Im Gras | Heuschrecke der Chorthippus-biguttulus-Gruppe in häufig auftretender bräunlicher Färbung.

Heuschrecken zählen zu den hemimetabolen Insekten. Bei ihnen gibt es also kein Puppenstadium, und die Jungtiere ähneln vom Körperbau her bereits dem erwachsenen Insekt (Imago). Nach jeder Häutung gleichen sie sich immer mehr ihren Eltern an, sie sind jedoch nur als adultes Tier flugfähig. Der Nachtigall-Grashüpfer schlüpft im Mai und durchläuft vier Entwicklungsstadien. Unter günstigen Bedingungen kann man noch im November und sogar im Winter erwachsene Individuen in der Natur antreffen.

Ihre Färbung variiert stark: von grau über bräunlich, in regenreichen Jahren auch vermehrt grünlich bis hin zu rötlich. Mit viel Glück findet man sogar intensiv pink gefärbte Grashüpfer. Diese ungewöhnliche Färbung verdanken die Tiere einer Genmutation namens Erythrismus, abgeleitet vom griechischen Wort »erythros« für rot. Sie führt zu einer verminderten Produktion von schwarzen und/oder einer übermäßigen Produktion von roten Pigmenten. Meistens trifft man jedoch nur rosa gefärbte Jungtiere an. Das Erwachsenenstadium erreichen sie fast nie, denn wer so pink leuchtet, wird ziemlich schnell gefressen.

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