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Freistetters Formelwelt: Der größte Feind der Radfahrer

Es fällt leicht, die Luft um sich herum zu vergessen. Aber die Physik übersieht nichts: Wer zu schnell ist, wird auf Widerstand treffen.
Ein älterer Herr fährt fröhlich und gemütlich mit seinem Rad durch den Wald
Eine Fahrradfahrt kann sehr entspannend wirken – es sei denn, man hat mit dem Fahrtwind zu kämpfen.

Im Sommer verbringe ich viel Zeit auf dem Fahrrad. Dieses Transportmittel ist eine großartige Erfindung: Es ist preiswert und umweltfreundlich, man kann schon als Kind lernen, damit zu fahren, und auch, wenn es nicht so schnell ist wie andere Verkehrsmittel, kommt man ordentlich voran. Man muss zwar ein wenig Körperkraft aufwenden, um das Fahrrad zu bewegen, aber nicht zu viel. Wie viel genau, kann man in dieser Formel sehen:

FN ist die »Normalkraft«, also die Kraft in der Kontaktzone zwischen Fahrradreifen und Boden. cr ist der Rollwiderstandskoeffizient, der unter anderem von der Geometrie des Reifens (die vor allem durch den Reifendruck beeinflusst wird) und vom Material abhängt. Daraus berechnet sich dann die Reibungskraft FR, also der Rollwiderstand oder die Rollreibung. Das ist die Kraft, die bei der Bewegung eines Fahrrads entsteht und der Bewegung entgegengerichtet ist.

Der Rollwiderstand bleibt beim Radeln im Wesentlichen gleich. Wenn man jedoch zu schnell fährt, spürt man bald einen anderen Widerstand. Denn man fährt ja normalerweise nicht durch ein Vakuum. Egal ob zu Fuß, mit dem Auto oder mit dem Fahrrad: Wir bewegen uns immer durch die Luft hindurch. Wenn sie nicht zu kalt oder zu warm ist und kein Wind weht, fällt uns ihre Existenz kaum auf. Aber wenn man ordentlich in die Pedale tritt, spürt man nicht nur den Fahrtwind, sondern bekommt es auch mit dem Luftwiderstand zu tun. Genau deswegen nutzen Radprofis den Windschatten.

Die legendärsten mathematischen Kniffe, die übelsten Stolpersteine der Physikgeschichte und allerhand Formeln, denen kaum einer ansieht, welche Bedeutung in ihnen schlummert: Das sind die Bewohner von Freistetters Formelwelt.
Alle Folgen seiner wöchentlichen Kolumne, die immer sonntags erscheint, finden Sie hier.

Auf ebener Straße wird der Luftwiderstand ab einer Geschwindigkeit von zirka 15 Kilometer pro Stunde größer als der Rollwiderstand. Wenn man allein unterwegs ist, muss man sich überproportional stark anstrengen, um die Geschwindigkeit zu erhöhen. Anders gesagt: Wenn vor mir eine Person fährt, die einen Windschatten erzeugt, muss ich deutlich weniger Kraft aufwenden, um den Luftwiderstand zu überwinden. Ich kann also genauso schnell fahren wie die Person vor mir und muss dafür – je nach Situation – bis zu einem Drittel weniger Leistung aufwenden.

Fahrtwind hat nicht nur Nachteile

Das ist durchaus praktisch, aber auch ein wenig unfair: Die vordere Person muss die ganze Arbeit leisten und die andere ruht sich im Windschatten aus. Genau das macht Radrennen aus taktischer Sicht so spannend. Wenn man einfach nur im Hauptfeld mitrollt, kann man mit vergleichsweise geringer Anstrengung ins Ziel kommen. Wer jedoch aus der Masse des Pelotons ausreißen möchte, muss bereit sein, sehr viel mehr Arbeit zu leisten. Oder er schafft es, ein paar andere zu überreden, am Ausreißversuch teilzunehmen und sich die Führungsarbeit zu teilen. Noch komplexer wird die Angelegenheit, wenn der Wind von der Seite kommt, denn dann muss man seitlich versetzt zueinander fahren, um die Vorteile des Windschattens zu nutzen.

Wenn ich nicht im Freien unterwegs bin, sondern auf meinem Rollentrainer fahre, muss ich mich zum Glück nicht um den Luftwiderstand kümmern. Dafür habe ich ganz andere Probleme: Abgesehen davon, dass es nicht sonderlich spannend ist, immer dieselbe Wand anzustarren, merkt man auch ziemlich schnell, dass die Luft einem nicht nur Widerstand entgegensetzt, sondern auch ihre Vorteile hat. Egal, wie schnell ich in die Pedale trete: Es gibt keine vorbeiziehende Luft, die mich abkühlt. In so einer windstillen Trainingseinheit auf dem Rad kann man erstaunlich viel Schweiß produzieren. Wer beim Radfahren den Gegenwind an den Beinen spürt, sollte also nicht zu viel darüber schimpfen, sondern dankbar dafür sein, dass der Wind auch ein wenig Kühlung bringt.

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