Angemerkt!: Fehlentscheidung der Politik
Ja, die Abscheidung und Einlagerung von Kohlendioxid – kurz CCS (Carbon Capture and Storage) – birgt Risiken, ist momentan teuer und könnte den Umstieg auf erneuerbare Energien verzögern, weil sie die Gewinnung von Wärme und Strom aus Kohle klimafreundlicher und damit akzeptabler macht. Trotzdem war die Entscheidung des Bundesrats falsch, ein Gesetz zur Genehmigung von CCS in Deutschland abzulehnen. Sie verkennt, dass Kohle in vielen Ländern noch lange das Rückgrat der Energiegewinnung bilden wird. Damit verpasst die Politik womöglich nicht nur die Entwicklung einer Hochtechnologie, sondern mindert auch die Chance, dass die Menschheit die Erderwärmung vielleicht doch noch bremsen kann.
Allen Investitionen in erneuerbare Energien zum Trotz: Die Welt wird mittelfristig nicht auf Kohle als Rohstoff verzichten. Allein in Deutschland befinden sich derzeit neun Kohlekraftwerke im Bau, weitere zwölf durchlaufen gerade die Planungs- und Genehmigungsphase. China will bis 2020 sogar rund 400 neue Kohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von über 400 Gigawatt installieren. Indien und die USA setzen ebenfalls weiterhin auf Kohle als einen der Hauptpfeiler ihrer Energieerzeugung. Kraftwerke, die noch Jahrzehnte als CO2-Schleudern laufen werden und mit ihren Emissionen das Klima belasten.
Dazu kommt der prozessbedingte Kohlendioxidausstoß der Zement-, Stahl- und Chemieindustrie, an der auch in Deutschland zehntausende Arbeitsplätze hängen. Er macht etwa ein Drittel der industriellen CO2-Emissionen der Bundesrepublik aus. Will man sie klimaschonend reduzieren, ohne gleichzeitig die Arbeitsplätze zu gefährden, wird man an CCS nicht vorbeikommen.
Die Technik für die Einlagerung und den Transport ist bereits vorhanden und erprobt: Schon heute werden weltweit Tag für Tag hunderttausende Tonnen Kohlendioxid in Rohrleitungen durch die Lande transportiert und in Öl- und Gaslagerstätten gepumpt, um deren Ausbeute zu erhöhen – ohne dass es dabei zu nennenswerten Störfällen kommt. Die Verpressung des Gases durch die Ölindustrie und Versuche wie im brandenburgischen Ketzin zeigen, dass es möglich ist, Kohlendioxid unterirdisch einzulagern, zu überwachen und damit sicherzustellen, dass es tatsächlich dort unten bleibt. Dazu kommen die Lehren aus natürlichen CO2-Lagern, die das Gas über Jahrtausende stabil unter der Erde gehalten haben. Die Risiken sind also überschaubar.
Teuer und kompliziert ist hingegen noch die Abscheidung des Kohlendioxids aus den Kraftwerksabgasen: Allerdings befinden sich mehrere Verfahren im fortgeschrittenen Stadium der Erprobung. Sollten sie sich als praxistauglich erweisen, dürfte sich der Preis und vor allem der Energieaufwand für diesen Prozessschritt rasch verringern – so wie es bei der Herstellung von Solarzellen ebenfalls geschah. Platz genug für die Einlagerung von CO2 in salinen Aquiferen, Sandsteinformationen oder ausgeförderten Erdgaslagerstätten gäbe es mittelfristig jedenfalls in Deutschland: Mindestens neun Milliarden Tonnen Kohlendioxid ließen sich nach konservativen Schätzungen unterirdisch verpressen – gegenwärtig stößt die Industrie rund 400 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr aus (wovon allerdings längst nicht alles abgeschieden werden könnte).
Folgerichtig fordern am CO2-Speicherprojekt in Ketzin beteiligte Forscher, dass nun der nächste Schritt folgen und CCS im großtechnischen Maßstab erprobt werden muss. Deutschland befindet sich momentan (noch) weltweit in einer führenden Position, was die Erforschung und den Einsatz der CCS-Technologie anbelangt. Würde sie hier weiterentwickelt und zur Serienreife gebracht werden, könnte sie sich zum Exportschlager entwickeln: Die Zahl der internationalen Besucher in Ketzin spricht jedenfalls Bände.
Allein aus Gründen des Klimaschutzes ist es ohnehin bedauerlich, dass ihre Weiterentwicklung durch den Widerstand der Bundesländer – allen voran die beiden CDU-geführten Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen – ausgebremst wird. In Stein gemeißelt scheint diese Ablehnung allerdings nicht zu sein: Die grün-rote Regierung von Baden-Württemberg schlägt vor, die CCS zunächst auf CO2-Emissionen aus Industrieprozessen anzuwenden – und das auch in Deutschland.
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