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Gute Nacht: Wann Sport beim Schlafen hilft

Laufen Sie der Schlaflosigkeit davon! Aber wann? Unzählige Regeln umgeben das Verhältnis von Sport und gutem Schlaf. Doch die meisten sind Unsinn – bis auf eine.
Eine Frau in Sportkleidung joggt in die untergehende Sonne.
In den Sonnenuntergang zu laufen, kann den Schlaf deutlich verbessern.
Ob für das Lernen, die Laune oder die Gesundheit – guter Schlaf ist lebenswichtig. Doch leider klagen viele Menschen über Schlaflosigkeit oder Schlafprobleme. In der Kolumne »Gute Nacht – die Kolumne für besseren Schlaf« gehen wir regelmäßig auf Hintergründe zum Thema Schlaf ein und geben Tipps, wie Sie (wieder) besser ein- und durchschlafen.

Zu dem Kurs gehe sie nicht wieder, sagt die Frau im Sportstudio. Wir schlängeln uns verschwitzt in Richtung Umkleide. Meine Beine sind Pudding, mein Gehirn ist sehr glücklich – sie ist unzufrieden. »Danach kann ja kein Mensch mehr schlafen«, sagt die Frau. Es ist kurz nach 18 Uhr, und ich fange jetzt keinen Streit darüber an, ob intensiver Sport am späten Nachmittag schlaflos macht oder nicht oder wen unter welchen Bedingungen. Doch anschauen sollten wir uns das Thema trotzdem.

Das Internet hat eine klare Meinung. Na ja – viele Meinungen. Das Internet sagt: Sport ist grundsätzlich gut für den Schlaf, aber zu viel sollte es nicht sein, am besten Yoga und davon eine leichte Form. Wenn es anstrengend sein soll, dann auf keinen Fall zu spät, sonst kommt der Körper danach nicht zur Ruhe. Und außerdem sind Ausdauersportarten besser als Krafttraining, allerdings eben nicht zu hart, und Vorsicht vor Übertraining, denn das verursacht Schlafstörungen.

Als Schlafberaterin sage ich: Das sind zu viele Regeln. Und wer fest daran glaubt, dass alle diese Regeln stimmen, der liegt am Ende vielleicht sogar nach dem Treppensteigen wach. Solche Schlafüberzeugungen gehören zu den wichtigen Einflussfaktoren des Schlafs, sagt die Schlafforscherin Allison Harvey in ihrem Kognitiven Modell der Insomnie. Auch Stress und Erregung zählt sie dazu.

Es lohnt sich also, ein wenig aufzuräumen. Wirklich viele Gesundheitsregeln sind weit weniger extrem, als sie dargestellt werden. Und meine Kollegin im Sportstudio hat wahrscheinlich nicht wegen ihres Kurses wach gelegen – sondern wegen ihrer Überzeugungen. Aber wann darf man denn jetzt Sport treiben?

Frühsport zum Einschlafen

Grundsätzlich unumstritten ist die Empfehlung, sich morgens draußen zu bewegen. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass sich die innere Uhr justiert, wenn Menschen sich am Morgen dem Tageslicht aussetzen. Das Licht und die Aktivität wirken dann als Zeitgeber: Das Gehirn erfährt durch äußere Reize, dass ein neuer Tag begonnen hat. Das ist wichtig, weil Menschen keinen perfekten 24-Stunden-Rhythmus besitzen und uns soziale Aktivitäten immer wieder aus dem Takt bringen, halten die Schlafforscherinnen Kelly Glazer Baron und Kathryn Reid in einem Übersichtsartikel in der Fachzeitschrift »International Review of Psychiatry« fest. Besonders für ältere Menschen, die häufiger unter gestörtem oder verkürztem Schlaf leiden, funktioniert der leichte Frühsport gut, berichten japanische Wissenschaftler.

Ist der Schlaf-wach-Rhythmus gestört, dann sind Schläfrigkeit am Tag und Wachliegen in der Nacht die Folgen. Jeden Tag zur gleichen Zeit aufstehen und bewegen bringt Menschen zurück in den Rhythmus. Dies gilt jedoch nur, wenn die zirkadiane Rhythmik wirklich das Problem ist, das hinter der Schlafstörung steckt. Das merken Sie zum Beispiel daran, dass Sie konsequent zu Zeiten müde sind, die nicht zu Ihrem Leben passen.

Spätsport zum Durchschlafen?

Nicht jeder Sport am Abend ist ein Garant für Schlaflosigkeit. Tatsächlich kann er sogar helfen, den Schlafrhythmus nach Wunsch einzustellen. Wer um 21 Uhr bereits schläfrig ist, aber regelmäßig mitten in der Nacht aufwacht, dem sei hiermit zu einem Spaziergang geraten.

Menschen mit Durchschlafstörungen profitieren enorm davon, ihren Schlaf-wach-Rhythmus auf eine etwas spätere Zeit zu regulieren. Dies gelingt mit moderater Bewegung am Abend, berichten Schlafmediziner auf Basis von Experimenten. Analog kann jeder leichte Sport ausprobiert werden: Yoga, entspanntes Pilates, aktivierende Stretching-Übungen oder lockeres Training mit dem eigenen Körpergewicht. Wählen Sie als Vorlage ein entspanntes Trainingsvideo oder, sehr gern, Übungen, die Sie bereits kennen und nach Gefühl durchführen können. Hören Sie statt auf einen Trainer lieber auf Ihren Körper. Der meldet sich schon, wenn es anstrengend wird.

Es wird Ihnen bedeutend leichter fallen, wach zu bleiben, wenn Sie bei bleierner Müdigkeit noch einmal aktiv werden. Die moderate Bewegung kann stressbedingte Erregung reduzieren und gibt, kombiniert mit einer festgelegten Bettgehzeit, das Gefühl der Kontrolle zurück. Die Wahrscheinlichkeit, gut ein- und durchzuschlafen, steigt.

Übrigens: Eine neuere und, wie ich finde, sehr kreative Studie beschreibt, wie Fachleute mit Versuchspersonen einen vierstündigen TV-Abend simulierten und die Testgruppe alle halbe Stunde für drei Minuten leichtes Krafttraining absolvieren ließen. Ergebnis: Im Schnitt schliefen die Testpersonen 30 Minuten länger.

Schlaf und Sport: Diese Rolle spielt die Intensität

Das bringt uns zur Intensität des Sports. Zuerst die Entwarnung: Es gibt keine Tageszeit, ab der eine hochintensive Sporteinheit automatisch zur Schlaflosigkeit führt.

Was aber stimmt: Patientinnen und Patienten mit Insomnie hilft moderate Bewegung am frühen Abend, berichtet die brasilianische Schlafforscherin Giselle Passos. Sie hat verschiedene Intensitäten und deren Wirkung auf Schlaf und schlafbezogene Ängste verglichen. Untersucht wird bei solchen Studien häufig Lauftraining, deshalb können wir dessen Wirkung besonders gut einschätzen. Und ja: Ein entspannter Lauf wirkt positiv auf den Schlaf. In Passos’ Studie zeigte sich vor allem ein Effekt auf die Einschlafdauer – verkürzt um 55 Prozent – und die Schlafdauer: verlängert um eine Stunde. Insbesondere bei der Einschlafdauer spielen reduzierte Ängste und Stress eine Rolle.

Übrigens führte Passos’ Team die Experimente gegen 18 Uhr am Abend durch. Dies könne teilweise erklären, warum moderater Sport besser wirkte als hochintensiver, schreiben die Autorinnen und Autoren.

Die Rolle der Glaubenssätze

Bitte ignorieren Sie die Regeln, die um Schlaf und Bewegung aufgestellt werden. Zu starre Vorgaben schaffen Glaubenssätze, die Sie wachhalten. Sie müssen keinen Sport machen, doch Sie dürfen. Und zwar wann Sie wollen – auch in einem intensiven Spätnachmittagskurs im Sportstudio. Leiden Sie an Schlafstörungen, dann halten Sie es mit Schweiß und Herzrasen wie mit dem Abendessen: Drei Stunden vor dem Insbettgehen ist Feierabend. Ob Sie erst essen oder erst Sport machen, sei Ihnen überlassen.

Und hier ist ein Glaubenssatz, mit dem Sie arbeiten können: Bewegung verkürzt die Einschlafzeit. Das liegt unter anderem daran, dass Energie verbraucht und Erregung sowie schlafbezogene Ängste reduziert werden.

Wenn Sie sich also bewegt haben, dann haben Sie Ihren Schlaf unterstützt. Zu viel, zu wenig, zu früh oder zu spät war es wahrscheinlich nicht, denn so scharf gezogen sind die Grenzen des Körpers nicht. Liegen Sie wach, weil das Herz pocht? Dann haben Sie noch immer etwas Gesundes für sich getan, Glückwunsch! Aber probieren Sie es beim nächsten Mal vielleicht doch eine Stunde früher.

  • Quellen

Baron, K. G., Reid, K. J.: Circadian misalignment and health. International review of psychiatry 26, 2014, 139–154

Gale, J. T. et al.: Evening regular activity breaks extend subsequent free-living sleep time in healthy adults: A randomised crossover trial. BMJ Open Sport & Exercise Medicine 10, 2024, e001774

Passos, G. S. et al.: Effect of acute physical exercise on patients with chronic primary insomnia. Journal of Clinical Sleep Medicine 6, 2010

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