Forschung mit Militärgeldern: Forschungsfreiheit bedeutet auch Verantwortung
Durch Zivilklauseln übernehmen Hochschulen freiwillig eine besondere Verantwortung. (Hochschul-)Rechtlich sind sie dazu nicht verpflichtet. Mit Zivilklauseln ist die Absicht verbunden, eine als richtig empfundene friedensethische Praxis im Hochschulalltag zu etablieren. Zivilklauseln können unterschiedliche normative Gehalte besitzen: Als Gebot fordern sie dazu auf, in der Forschung einen Beitrag zu einer friedlichen Entwicklung zu leisten. Als Verbot streben sie danach, die Zusammenarbeit von Hochschulangehörigen mit militärischen und rüstungsindustriellen Akteuren einzuschränken oder zu unterbinden.
Zivilklauseln können einerseits zu einer institutionellen Profilbildung von Hochschulen beitragen, wie sie derzeit in der deutschen Wissenschaftslandschaft gefordert wird und auch stattfindet. Dabei werden bestimmte Forschungsaktivitäten gefördert und andere erschwert oder sogar beendet. Wer diese Praxis als erwünscht und grundsätzlich mit der Forschungsfreiheit vereinbar findet, kann dies auch bei der Profilierung auf den Frieden hin als unproblematisch bewerten. Eine entsprechend profilierte Hochschule wird diejenige Forschung unterstützen, die auf die Friedenserhaltung und -förderung zielt, und derjenigen, bei der sie begründet zur Ansicht kommt, dass sie zu diesem Ziel nicht beiträgt, ihre Unterstützung oder Zustimmung verwehren.
Die Einsetzung von Zivilklauseln kann andererseits als Reaktion auf Entwicklungen im deutschen Wissenschaftssystem verstanden werden, die selbst als Bedrohung der Forschungsfreiheit gelten: prekäre Beschäftigungsverhältnisse und zunehmende Drittmittelabhängigkeit. Damit geht die Sorge einher, an problematisch eingeschätzten Projekten aus finanziellen Zwängen teilnehmen zu müssen.
"Wissenschaft darf nicht darauf verzichten, sich mit ihren Folgen auseinanderzusetzen"
Dies gilt umso mehr angesichts eines gewandelten sicherheitspolitischen Diskurses, der unter dem Stichwort der "humanitären Intervention" eine – global keineswegs geteilte – Vorstellung eines "guten Krieges" zu legitimieren versucht. Ferner kann speziell das US-Verteidigungsministerium für deutsche Hochschulen ein problematischer Partner sein, weil beispielsweise mit dem so genannten "Drohnenkrieg" – vorsichtig formuliert – völker- und strafrechtlich fragwürdige Handlungen verbunden sind. Ihrem Anspruch nach bieten Zivilklauseln also einen moralischen Mindeststandard und Schutz vor Forschung, die dem friedensethischen Verständnis einer Hochschule nicht entspricht.
Gilt die Zivilklausel aber auch bei vom Pentagon finanzierter ziviler und Dual-Use-Forschung? Die Frage geht – wie die Sicherheitsethik und Science and Technology Studies bereits zeigten – vom Irrtum aus, es gäbe eine kontextfreie "gute" Forschung und nur "bösen" Missbrauch.
Sicher kann nicht jede künftige Anwendung vorhergesehen werden. Dies bedeutet aber nicht, dass Wissenschaft darauf verzichten dürfte, sich mit ihren Folgen auseinanderzusetzen. Wer Freiheit für sich beansprucht, trägt auch Verantwortung. Im Gegensatz zu ungewissen künftigen Anwendungen sind aber Geldgeber und Forschungspartner bekannt. Gerade mit Blick auf Ambivalenzen und Ungewissheiten fordern Zivilklauseln diesbezüglich eine besondere Aufmerksamkeit. Selbst eine vom Pentagon finanzierte Grundlagenforschung muss in einem ganz spezifischen (Zukunfts-)Horizont gedacht werden und ist eben deswegen nicht neutral.
Sieht man Zivilklauseln als Elemente in einem Prozess, in dem diskursiv und argumentativ über Absichten und Folgen, Risiken und Ungewissheiten von Forschung eine Verständigung erzielt wird, so können sie ein Instrument sein, mit dem Verantwortung wahrgenommen wird. Damit die Selbstverpflichtung auf den Frieden erfolgreich nach innen gelebt wird, ist es unvermeidlich, dass sich die Angehörigen der Hochschule sowohl über das friedensethische Leitbild ihrer Hochschule verständigen als auch auf Institutionen und Verfahren einigen, in denen und mit denen strittige Fälle offen diskutiert werden können. Als Ergebnis dieses Prozesses können nicht erwünschte Forschungsziele und -projekte ebenso wie bestimmte Kooperationspartner ausgeschlossen werden.
Lesen Sie dazu auch den Gegenkommentar von Bernhard Kempen: "Forschung ohne Gesinnungsvorbehalt".
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