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Freistetters Formelwelt: An der Grenze der Berechenbarkeit

Manche Gleichungen kann man nur so gerade eben lösen. Aber selbst damit ist Schluss, wenn die Relativitätstheorie dazwischenfunkt.
Planetensystem um Roten Zwerg

Das »Zweikörperproblem« klingt leicht anrüchig. In der Astronomie ist damit aber normalerweise die Frage nach der Bewegung zweier Objekte im All gemeint: Wenn sich zwei Himmelskörper ausschließlich durch ihre jeweilige Gravitationskraft wechselseitig beeinflussen, auf welche Weise bewegen sie sich dann?

Das klassische Beispiel dafür ist die Bewegung eines Planeten um die Sonne, und wie das funktioniert, hat Johannes Kepler schon im 17. Jahrhundert verstanden und im ersten seiner berühmten drei Gesetze erklärt. Zwei durch Gravitation aneinander gebundene Objekte umkreisen sich in Form einer Ellipse. Wenig später lieferte Isaac Newton den streng mathematischen Unterbau dafür. Wie man aus seinem Gravitationsgesetz die Bewegungsgleichungen des Zweikörperproblems ableitet, lernt man heute in den ersten Semestern eines Physikstudiums.

Das sind die entsprechenden Gleichungen, formuliert in Polarkoordinaten r und θ, und für vorgegebene Werte der Gesamtenergie E und des Drehimpuls L des Systems. m1 und m2 sind die Massen der beiden Körper, und G ist die Gravitationskonstante. Man muss ein bisschen rechnen, um auf dieses Ergebnis zu kommen, und braucht dafür Mathematik, die ein klein wenig über das hinausgeht, was man in der Schule lernt. Aber man kann es exakt berechnen, und darauf kommt es an. Das Zweikörperproblem hat keine Geheimnisse mehr: Kennt man die Anfangsbedingungen, lassen sich die Positionen der Himmelskörper für beliebig lange Zeiträume in der Zukunft exakt vorhersagen.

In der Realität gibt es aber kein Zweikörperproblem. Da gibt es ja auch immer mehr als zwei Objekte. Aber allein unser Sonnensystem hat neben der Sonne schon acht Planeten, und der ganze Rest an Monden und Asteroiden übt ebenfalls eine kleine Gravitationskraft aus. Sobald mehr als nur zwei Objekte beteiligt sind, lässt sich das Problem mathematisch nicht mehr exakt lösen.

Einstein macht wieder alles kaputt!

Und unter Umständen kann man auch Probleme kriegen, wenn man es mit nur zwei Objekten zu tun hat. Denn wir wissen seit mehr als 100 Jahren, dass man die Gravitation mit Newtons Gleichung nur näherungsweise beschreiben kann und man sonst Einsteins allgemeine Relativitätstheorie bemühen muss. Meistens sind die Abweichungen nur gering, aber wenn es um sehr starke Gravitationsfelder geht, kommt man um die komplexen Formeln der Relativität nicht umhin. Und damit formuliert ist selbst das Zweikörperproblem nicht mehr exakt lösbar.

Dann muss man die »Numerik« bemühen, die immer ein wenig ein Schattendasein fristet zwischen den prominenteren Disziplinen der Experimental- und theoretischen Wissenschaft. Aber die besten Theorien nützen ebenso wenig etwas wie die besten Experimentalmethoden, wenn man nicht weiß, was genau im Experiment beobachtet werden soll. Das hat sich sehr gut bei der Entdeckung der Gravitationswellen im Jahr 2014 gezeigt. Man hatte theoretisch vorhergesagt, dass es dieses Phänomen geben muss, zum Beispiel bei der Kollision zweier Schwarzer Löcher. Man hatte Instrumente, mit denen es sich beobachten lassen sollte.

Aber um zu wissen, nach was genau zu suchen ist, musste man zuerst einmal vorhersagen können, wie zwei Schwarze Löcher sich vor einer Kollision umeinander bewegen. Das ist genau einer der Fälle, in dem man die relativistischen Gleichungen braucht und ein unlösbares Zweikörperproblem lösen muss. Und wo die exakte Mathematik scheitert, kann die Numerik mit näherungsweisen Lösungen aushelfen. Die sind zwar nicht völlig exakt, können aber mit ausreichend Computerkraft fast beliebig exakt geliefert werden.

Bis die Numerik das relativistische Zweikörperproblem der Schwarzen Löcher in den Griff bekam, vergingen Jahrzehnte. Aber ihr Beitrag zur Entdeckung der Gravitationswellen war ebenso wichtig wie der von Theorie und Experiment. Mathematik muss nicht immer exakte Ergebnisse liefern, um erfolgreich zu sein.

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