Freistetters Formelwelt: Das Helium-Paradox
Haben Sie kürzlich eine Party gefeiert und dabei Luftballons mit Helium gefüllt? Und sich vielleicht sogar den Spaß gemacht, ein wenig Helium einzuatmen, um mit unnatürlich hoher Stimme sprechen zu können? Als sie es dann wieder ausgeatmet haben, sind die Heliumatome dadurch in die Atmosphäre gelangt und waren damit unwiderruflich für eine weitere Nutzung verloren. Denn Helium ist eine endliche Ressource – und eine, die auch beim besten Willen nicht erneuert werden kann. Das Atom ist so leicht, dass es durch die Atmosphäre aufsteigt und ins Weltall entkommt.
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Dort gäbe es ja eigentlich schon genug davon. Nach Wasserstoff ist es das zweithäufigste Element im Kosmos, weil es wie der Wasserstoff direkt nach dem Urknall selbst entstanden ist. Der Rest des Periodensystems musste dagegen erst mühsam durch nukleare Prozesse in Sternen produziert werden. Die enormen Mengen des primordialen Heliums im Kosmos sind für uns aber nicht zugänglich – wir müssen mit dem vorliebnehmen, was hier bei uns auf der Erde in geringen Mengen nachproduziert wird. Das geschieht durch einen Vorgang, der in dieser chemischen Formel dargestellt ist:
Sie beschreibt den Alphazerfall, bei dem Atomkern des Elements X mit Massenzahl A und Ordnungszahl Z in einen leichteren Atomkern Y zerfällt, dabei den Kern eines Heliumatoms aussendet und Energie freisetzt. Im Inneren der Erde befinden sich diverse radioaktive chemische Elemente, zum Beispiel Uran oder Thorium, die im Lauf der Zeit langsam zerfallen. Die Zerfallsenergie heizt den Kern der Erde auf und hält ihn flüssig.
Und die Heliumkerne fangen sich ein paar Elektronen ein, werden zu vollständigen Heliumatomen und diffundieren langsam durch das Gestein an die Oberfläche, in die Atmosphäre und hinaus ins Weltall. Nur in bestimmten Gesteinen und vor allem in natürlichen Erdgaslagerstätten kann es sich ansammeln. Wenn die Heliumkonzentration dort ausreichend hoch ist, lohnt sich der Abbau.
Helium und Kapitalismus
Helium ist ein flüchtiges Element, aber enorm wichtig für uns. Man kann es sehr weit abkühlen, ohne dass es dabei fest wird, bis fast an den absoluten Nullpunkt. Deswegen kommt es überall dort zum Einsatz, wo man extrem tiefe Temperaturen benötigt. In der Magnetresonanztomografie (MRT) zum Beispiel, einem wichtigen Verfahren zur medizinischen Bildgebung. Aber auch in Teilchenbeschleunigern, deren starke magnetische Felder man nur mit extrem gekühlten supraleitenden Magneten erzeugen kann. Wir verwenden Helium in der Schweißtechnik, beim Tauchen, zum Bau von Lasern, als Packgas, um Lebensmittel vor Sauerstoff zu schützen und für jede Menge andere Dinge, inklusive dem Aufblasen von Partyballons.
Es wäre also praktisch, wenn uns das Helium nicht ausgeht. Angesichts der Tatsache, dass es sehr lange dauert, bis der radioaktive Zerfall im Erdinneren neue relevante Mengen an Helium bildet, wäre es eigentlich angebracht, sehr sparsam und sorgfältig damit umzugehen. Das haben wir aber lange Zeit nicht getan, weil das Gas unnatürlich billig gehandelt wurde.
Die USA, die im letzten Jahrhundert den überwiegenden Teil des Heliums gefördert haben, hatten eine enorme Reserve aufgebaut, die das Mehrfache des Weltjahresbedarfs decken konnte. Unter Präsident Clinton wurde aber beschlossen, diese Reserve auf den Markt zu werfen, was einerseits den Preis gesenkt und andererseits Sparmaßnahmen verhindert hat.
Aber der Kapitalismus macht auch vor dem Helium nicht Halt. Der Verbrauch steigt, die Reserven sind bald aufgebraucht und die Heliumförderung muss wieder angekurbelt werden. Es ist aber längst nicht sichergestellt, dass wir weiterhin ertragreiche Lagerstätten finden – vor allem wenn man berücksichtigt, dass Helium nur gemeinsam mit Erdgas gefördert werden kann, was aus Gründen des Klimaschutzes ebenfalls reduziert werden muss. Wer weiß, wie lange unsere Partyballons noch fliegen.
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