Freistetters Formelwelt: Das Problem mit dem Schnee
Ich bin kein großer Fan von Schnee. Gut, es sieht schön aus, wenn draußen alles weiß ist. Ich mache mir jedoch nicht viel aus Wintersport, viel lieber habe ich es sommerlich warm. Vor allem stört mich allerdings, was der Schneefall oft mit sich bringt. Nämlich die Konsequenzen dieser Formel:
Die Gleichung beschreibt die so genannte »Gefrierpunktserniedrigung« ΔTf. Wasser gefriert zwar bekannterweise bei null Grad Celsius. Sind im Wasser aber Stoffe gelöst, dann senkt das den Gefrierpunkt. Wie groß der Effekt ausfällt, hängt von der »Molalität« b ab, das heißt der Konzentration der gelösten Teilchen, gemessen in Mol pro Kilogramm des Lösungsmittels, in diesem Fall Wasser.
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Ebenfalls eine Rolle spielt die »kryoskopische Konstante« En, die vom Lösungsmittel abhängt und für Wasser einen Wert von -1,86 K·kg/mol hat. Außerdem muss noch der »Van-'t-Hoff-Faktor« i berücksichtigt werden. Er gibt an, in wie viele Teilchen der im Wasser gelöste Stoff im Durchschnitt dissoziiert. Was das bedeutet, kann man am besten anhand der chemischen Verbindung erklären, die im Winter für schneefreie Wege und jede Menge Ärger sorgt: Kochsalz.
Wie der Salz-Trick funktioniert
Salz ist nichts anders als Natriumchlorid, ein Salzmolekühl besteht also aus je einem Natrium- und einem Chloratom. In der kristallinen Form bilden positiv geladene Natriumatome und negativ geladene Chloratome ein Gitter. Im Wasser wird dieses Gefüge von den elektrischen Kräften, welche die Wassermoleküle ausüben, aufgebrochen. Durch die spezielle geometrische Art, in der sich Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser verbinden, ist die elektrische Ladung über das gesamte Molekül nicht ausgeglichen, sondern an den Wasserstoffatomen leicht positiv und beim Sauerstoffatom negativ. Wenn nun ausreichend Wassermoleküle am Natriumchloridgitter zerren, trennen sich die beiden Atome voneinander. Oder anders gesagt: Aus einem Natriumchlorid werden bei Lösung in Wasser zwei Teilchen – und es gilt i = 2.
In der Praxis bedeutet all die Physik und Mathematik, dass man Straßen und Wege durch das Streuen von Salz wieder eisfrei bekommt. Die gelösten Teilchen sind elektrisch geladen und hindern dadurch die Wassermoleküle, sich zu Eiskristallen zu verbinden. Deswegen gefriert Wasser nun erst bei Temperaturen, die unter dem üblichen Gefrierpunkt von null Grad Celsius liegen.
Oder andersherum betrachtet: Streut man Salz zum Beispiel auf eine vereiste Straße und wird das Eis unter dem Druck der darüberfahrenden Autoreifen flüssig, dann löst sich das Salz darin, und auf Grund der Gefrierpunktserniedrigung bildet sich kein neues Eis mehr. Das Wasser kann verdunsten, was wiederum die Konzentration der Salzlösung erhöht, die nun die nächste Eisschicht entfernen kann.
Und genau hier liegt das Problem: Sind Eis und Schnee von den Straßen verschwunden, bleibt das Salz übrig. Wenn das Wetter dann noch für längere Zeit kalt und trocken ist und kein Regen das Salz fortspülen kann, bleibt es liegen, klebt an den Schuhen und bildet nervige Krusten auf dem Boden meines Vorzimmers.
Sieht man von meinen persönlichen Problemen mit dem Streusalz ab, dann bleiben immer noch seine negativen Auswirkungen auf die Umwelt. Es gelangt in die Luft, in den Boden und in die Gewässer und kann dort Tiere und Pflanzen schädigen. Genau deswegen ist sein Einsatz in vielen Kommunen verboten; zumindest für den privaten Gebrauch.
Diese Verbote können Städten und Gemeinden aber für sich selbst außer Kraft setzen, wenn die Wetterverhältnisse es nötig machen. Folglich wird das Salz weiter eingesetzt. Es ist die Antwort auf ein Problem – das der eisigen Straßen – und gleichzeitig Ursache für sehr viel mehr neue Probleme. Ich werde dem Schnee vorerst also weiterhin mit Muskelkraft und Schaufel entgegentreten.
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