Freistetters Formelwelt: Irrtum beim Münzwurf
Im Spielkasino könnte man wunderbar lernen, wie Wahrscheinlichkeitsrechnung funktioniert. Andererseits neigt man dazu, solche Etablissements zu meiden, wenn man sich zu lange mit der Mathematik des Glücksspiels beschäftigt hat. Denn die ist nicht nur recht eindeutig, was die eigene Gewinnchancen angeht, sondern kann einem auch manchmal den Spaß verderben. Ein bisschen Ahnung schadet aber trotzdem nicht – auf jeden Fall dann, wenn man nicht dem »Spielerfehlschluss« erliegen will.
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Betrachten wir dazu das einfachste Glücksspiel: den Münzwurf. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Münze auf »Kopf« landet, beträgt 50 Prozent; ebenso wie die Wahrscheinlichkeit, dass sie auf »Zahl« zu liegen kommt – den Fall, dass sie genau auf der Kante stehen bleibt, ignorieren wir der Einfachheit halber. Wie wahrscheinlich ist es nun, dass man bei zwei Würfen zweimal Kopf bekommt? Die beiden Ereignisse sind vollkommen unabhängig voneinander, das Resultat des zweiten Wurfs wird vom ersten nicht beeinflusst. Nach den Regel der Wahrscheinlichkeitsrechnung muss man also beide Wahrscheinlichkeiten multiplizieren: 0,5 · 0,5 = 0,25. Die Chance auf zwei Köpfe hintereinander liegt also bei 25 Prozent. Das lässt sich leicht verallgemeinern:
Die kompliziert aussehende Formel besagt nichts anderes, als das man bei n unabhängigen Ereignissen die entsprechenden Wahrscheinlichkeiten miteinander multiplizieren muss. Der Spielerfehlschluss besteht nun darin, bei der Berechnung einer Wahrscheinlichkeit die Vorgeschichte miteinzubeziehen. Angenommen wir haben schon vier Köpfe hintereinander geworfen. Die Wahrscheinlichkeit für fünfmal Kopf hintereinander beträgt laut obiger Formel 0,5 · 0,5 · 0,5 · 0,5 · 0,5 = 0,03125 beziehungsweise 3,125 Prozent.
Keine ausgleichende Gerechtigkeit
Das ist nicht viel und man könnte nun denken, dass es in diesem Fall viel wahrscheinlicher ist, dass der nächste Münzwurf Zahl ergibt. Genau hier liegt der Fehlschluss: Beim fünften Wurf beträgt die Wahrscheinlichkeit für Kopf immer noch 50 Prozent; ebenso wie die für Zahl. Das gilt für JEDEN Wurf; egal was davor passiert ist. Die Wahrscheinlichkeit von 3,125 Prozent bezieht sich auf die Situation vor dem allerersten Wurf der Serie – also auf die Situation, in der das Ergebnis aller fünf Würfe unbekannt war. Wenn die Münze aber schon viermal geworfen wurde, spielen diese Resultate keine Rolle mehr für die Wahrscheinlichkeitsberechnung; ihr Zustand ist bekannt.
Wir haben zwar das Gefühl, es müsste langsam mal Zahl kommen, wenn davor so oft Kopf geworfen wurde. Aber dieses Gefühl täuscht uns, und viele Menschen haben dadurch jede Menge Geld verloren.
Der Zufall lässt sich nicht täuschen – und ein Spielkasino schon gar nicht. Das gilt auch für Wettsysteme wie die »Martingale«. Diese Strategie sieht vor, dass man nach einer verlorenen Wette den Einsatz einfach verdoppelt und weitermacht, bis man gewonnen hat. Das klingt nach einer sicheren Sache: Wenn ich etwa 10 Euro auf Kopf gesetzt habe, die Münze aber auf Zahl gelandet ist, setzte ich einfach 20 Euro und werfe die Münze nochmal. Sollte ich erneut verlieren, wird der Einsatz auf 40 Euro erhöht, und so weiter, bis die Münze irgendwann endlich auf Kopf landet.
Rein theoretisch kann man damit tatsächlich nicht verlieren. In der Praxis besteht aber die Chance, dass der zum Weiterspielen benötigte Einsatz sehr schnell unvorstellbar hohe Summen erreicht. Und selbst wenn man am Ende gewinnt, gewinnt man immer nur den beim ersten Wurf gesetzten Einsatz. Dazu kommt, dass Spielkasinos keine beliebig hohen Einsätze erlauben.
Mit einem Martingale-System kann man also sehr viel verlieren und sehr wenig gewinnen. Den Spielkasinos ist die Mathematik der Wahrscheinlichkeit sehr bewusst. Deswegen sind sie auch die einzigen, die dort langfristig gewinnen.
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