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Freistetters Formelwelt: Was Metallizität bedeutet

Die Astronomie macht sich die Chemie sehr einfach. Wenn dort von »Metallen« die Rede ist, sollte man aber trotzdem wissen, welche Formel dahintersteckt. Mit ihr kann man sich auf die Suche nach den allerersten Sternen machen.
Sterne im galaktischen Zentrum

Das Periodensystem der Elemente ist ein beeindruckendes Instrument. Es beschreibt die bisher bekannten 118 verschiedenen Atome und sortiert sie mit einem komplexen System anhand ihrer Eigenschaften. Die Astronomie dagegen macht es sich scheinbar einfach: Hier gibt es Wasserstoff, Helium und Metalle. Was gestandene Chemikerinnen und Chemiker in Schreikrämpfe ausbrechen lassen würde, hat allerdings System. Hinter dem astronomischen Begriff der »Metallizität« steckt diese Formel:

Man vergleicht damit die Anzahl der Eisenatome eines Sterns NFe mit der Anzahl der Wasserstoffatome NH und setzt den Wert in Bezug zum entsprechenden Verhältnis der Sonne. Diese hat damit definitionsgemäß eine Metallizität von 0. Sterne, deren Metallizität positiv ist, enthalten mehr Eisen als die Sonne; bei negativer Metallizität ist der Eisengehalt geringer.

Dabei geht es aber nicht vorrangig um das Eisen. Es dient nur als Indikator, um einerseits die Menge an schweren Elementen insgesamt anzuzeigen und andererseits die Generation, zu der ein Stern gehört. Mit »schweren« Elementen ist in der Astronomie ein weiteres Mal etwas anderes gemeint als in der Chemie. Wasserstoff und Helium sind im Universum mit Abstand die dominierenden Elemente. Diese beiden wurden unmittelbar nach dem Urknall produziert; sie waren also von Anfang an vorhanden. Der ganze Rest des Periodensystems – abgesehen von geringsten Mengen bestimmter ebenfalls beim Urknall entstandener Isotope von Lithium und Beryllium – entstand erst später, durch Kernfusion im Inneren von Sternen beziehungsweise durch hochenergetische Prozesse in den Spätstadien der Sternentwicklung.

Die Erde ist seltsam

Die chemische Zusammensetzung der Erde spiegelt das aber nicht wider. Den größten Teil der Erdmasse macht Sauerstoff mit 32 Prozent aus, gefolgt von Eisen mit 29 Prozent. Kosmisch gesehen ist das ein äußerst ungewöhnlicher Zustand; im Universum machen Wasserstoff und Helium knapp 98 Prozent der Materie aus. Es ist deswegen verständlich, dass der Rest in der Astronomie zu den »schweren Elementen« zusammengefasst wird. Der Eisenanteil der Sonne liegt bei nur etwa 0,15 Prozent.

Trotzdem gehört sie zu den vergleichsweise metallreichen Sternen. Als sie vor 4,6 Milliarden Jahren entstand, enthielt die kosmische Wolke, aus der sie sich gebildet hat, neben Wasserstoff und Helium schon einen gewissen Anteil an schweren Elementen. Die wurden von den Sternen einer früheren Generation produziert, und als diese ihr Leben in einer Supernova-Explosion beendeten, verteilten sie all diese neu geschaffenen Elemente im interstellaren Raum.

Die Astronomie teilt die Sterne anhand ihrer Metallizität in »Populationen« ein. Junge Sterne mit vergleichsweise vielen schweren Elementen werden zur Population I gezählt. Ältere Sterne mit einer geringeren Metallizität ordnet man der Population II zu. Man findet sie vor allem in den Außenbereichen von Galaxien. Was man bis jetzt noch nicht gefunden hat, sind Sterne der Population III. Sie waren die ersten, die sich nach dem Urknall gebildet haben; die Sterne, die tatsächlich nur aus Wasserstoff und Helium bestanden und die durch ihre Kernfusion die ersten schweren Elemente produziert und im Universum verteilt haben.

Man geht davon aus, dass es sich um sehr massereiche Sterne gehandelt hat, deren Lebensdauer nur ein paar Millionen Jahre betrug. Keiner davon kann bis heute überlebt haben. Aber die Astronomie hat den großen Vorteil, in die Vergangenheit schauen zu können. Je weiter man hinaus in den Kosmos blickt, desto länger war das Licht zu uns unterwegs und desto älter ist das Bild, das wir sehen. Noch wurden keine metallfreien Sterne entdeckt. Doch es muss sie gegeben haben, und mit den Teleskopen der nächsten Generation werden wir vielleicht endlich in der Lage sein, sie zu identifizieren.

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