Freistetters Formelwelt: Was ist so super am Supermond?
Wenn ein neues Jahr begonnen hat, dann häufen sich die Zukunftsprognosen. Und trotz aller eindeutig nachgewiesenen Unwissenschaftlichkeit wird auch die Astrologie wieder herangezogen, um die Zukunft zu deuten. Dieser esoterischen Disziplin haben wir auch ein Wort zu verdanken, das in den letzten Jahren immer häufiger in einem astronomischen Kontext aufgetaucht ist: Supermond.
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»Spektakuläres Ereignis: ›Supermond‹ über Deutschland«, »Heute Supermond: Welche Macht hat der Mond wirklich über uns?« oder »Seltenes Spektakel! Super-Pink-Moon erhellt den Nachthimmel« lauten nur ein paar Schlagzeilen, die man mittlerweile mehrmals pro Jahr lesen kann (was ziemlich häufig ist für ein »seltenes Spektakel«). Mit dem »Supermond« gemeint ist eine Situation, in der ein Vollmond besonders groß am Himmel erscheinen soll, weil er sich gerade sehr nahe an der Erde befindet.
Die diesem Phänomen zu Grunde liegende Mathematik ist komplex. Sie lässt sich in ihrer simpelsten Form aber mit dieser Gleichung darstellen:
Mit a wird die »große Halbachse« der Mondbahn bezeichnet, also der mittlere Abstand zwischen Erde und Mond. e ist die Exzentrizität, eine Maßzahl für die Abweichung der Mondbahn von einem exakten Kreis. Daraus kann man die Apsiden rap berechnen, das heißt den erdnächsten und den erdfernsten Punkt der Mondbahn.
Der Mond kann sich auf seiner Bahn bis auf zirka 363 000 Kilometer der Erde nähern – und entfernt sich bis zu 405 000 Kilometer. Das sind allerdings nur Mittelwerte. Wegen all der gravitativen Störungen, die auf den Mond wirken, schwanken Form, Größe und Ausrichtung seiner Bahn und damit auch die Position der erdnächsten und -fernsten Punkte.
Nun kann es vorkommen, dass der Mond sich gerade dann im aktuellen erdnächsten Punkt befindet, wenn die für uns sichtbare Hälfte voll von der Sonne beleuchtet wird. Das ist der »Supermond« und prinzipiell ein eindrucksvoller Anblick. Doch das gilt eigentlich für jeden Vollmond, und wer sich beim Supermond einen dramatisch anderen Anblick erwartet, wird enttäuscht werden.
Der kleine Unterschied
Natürlich verändert sich die scheinbare Größe des Mondes am Himmel, je nachdem, ob er sich gerade im erdnächsten oder im erdfernsten Punkt befindet. Dieser Unterschied beträgt etwa 14 Prozent; das ist vergleichbar mit dem Unterschied zwischen einer Ein- und einer Zwei-Euro-Münze. Das lässt sich durchaus auch bei der Beobachtung mit bloßem Auge bemerken.
Ob man es aber tatsächlich bemerkt, ist eine andere Frage. Wer sich nicht sehr gut daran erinnern kann, wie groß ihm die Vollmonde der vergangenen Monate und Jahre erschienen sind, wird kaum einen Unterschied sehen. Das gilt vor allem dann, wenn man zwei aufeinander folgende Vollmonde vergleicht, deren scheinbare Größe sich höchstens um 1,3 Prozent unterscheidet.
Ein Supermond ist also nicht supergroß – und auch nicht superselten. Es lässt sich leicht berechnen, dass es längstens 413 Tage dauert, bevor sich ein »Supermond« wiederholt. Trotz aller Mathematik hat dieser Begriff aber nichts mit echter Astronomie zu tun. Erfunden hat ihn der Astrologe Richard Nolle im Jahr 1979. Seine Definition war recht vage, und er hat behauptet, so ein »Supermond« könne extreme Stürme, Erdbeben, Vulkanausbrüche und andere Katastrophen auslösen. Was erwiesenermaßen nicht der Fall ist.
Aus astronomischer Sicht ist es ein wenig ärgerlich, wenn ein astrologischer Quatschbegriff wie »Supermond« in den Medien mit echter Astronomie in Verbindung gebracht wird und darüber hinaus in dramatischen Schlagzeilen Erwartungen aufgebaut werden, die der reale Himmel nicht erfüllen kann. Der hell leuchtende Vollmond in einer klaren Nacht ist eindrucksvoll genug. Man kann den Anblick einfach genießen; er muss nicht durch Clickbait-Schlagzeilen aufgemotzt werden.
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