Freistetters Formelwelt: Wie findet man die schüchternen Spülmittel-Teilchen?
»Axion« ist der Name eines Spülmittels. Das erschien dem theoretischen Physiker und Nobelpreisträger Frank Wilczek recht passend, als er auf der Suche nach einer Bezeichnung für ein hypothetisches Elementarteilchen war. Denn dieses würde ein Problem entfernen und die Theorie wieder »sauber« machen. Aber dazu muss es auch wirklich existieren und nicht nur eine Hypothese sein. Die Geschichte der Physik kennt viele Beispiele für die Vorhersage von Teilchen, die später erfolgreich nachgewiesen wurden. Beim Axion ist das bisher noch nicht gelungen. Doch wenn es gelingt, dann vielleicht mit dieser Formel:
Bevor wir uns der Gleichung widmen, schauen wir zuerst auf das Problem, das das Axion lösen soll. Es geht dabei um die so genannte CP-Verletzung. Dabei steht »C« für »charge«, also Ladung, und »P« für Parität. Beide Begriffe beziehen sich auf die Teilchenphysik. Ursprünglich dachte man, dass es sich dabei um Invarianzen handelt. Die Welt der Physik sollte P-invariant sein: Wenn man einen physikalischen Vorgang in einem Spiegel beobachtet, dann sollte dort nichts passieren, was nicht auch in der normalen Welt passieren kann. Ob gespiegelt oder nicht, macht keinen Unterschied. Gleiches sollte für die Vertauschung von Teilchen mit ihren entgegengesetzt geladenen Antiteilchen gelten.
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In beiden Fällen entdeckte man in Experimenten jedoch Verletzungen dieser Invarianzen und schlug deswegen eine kombinierte CP-Invarianz vor: Wenn man in einem physikalischen System alle Teilchen durch ihre Antiteilchen ersetzt und gleichzeitig alles spiegelt, sollte sich nichts ändern.
Diese Vermutung bestätigte sich allerdings nicht. 1964 entdeckte man, dass der Zerfall bestimmter Teilchen auch die CP-Symmetrie verletzt. 1976 fand man sogar heraus, dass die starke Kernkraft, die die Wechselwirkung der Quarks beschreibt, die CP-Symmetrie verletzen muss, damit die Theorie so funktioniert wie vorgesehen. Nur konnte man hier diese Verletzung nie beobachten. Um dieses Problem zu lösen, haben der Italiener Roberto Peccei und die Australierin Helen Quinn im Jahr 1977 eine neue Hypothese eingeführt. Die Details würden zu weit führen, doch als Konsequenz der »Reparatur« mussten sie auch die Existenz eines neuen Elementarteilchens postulieren: das Axion.
Ein Axionenfluss von der Sonne auf die Erde
Es handelt sich um ein Teilchen, das selbst keine elektrische Ladung besitzt, aber mit elektromagnetischen Feldern wechselwirken kann – insbesondere dann, wenn diese Felder enorm stark sind. Dann kann sich ein Axion in ein Photon umwandeln (und umgekehrt). Falls es diese Teilchen gibt, könnte genau das im Inneren der Sonne passieren – womit wir bei der Formel von oben angekommen sind: Sie beschreibt den Fluss von Axionen, der auf der Erde eintreffen soll (in Abhängigkeit von der Energie E der Photonen und der Kopplungskonstante g zwischen elektrischem und magnetischem Feld). Um diese solaren Axionen nachzuweisen, braucht es aber große Experimente.
Eine Alternative bestünde darin, Licht durch eine Wand zu strahlen. Oder etwas genauer gesagt: Man schickt einen Laserstrahl durch ein starkes Magnetfeld und richtet ihn auf eine Wand. Wenn sich ein Photon in ein Axion umwandelt, kann es durch die Wand fliegen und dort mit einem weiteren Magnetfeld wieder in ein Photon umgewandelt und detektiert werden. Die Details sind natürlich ein wenig komplizierter. Doch die Suche lohnt sich auf jeden Fall, denn Axionen könnten auch das lange bestehende Problem der Dunklen Materie lösen. Sie wären genau die Art von Teilchen, die man braucht, um die fehlende Masse im Universum zu erklären. Und wenn man dieses große Rätsel durch die ausführliche Beobachtung einer Wand löst, hat man seinen Job definitiv richtig gemacht.
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