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Gefahren der Forschung: Meinung: Die Welt wird nicht untergehen!

Nichtstun ist auch riskant. Lars Fischer plädiert für eine Abkehr von Risiko-Absolutismus.

Es ist paradox: Seit Monaten wütet das Ebolavirus in Westafrika und die Fachwelt rätselt, was dem Erreger in Zukunft noch zuzutrauen ist, doch gleichzeitig können viele Forschungsgruppen an genau solchen Fragen nur noch eingeschränkt forschen: So genannte Gain-of-Function-Experimente an gefährlichen Viren unterliegen derzeit einem Moratorium – jene Versuche, die zeigen können, was womöglich in Zukunft von diesen Erregern zu erwarten ist.

Solche Forschung ist gefährlich, und deswegen gilt das Vorsorgeprinzip: Erstmal nichts riskieren – wenn man im Labor Viren gefährlicher macht, könnten sie theoretisch in Freiheit gelangen und eine Epidemie auslösen. Gain-of-Function-Experimente könnten aber auch Ausbrüche natürlich entstandener gefährlicher Erreger stoppen oder gar verhindern. Die nächste Pandemie kommt bestimmt.

Lars Fischer | Lars Fischer ist Wissenschaftsjournalist und Redakteur bei "Spektrum.de".

Abwägungen dieser Art sind in Wissenschaft und Technik oft nötig – neue Möglichkeiten schaffen neue Gefahren. Doch in den letzten Jahren hat sich ein kurioses Ungleichgewicht entwickelt, in dem das Risiko immer das beste Argument ist: Wenn man nicht sicher ausschließen kann, dass etwas schiefgeht – erst einmal nichts riskieren.

Deswegen ruht nun die Forschung auf breiter Front auf unbestimmte Zeit. Weitere Beispiele für diesen Risiko-Absolutismus gibt es zuhauf in Wissenschaft und Gesellschaft. Bei grüner Gentechnik, unkonventionellen Gasquellen oder gar der letzten Sonnenfinsternis. Im Fall der ebenfalls jüngst diskutierten Keimbahnmanipulation bemüht man sogar das Ende aller Zeiten, wenn es darum geht, vor den Risiken zu warnen. Geht es, bei allem Respekt vor der schwierigen ethischen Debatte, nicht auch eine Nummer kleiner?

Bei solchen Diskussionen geht es nur noch vordergründig um empirische Risiken – im Zentrum steht dagegen eine normative Frage: Welche Risiken sind wir als Gesellschaft bereit, zu akzeptieren? Und hier hat sich die Balance verschoben. Wenn wir bei Wissenschaft und Technik grundsätzlich "zuerst nichts riskieren", setzen wir uns von anderer Seite erheblichen Gefahren aus.

Bei aller Debatte um die Gefahren der Technik gerät oft in den Hintergrund, dass auch Nichtstun seinen Preis und seine Risiken hat. Das gilt keineswegs nur für die medizinische Forschung mit ihrem direkten Nutzen. Die Produkte von Wissenschaft und Technik durchdringen unseren Alltag in einer Weise, die in den allermeisten Fällen bei ihrer Entwicklung überhaupt nicht abzusehen war und die unsere gesamte Gesellschaft seit der frühen Neuzeit drastisch verändert hat. Es war eine sehr riskante Zeit.

Wir leben nicht mehr in der Gesellschaft des 17. Jahrhunderts, weil seither zu unzähligen Gelegenheiten Menschen die Chancen neuer Entwicklungen höher bewertet haben als die tatsächlichen oder wahrgenommenen Gefahren. Technik hat in der Vergangenheit enorme Schäden angerichtet, doch dass das Ergebnis den Preis wert war, ist wohl ein vertretbarer Standpunkt. Nie waren mehr Menschen gesünder, freier und besser versorgt als heute – übrigens nicht nur hier zu Lande, sondern auch im Rest der Welt. Das sollte man im Hinterkopf behalten, wenn man die Risiken neuer Techniken abwägt. Die Innovationen der Zukunft sind nicht gefährlicher als jene der Vergangenheit – sie fühlen sich nur so an.

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