Direkt zum Inhalt

Flaggschiff-Initiative: Gewagter Schuss ins Blaue

Eine halbe Milliarde Euro wird die EU in die Erforschung von Anwendungen für die "Wunderfolie" Graphen investieren. Eine wagemutige Entscheidung, findet Lars Fischer.
Lars Fischer

500 Millionen Euro sind eine ganze Menge Geld in der Forschung. Entsprechend hoch sind jetzt die Erwartungen an die beiden Gewinnerprojekte der EU-Flaggschiff-Initiative. Besonderer Druck lastet allerdings auf dem Graphen-Projekt unter Führung des schwedischen Festkörperphysikers Jari Kinaret, in der sich europaweit hunderte Forschungsgruppen zusammengeschlossen haben. Mit den 500 Millionen Euro Fördermitteln sollen sie der mit vielen Vorschusslorbeeren bedachten Wunderfolie endlich einen Weg in technische Anwendungen bahnen.

Graphen | Die einatomige Lage aus reinem Kohlenstoff hat zahlreiche vortreffliche Eigenschaften, die sie für die Elektronik und andere Zwecke interessant machen. Aber bislang lassen praxistaugliche Anwendungen auf sich warten.

Denn bei allen Superlativen, mit denen das Graphen aufwarten kann: Viele Experten zweifeln offen daran, dass sich die theoretischen Möglichkeiten, die pflichtschuldig am Ende jeder neuen Veröffentlichung über den Stoff aufgezählt werden, in der Praxis großtechnisch realisieren lassen. Die Erinnerung ist noch frisch an die ebenso gefeierten Fullerene und Kohlenstoffnanoröhren, die trotz ihrer bemerkenswerten Eigenschaften bis heute ein Nischendasein in der Technik fristen.

Europaflagge

Flaggschiff-Initiative

Spektrum.de stellt Ihnen alle Finalisten in der Bewerbung um die milliardenschwere Förderung im Rahmen der EU-Flaggschiff-Initiative vor.

Mehr zum Thema und alle anderen Beiträge der Serie finden Sie hier:
spektrumdirekt.de/flaggschiffe

Man darf sich auch durchaus fragen, ob dieses bisher von der Grundlagenforschung geprägte Fachgebiet tatsächlich plötzlich im erhofften Ausmaß kommerziell erfolgreiche Produkte hervorbringen kann – oder ob wir, böse gesagt, für all das Geld weiterhin vor allem erzählt bekommen, was man mit Graphen außerdem noch so anstellen könnte. Geld allein macht bekanntlich noch keine erfolgreiche Forschung. Hier hoffen die Initiatoren vor allem auf die Katalysatorwirkung der Initiative: Je mehr mit Graphen gearbeitet wird, desto attraktiver wird das Feld generell für die Forschung an konkreten Anwendungen.

Für ein explizit auf Produkte ausgerichtetes Programm ist das Projekt jedenfalls ein bemerkenswerter Schuss ins Blaue. Was am Ende herauskommen soll, ist bewusst völlig offen – man freut sich über alles, was funktioniert. Und natürlich hoffen alle darauf, dass das Potenzial des Graphen nicht anderswo zuerst erfolgreich erschlossen wird: Die Finanzierung kommt, gemessen an den Wettbewerbern in Asien und Nordamerika, vergleichsweise spät. Zu spät? Man weiß es nicht. Aber sicher ist, dass das Graphen-Projekt mit all seinen Unwägbarkeiten eine mutige Investition ist. Ein großes Wagnis, sicherlich, aber auch eine erfrischende Abwechslung in der oft so risikoscheuen europäischen Forschungsfinanzierung.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.