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Grams' Sprechstunde: Gesundheit ist kein Zufall

Medizin wird immer spezifischer und auch immer wirksamer. Doch manchmal enttäuscht sie uns menschlich. Was also können wir selbst tun? Ein Appell und ein Abschied von unserer Kolumnistin Natalie Grams-Nobmann.
Frau mit ausgestreckten Armen im Weizenfeld

Meine Kinder lieben dieses Spiel: »Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht, welche willst du zuerst hören?« Und dann sind es meistens doch zwei gute Nachrichten. Die erste Nachricht ist also: Dies ist mein letzter Text für »Spektrum.de«, jedenfalls vorerst und in dieser Form. Seit 2018 habe ich hier, abgesehen von einer kleinen Pause, regelmäßig über aktuelle und grundsätzliche Fragen der Medizin geschrieben – natürlich mit meinem speziellen Schwerpunkt, der Aufklärung über Pseudomedizin. Dabei war mir immer wichtig, verständlich zu machen, wie Gesundheit funktioniert, was ihr hilft und was ihr schadet.

Hierzu gehört die Selbsthilfe, aber eben auch, welche Medizin wahrscheinlich die bessere Begleitung bei vielen Beschwerden und Krankheiten ist. Ich gebe gerne zu: Ich habe selbst viel dazugelernt! Die wichtigste Erkenntnis für mich ist – und das ist jetzt die zweite Nachricht –, dass Gesundheit kein Zufall ist! Wir können sie entscheidend beeinflussen, und das nicht nur im Sinne von etwas Wellness, sondern bis in unsere Biologie »hinab«.

Was kann die moderne Medizin leisten? Nutzt die Homöopathie? Was macht einen guten Arzt aus, und welche Rolle spielt der Patient? Die Ärztin und Autorin des Buchs »Was wirklich wirkt« Natalie Grams diskutiert in ihrer Kolumne »Grams' Sprechstunde« Entwicklungen, Probleme und eklatante Missstände ihrer Zunft. Alle Teile lesen Sie hier.

In meiner aktuellen Podcast-Folge (derzeit auf Apple mit Abo, am Donnerstag dieser Woche überall frei hörbar) habe ich mit dem Autor und Biologen Peter Spork über Epigenetik gesprochen. Er sagt darin (und in seinem Buch »Gesundheit ist kein Zufall«): »Gesundheit ist die Anpassungsfähigkeit von Körper und Geist an eine sich stets wandelnde, nicht selten bedrohliche und angriffslustige Umwelt. Sie ist die Gabe, positiv auf Belastungen zu reagieren und damit für zukünftige Herausforderungen besser gewappnet zu sein. Sie ist ein Prozess, ein Kontinuum. Gesundheit ist die aktive Leistung eines Organismus, wir dürfen täglich neu um sie kämpfen.«

Diese Aussage klingt toll, weil sie eine große Selbstwirksamkeit beschreibt; es könnte darin aber auch eine Art Schuldzuweisung mitschwingen: Krank ist oder wird, wer sich nicht gut genug gekümmert hat, nicht aktiv genug war, wer vielleicht zu alt oder gehandikapt für diese Form des Kämpfens ist. Und was würde diese Ansicht für all jene Menschen bedeuten, die chronisch krank oder mit einer Erbkrankheit auf die Welt gekommen sind? Ich finde, Krankheit als Schuld ist lange genug in der Menschheitsgeschichte eine vorherrschende, doch fatale Ansicht gewesen. Obwohl ethisch unhaltbar, versteckt sie sich noch heute in so manchem pseudomedizinischen Gedankengebäude.

So starr ist die Aussage von Herrn Spork allerdings nicht gemeint. Im Gegensatz zur WHO-Definition von Gesundheit, die »einen Zustand vollständigen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens« beschreibt und »nicht nur die Abwesenheit von Krankheit oder Gebrechen«, ist seine Auslegung weitaus realistischer. Wem geht es schon vollständig gut? In Zeiten der Pandemie wären wir dann wohl alle krank gewesen – auch ohne Corona-Infektion.

Doch wenn Gesundheit aktiv gestaltet werden kann, dann kann jeder und jede in jedem Zustand und jeder Lebenslange etwas tun. Ein wenig vielleicht nur, aber immerhin ganz unabhängig und selbstbestimmt. Und das bedeutet auch, dass wir Verantwortung haben und diese nicht vollständig in die Hände der Medizin abgeben dürfen. Klar, bei Notfällen oder lebensbedrohlichen Diagnosen wie Krebs oder einer schweren Corona-Infektion müssen wir uns darauf verlassen, dass die Medizin uns rettet, dass sie ihr absolut Bestes gibt. Meist funktioniert das, wie sich zuletzt in der Krise gezeigt hat; selbst dann, als die Intensivstationen bis weit über die Belastungsgrenze des Personals hinaus gefüllt waren. Die rasche Entwicklung von Impfstoffen ist ein weiteres Beispiel. Ich glaube, viele Menschen machen sich keine Vorstellung davon, was passiert wäre, wenn das Virus ohne diesen Schutz und den medizinischen Volleinsatz so vieler verschiedener Fachgruppen »durchgerauscht« wäre. Gut, dass wir die Medizin haben, auch wenn es immer genug zu verbessern gibt und die Krise viele Schwachstellen offengelegt hat.

Die Alternativmedizin gefällt dem inneren Schweinehund

In vielen anderen Situationen können wir allerdings selbstverantwortlich um unsere Gesundheit – und gegen unseren inneren Schweinehund – kämpfen. Ich habe in dieser Kolumne, in meinem Podcast und in meinen Büchern immer wieder Anregung und Anleitung dazu gegeben. Leider kürzen wir hier aber ganz gerne ab, weil dieser Kampf auch sehr anstrengend sein kann. Wir glauben lieber überzogenen, haltlosen Heilsversprechen, Hauruck-Influencer-Methoden und der guten alten Alternativmedizin, die unsere Gesundheit dann doch wieder aus unserer Verantwortung nehmen möchte. Insofern, ja, ist die Alternativmedizin mit ihren Heilsversprechen verführend und gefällt dem inneren Schweinehund gut – das macht einen Teil ihres Erfolgs aus. Man tut damit ja was. Aber eben nur zur Selbstberuhigung. Das sollte uns nicht genügen.

So schließt sich für mich mit der Epigenetik und auch der Systembiologie der Kreis. Wir selbst, unsere Umwelt und unsere Sozialisation hängen zusammen. Diese Form der Ganzheitlichkeit hat nichts Esoterisches und kann uns wirklich helfen, gesund zu werden und gesund zu bleiben. Und auch, wenn ich nun nicht mehr zweiwöchentlich hier darüber schreibe, bleibt Gesundheit ein Prozess, ein Kontinuum, und es gibt so viele Möglichkeiten, sich zu kümmern und zu informieren! Also: Bleibt gesund (im Sinne obiger Definition) und informiert!

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