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Star-Bugs - die kleine-Tiere-Kolumne: Baumeisterin mit Lust auf Grillen

Der Name des Stahlblauen Grillenjägers ist Programm. Doch die Grabwespe besticht nicht nur durch Jagdtrieb und Aussehen, sondern auch durch ihre Sammelleidenschaft.
Eine Grabwespe namens Stahlblauer Grillenjäger sitzt auf der rosafarbigen Blüte einer Minze. Der Körper des Insekts wirkt tatsächlich stahlblau
Ein Stahlblauer Grillenjäger sitzt auf der Blüte einer Minze und wartet vielleicht auf sein nächstes Opfer.
Insekten und andere Wirbellose finden sich überall um uns herum, doch bis auf Schmetterlinge, Bienen und wenige andere Gruppen genießen sie geringe bis keine Achtung oder gar Sympathien. Dabei ist die Welt der Sechsbeiner und Co. mehr als faszinierend. Ein genauerer Blick auf diese Welt der kleinen Tiere in unserer Natur lohnt also. Wir stellen regelmäßig besondere Stars aus diesem Universum vor.

Wer jetzt im Hochsommer aufmerksam ist, kann an Nisthilfen für Wildbienen und Co imposante Wespen beobachten: die Weibchen des Stahlblauen Grillenjägers (Isodontia mexicana). Sie fallen auf mit ihrem schlanken schwarzen Körper und den großen Augen, ihre dunklen Flügel schillern blau. Mit etwas Glück kann man sogar beobachten, wie die Jägerin Baumaterial und Beute heranträgt.

Im Prinzip geht der Stahlblaue Grillenjäger wie Wildbienen vor. Die Grabwespe nistet in hohlen Ästen und Schilfröhren, aber auch in Hohlräumen, die der Mensch gemacht hat. Darin legt sie mehrere Kammern an und benutzt trockene Grashalme, um sie auszupolstern. Ihr englischer Name ist deshalb treffender, aber nicht annähernd so dramatisch wie der deutsche: »grass carrying wasp«, also grastragende Wespe.

Wenn die Kammer bereit ist, geht die Wespe auf die Jagd. Während Wildbienen allesamt Vegetarier sind – sich also nur von Nektar und Pollen ernähren –, muss es für die Grabwespe Fleisch sein. Ihre Beute sind Weinhähnchen (Oecanthus pellucens), Langflüglige Schwertschrecken (Conocephalus fuscus) oder Eichenschrecken (Meconema sp.). Sie sticht und betäubt die Tiere, bevor sie diese zum Nest trägt. Es ist ein beeindruckendes Bild, wenn die schwarze Wespe mit einer grünen Heuschrecke durch die Luft fliegt.

Hat sie ein halbes Dutzend zusammen, legt sie ein Ei dazu, baut eine Zwischenwand aus Heu und beginnt mit der nächsten Kammer. Ist die Röhre voll, verstopft sie das Loch mit einem Büschel trockener Halme: ein unverwechselbarer Hinweis darauf, wer hier das Insektenhotel bezogen hat.

Stahlblauer Grillenjäger | Die Grabwespe ist nicht besonders groß, kann aber durchaus große Beute im Flug verschleppen.

Wie es das »mexicana« im lateinischen Namen des Stahlblaue Grillenjägers verrät: Das Insekt ist eine eingeschleppte Art. Es stammt ursprünglich aus Mittel- und Nordamerika. Schon Anfang der 1960er Jahre kam es nach Frankreich. Vermutlich haben es US-amerikanische Soldaten bei Materialtransporten mitgebracht. Im Lauf der Zeit hat sich die Wärme liebende Wespe in 16 europäische Länder ausgebreitet. Noch nördlicher sind Fundorte in Großbritannien. Dort haben Menschen sie im Lake District beobachtet, auf halber Strecke zwischen Newcastle und Liverpool.

Entwarnung für Wildbienen

Weil die Grillenjägerin ähnliche Nistgewohnheiten hat, fürchtete unter anderem Sarah von Adelmannsfelden, sie könnte viele Wildbienenarten verdrängen. Um das zu untersuchen, hat die Biologin von der Universität Hohenheim beim Schreiner Röhren mit unterschiedlichen Durchmessern in Holzstücke fräsen lassen und beobachtet, welche Größe die Wespe bevorzugt. »Tatsächlich hat sie signifikant häufiger Röhren mit sehr großem Durchmesser bezogen. Bei mir waren das elf Millimeter«, erzählt von Adelmannsfelden.

Damit spart das Insekt Zeit: Mindestens fünf Heuschrecken benötigt die Grillenjägerin als Proviant für ein einzelnes Ei. Die passen gerade so in eine Röhre von sieben Millimeter Durchmesser. Eine Röhre derselben Länge mit elf Millimeter Durchmesser nimmt hingegen 25 Beutetiere auf – genug für bis zu fünf Eier. Wenn sie größere Röhren benutzt, brauche die Wespe also weniger häufig nach neuen Nistplätzen zu suchen, sagt der Insektenforscher Felix Fornoff von der Universität Freiburg, der an der Studie beteiligt war.

Röhren mit Durchmesser von acht Millimeter und mehr beziehen auch die Gehörnten Mauerbienen (Osmia bicornis) und die Rostrote Mauerbiene (Osmia cornuta) gerne. »Allerdings finden diese beiden Wildbienenarten so viele Nistmöglichkeiten, dass sie die Konkurrenz durch die Grillenjägerin leicht verkraften«, sagt Fornoff.

Auch für andere heimische Wildbienen gibt Sarah von Adelmannsfelden vorläufig Entwarnung: »Die bevorzugen kleinere Löcher.« Diese Wildbienen haben allerdings Probleme, überhaupt genügend enge Röhren finden. Aber das liegt weniger an den Grillenjägern als an der Einheitsware aus dem Baumarkt: »Viele billige Wildbienenhotels bieten nur fingerdicke Löcher an. Da kann man ganz bestimmt den Grillenjäger drin finden, aber leider wenig Wildbienen.«

Kammern des Schreckens? | In den Brutröhren lagern die Weibchen der Grabwespe ihre Beute aus Heuschrecken ein und legen darauf ihre Eier ab. Jede Brutröhre kann mehrere dieser Kammern umfassen.

Mit der Größe ihrer Beute hat die Wahl der Niströhre aber offenbar nichts zu tun. Zwar begnügt sich die Wespe mit weniger Exemplaren pro Kammer, wenn sie größere Heuschrecken fängt. Aber die packt sie eben auch in kleinere Löcher, wenn die größeren bereits belegt sind.

Konkurrenz aus Asien

»Dadurch, dass sie in Europa nur punktuell und langsam eingeführt worden ist, konnte sie sich hier ihre eigene Nische suchen«, sagt Sarah von Adelmannsfelden. Seit 2008 wächst allerdings die Konkurrenz – durch einen weiteren Neuankömmling: Seitdem breitet sich die Asiatische Mörtelbiene (Megachile sculpturalis) aus. In Deutschland gibt es Funde aus dem Süden und Südwesten. Diese Mörtelbiene ist ungefähr so lang wie der Grillenjäger – um die zwei Zentimeter – und benutzt ebenfalls gerne Röhren mit elf Millimeter Durchmesser. »Es bleibt abzuwarten, ob sich der Stahlblaue Grillenjäger noch einmal neu anpassen muss«, sagt von Adelmannsfelden.

Die Grabwespe hat jedenfalls bereits gezeigt, dass sie sich zu wehren weiß. Sarah von Adelmannsfelden sprüht vor Begeisterung: »Die ist so clever!« Um sich vor so genannten Parasitoiden zu schützen, die an der Brut schmarotzen, legen die Grillenjägerweibchen Scheinnester an, die genauso gebaut sind wie die echten, allerdings leer bleiben. Je länger die Parasitoiden sich in falschen Nestern aufhalten, desto weniger Schaden können sie die echten Brutkammern anrichten.

Die Verteidigung ist tatsächlich nötig, denn auch heimische Parasiten haben den Grillenjäger entdeckt: Der Gemeine Bienenwolf (Trichodes apiarius), ein lang gezogener schwarzer Käfer mit drei breiten roten Streifen auf dem Rücken, frisst die Larven der Grillenjäger genauso gerne wie anderer Hautflügler. Und auch die Erzwespe Melittobia acasta – sie ist mit weniger als einem Millimeter so klein und besitzt gar keinen deutschen Namen – hat die Einwanderin für ihre Larven entdeckt. Das kleine Insekt lässt sich von dem lockeren Stopfen aus Heu nicht aufhalten, krabbelt in die Nistkammern, betäubt die Grillenjägerlarve und legt hunderte klebriger Eier darauf ab. Nach zwei bis vier Wochen schlüpfen die neuen Erzwespen und verpaaren sich untereinander. Manche arbeiten sich zu den nächsten Brutkammern vor. Andere fliegen aus und suchen anderswo nach Larven.

Und was ist mit den Heuschrecken und Grillen? Dazu gibt es noch viele offene Fragen. Und wie wirkt sich ihre Anwesenheit auf heimische Heuschreckenfresser aus? Das treibt einige Insektenkundler um. Weil die Stahlblaue Grillenjägerin aber keine wirtschaftlichen Schäden anrichtet, wird für ihre Erforschung leider kaum Geld aufgewendet.

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