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Hemmer und Meßner erzählen: Kleine Geschichte eines langen Kabels quer über einen Ozean

Nachrichten durch Kupferkabel zu verschicken, war um 1860 schon Routine. Die Kabel selbst zu verlegen, war aber teilweise ganz schön haarig, berichten unsere Kolumnisten.
Ansicht des Kabelschiffs Great Eastern beim Verlegen des Transatlantikkabels.

Im Jahr 1844 wird mit »What hath God wrought« die erste Nachricht über einen kommerziellen Fernschreiber, also einen Telegrafen, übermittelt. Nicht zuletzt auf Grund der immer weiter verbreiteten Eisenbahn ist die einfache Post bald zu langsam. Die Kommunikation mittels elektrischer Impulse hilft dabei, eine immer schneller werdende Welt nun mit den entsprechend schnellen Nachrichten auszustatten.

Allerdings stößt auch diese Technologie bald an ihre Grenzen, und zwar jene des Atlantischen Ozeans. Man kann Kabel zwar durch Wasser verlegen – seit dem Jahr 1850 quert ein solches den Ärmelkanal und verbindet London und Paris –, aber ein Ozean ist natürlich eine ganz andere Sache.

Die beiden Historiker Richard Hemmer und Daniel Meßner bringen jede Woche »Geschichten aus der Geschichte« in ihrem gleichnamigen Podcast. Auch auf »Spektrum.de« blicken sie mit ihrer Kolumne in die Vergangenheit und erhellen, warum die Dinge heute so sind, wie sie sind.
Alle bisherigen Artikel der Kolumne »Hemmer und Meßner erzählen« gibt es hier.

Versuche, ein Kabel über größere Gewässer Nordamerikas zu legen, hat es in den Jahren zuvor schon gegeben. Ein Kabel durch die in Kanada gelegene Cabotstraße laufen zu lassen, endete mit einem Misserfolg.

Kanada zuerst, dann die Kontinente

Erfolgreicher, zumindest für kurze Zeit, ist ein Telegrafeningenieur namens Frederick Newton Gisborne, der schließlich das erste Unterwasserkabel Nordamerikas verlegt. Das Kabel durch die Northumberland Strait ist zwar nur neun Meilen lang, aber es zeigt: Das nötige Knowhow existiert. Bevor Gisborne aber davon profitieren kann, geht sein eigens für dieses Unterfangen gegründete Unternehmen pleite, er wird auf Grund angehäufter Schulden sogar für kurze Zeit inhaftiert.

Doch kurz darauf macht er Bekanntschaft mit C. W. Field. Dessen Weitblick und Durchhaltevermögen sollten noch wegweisend für die weiteren Geschicke der transatlantischen Kommunikation sein. Wie er gegen alle Widerstände und Rückschläge die Verbindung zwischen den Kontinenten realisierte, hat der Autor John Steele Gordon in seinem Buch »A Thread Across the Ocean« aufgearbeitet.

Der im Jahr 1819 als achtes von zehn Kindern geborene Field – mit vollem Namen Cyrus West Field – hatte zu jener Zeit sein Vermögen schon mit einer Papiermanufaktur gemacht. Eigentlich hätte er sich im Jahr 1853, ein Jahr bevor er die Bekanntschaft mit Gisborne machte, bereits gemütlich zur Ruhe setzen können.

Doch die Idee Gisbornes, nämlich ein Kabel durch den Atlantik zu legen, hatte ihn gepackt. Selbst hatte er von der Materie wenig Ahnung, aber wandte sich an zwei Männer, von denen er sich das benötigte Wissen erhoffte. Der eine war F. B. Morse, der Telegrafiepionier, der selbst schon Pläne gehegt hatte, ein Unterwasserkabel zu verlegen. Der andere war Lieutenant Matthew Fontaine Maury, Mitglied der U.S. Navy, der nach einem schweren Unfall im Rollstuhl saß und fortan das United States Naval Observatory in Washington leitete.

Spätestens seit seinem Buch »The Physical Geography of the Sea« gilt Maury als ausgewiesener Experte für Ozeanografie. Und bereits im Jahr 1853 hatte Maury mit einem Forschungsschiff der Navy den Ozeanboden zwischen Neufundland und Irland untersucht. Dabei war er zu dem Schluss gekommen, dass ein dort vorgefundenes Plateau eine ideale Basis für ein Transatlantikkabel wäre.

Field, der zwar reich ist, aber nicht reich genug, um das gesamte Unterfangen selbst zu finanzieren, übernimmt mit Hilfe diverser Investoren Gisbornes alte Firma – mitsamt ihrer Schulden – und gründet die Newfoundland and London Telegraph Company. Ausgestattet mit einem Budget von 1,5 Millionen Dollar beginnen jetzt die Arbeiten. Zuerst soll ein Kabel durch die Cabotstraße gezogen werden, um es schließlich ans existierende Telegrafennetz in Nova Scotia anzuschließen.

Eigentlich war Field davon ausgegangen, dass dieses Projekt im Vergleich zur Verlegung des Transatlantikkabels leicht zu bewerkstelligen sei. Tatsächlich sorgen widrige Wetterumstände und schwer zugängliches Gelände dafür, dass nach erfolgreicher Verlegung des Kabels durch die Cabotstraße beinahe das gesamte Budget des Unternehmens aufgefressen ist. Neue Investoren müssen aufgetrieben werden, was einhergeht mit der Gründung eines neuen Unternehmens: der Atlantic Telegraph Company.

Field reist nach England, stellt das Projekt vor, stößt auf viel Aufmerksamkeit, aber auch Skepsis. Schließlich schafft er es trotzdem, die stolze Summe von 350 000 Pfund einzunehmen – ein Betrag der heute ungefähr 48 Millionen Pfund entspricht.

Im Jahr 1857 beginnt der erste Versuch, das Kabel zu verlegen. Die britische und US-Regierung unterstützen ihn, vor allem in Form der beiden Schiffe HMS Agamemnon und USS Niagara, die zu Kabellegeschiffen umgebaut wurden.

Das erste Kabel wird verlegt

Es bleibt allerdings bei einem Versuch. Das aus drei dicken Kupferkabeln, isoliert mit Guttapercha, mit geteertem Hanftau umwickelte Kabel wird am 5. August in der Nähe der im Südwesten Irlands gelegenen Burg Ballycarbery zu Wasser gelassen.

Bereits am ersten Tag der Verlegung bricht das Kabel. Es wird zwar repariert, aber nach 400 Meilen passiert es erneut, das Kabelende sinkt dabei auf den zwei Meilen darunter liegenden Grund. Es wird beschlossen, die Sache erst mal ruhen zu lassen, das Kabel im Wert von 36 000 Pfund geht verloren.

Im Jahr darauf, nach monatelangem Tüfteln, wie das Kabel besser und sicherer ausgefiert werden kann, wird ein zweiter Versuch gestartet. Diesmal allerdings mit einer etwas anderen Taktik: Die beiden Schiffe treffen sich auf halbem Weg zwischen Nordamerika und Irland, beide verlegen jetzt das Kabel in Richtung ihrer jeweiligen Länder. Tatsächlich bricht das Kabel auch im Zuge dieses Versuchs, kann aber geborgen werden. Am 5. August erreichen beide Schiffe ihre Ziele, samt verlegtem Kabel.

Schon am 10. August 1858 werden von Neufundland aus die ersten Testnachrichten versandt. Am 12. August kommt auch tatsächlich die erste Nachricht auf der anderen Seite des Atlantiks in Valentia Island, Irland, an.

»Directors of Atlantic Telegraph Company, Great Britain, to Directors in America: – Europe and America are united by telegraph. Glory to God in the highest; on earth peace, good will towards men.«

Die Antwort kommt von Queen Victoria selbst. Darin gratuliert sie dem damaligen US-Präsidenten James Buchanan zu seinem Erfolg.

Das Kabel ist ein Desaster

Doch die Freude währt nicht lang. Wie sich herausstellt, ist die Übertragungsrate des Kabels einfach zu niedrig. So dauert die vollständige Übertragung der aus 98 Worten bestehenden Antwort der Queen über 16 Stunden.

Diverse Versuche, eine höhere Übertragungsrate zu erreichen, schlagen nicht nur fehl, sondern münden in einer Katastrophe. Edward Whitehouse, Präsident der Atlantic Telegraph Company, beschließt, mehr Volt durch das Kabel zu jagen. Das Resultat: Die Isolierung schmilzt teilweise, schließlich bricht das Kabel.

Der Traum des Transatlantikabels scheint nun vollständig geplatzt. Field muss sich viel Häme gefallen lassen, er wird sogar des Betrugs beschuldigt. Durch den Ausbruch des US-Bürgerkriegs in den 1860er Jahren werden auch erstmals keine weiteren Versuche gestartet, ein weiteres Kabel zu verlegen.

Ein weiteres Kabel rettet den Traum

Doch im Jahr 1865, jetzt mit Unterstützung des Physikers William Thomson, Lord Kelvin – heute bekannt als Namensgeber der Temperatureinheit Kelvin – wird mit neuen Auslieferungsmethoden und vor allem einem neuen, verbesserten Kabel ein neuer Versuch gestartet. Durchgeführt wird die Verlegung von der »Great Eastern«, zu jener Zeit ein wahres Wunderwerk der Technik.

Zwar bricht das Kabel bei der ersten Verlegung ungefähr 600 Meilen (etwa 966 Kilometer) vor der Küste von Neufundland, aber auch diesmal lässt sich Field nicht beirren. Am 13. Juli 1866 bricht das Schiff erneut von England aus mit einem neuen Kabel auf. Diesmal verläuft die Verlegung nicht nur unspektakulär, sondern auch erfolgreich.

Am 29. Juli 1866 schreibt Field ein Telegramm an die Associated Press in New York, berichtet von der erfolgreichen Verlegung dieses zweiten Kabels und einige Tage später schon wird es an das existierende Telegrafennetz der USA angeschlossen.

Konkurrenz belebt das Geschäft

Anfangs ist die Verwendung des Kabels noch sehr teuer – es wird ein Dollar pro 15 Wörter verlangt. Allerdings wird schon im Jahr 1869 ein Kabel einer französischen Firma zwischen Frankreich und Massachusetts verlegt. Danach fallen die Preise, die Verwendung wird bald massentauglich.

C. W. Field wird durch das Kabel noch viel reicher als zuvor. So soll sich sein Vermögen im Jahr 1880 bereits auf 6 Millionen Dollar belaufen haben – heutzutage wären das 148 Millionen Dollar. Der Reichtum wird aber nicht bleiben: Im Jahr 1887 verliert er an der Wall Street sein gesamtes Vermögen. Als er im Jahr 1892 stirbt, ist er mittellos.

Sein Vermächtnis in Form der schnellen Kommunikation zwischen den Kontinenten wird aber bleiben. Und obwohl diese Verbindung heute über weit modernere Kabel läuft, wurde das im Jahr 1866 gelegte Kabel noch bis in die 1960er Jahre verwendet.

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