Hemmer und Meßner erzählen: Kleine Geschichte des Diamantenfiebers
Der Valentinstag naht, Liebe liegt in der Luft! Und wie zeigt man die besser als mit Diamanten? Denn: Diamonds are forever, sagt der Volksmund – spätestens seit dem James-Bond-Streifen »Diamantenfieber« von 1972. Dabei ist es mit der Ewigkeit gar nicht so weit her: Ihren Nimbus als Nonplusultra des gehobenen Schmuckgeschmacks tragen die Steine erst seit wenigen Jahrzehnten.
Es ist das Ergebnis einer der erfolgreichsten Marketinggeschichten des 20. Jahrhunderts. Denn eigentlich sind Diamanten keine gute Wertanlage. Es gibt zu viele davon, und beim Wiederverkauf bringen sie oft weniger als die Hälfte des Originalpreises ein. Doch als die Filmstars der 1950er und 1960er Jahre begannen, mit legendärem Glitzerklunker um die Wette zu strahlen, saßen die zunehmend kaufkräftigen amerikanischen Bürgerinnen und Bürger geblendet in den Kinosesseln und träumten davon, es ihnen gleichzutun.
Ungefähr bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts lag der Wert der Diamanten vor allem in ihrer Seltenheit. Hier und da kamen sie in Flussbetten Indiens oder Brasiliens zum Vorschein. 1870 änderte sich das schlagartig, als die Kolonialmächte riesige Diamantenvorkommen in Südafrika entdeckten. Plötzlich wurden Diamanten tonnenweise ausgehoben.
Diese hohe Verfügbarkeit bedeutete jedoch einen Wertverlust. Den abzufedern war einer der Gründe, weshalb sich die britischen Investoren des Minenprojekts 1888 zu De Beers Consolidated Mines zusammenschlossen. Gemeinsam operierten sie seitdem unter verschiedensten Namen wie Diamond Trading Company (Großbritannien), Central Selling Organization (CSO; Europa) und Diamond Development Corporation (Afrika mit Ausnahme von Südafrika). Außerdem unterhielten sie Handelsgesellschaften in England, Portugal, Israel, Belgien, Holland und der Schweiz. Die Preise hielten sich lange stabil. Das lag, so schilderte es der US-amerikanische Politikwissenschaftler und Buchautor Edward Jay Epstein in seinem 1980 erschienenen »The Rise and Fall of Diamonds«, nicht zuletzt daran, dass De Beers Angebot und Nachfrage gleichermaßen zu beeinflussen suchte.
Aus Diamanten Gold machen
Diamanten, so sollte vermittelt werden, waren ein Must-have: etwas, mit dem sich Menschen aneinander binden konnten. Zum Beispiel in Form von Verlobungsringen oder Erbstücken mit sentimentalem Wert. Um das zu erreichen, engagierte De Beers 1938 in New York City den Mann, der für die diamantene Erfolgsgeschichte maßgeblich verantwortlich zeichnet: Gerold M. Lauck, Präsident von N. W. Ayer & Son, einer der damals größten Werbeagenturen der USA.
Er trat damit einen schwierigen Job an: Die Great Depression war in den 1930er Jahren in den USA noch spürbar, auch Europäer taten sich in der Zwischenkriegszeit schwer mit Luxusgütern. Die Agentur machte eine Untersuchung und fand heraus, dass das Gesamtgewicht an Diamanten und deren Karatzahlen seit dem Ersten Weltkrieg rapide zurückgegangen war. Was tun? Lauck und sein Team setzten da an, wo es Werbung immer tut: Sie weckten Begehrlichkeiten und verankerten im Kopf der Kinogänger eine besondere Verbindung zwischen Diamanten und Romantik.
Promi-Schützenhilfe
Die Marketingstrategie war ebenso langfristig angelegt, wie sie erfolgreich war. Im Grunde wirkt sie bis heute nach. Prominente Unterstützung leistete beispielsweise die Royal Family, aber auch Filmstars sollten den Konsumenten mit ihrer Strahlkraft beeinflussen. Wo es ging, bemühte sich die Agentur darum, dass sie Diamanten trugen und nicht etwa andere Juwelen. N. W. Ayer & Son bezahlte dafür unter anderem eine Presseagentin der Filmindustrie mit guten Verbindungen zur Klatschpresse. Szenen mit prominent gezeigten Diamantgeschmeiden wurden eigens in die Drehbücher geschrieben, detaillierte Beschreibungen von Diamanten, die Hollywoodpersönlichkeiten bei Fototerminen trugen, wurden, mundgerecht aufbereitet, an 125 namhafte Zeitungen geschickt. Wichtige Modedesigner wurden bezahlt, um im Radio über Diamanten zu sprechen, und das Publikum wurde mit glamourösen Werbeeinschaltungen überflutet, die mitunter auch moderne Strömungen in der Kunst zitierten. Die Botschaft: Diamanten sind einzigartige Kunstwerke! Der Erfolg blieb nicht aus: 1941, kurz bevor die USA in den Krieg eintraten, war der Verkauf um 50 Prozent gestiegen.
»A diamond is forever«
Im Jahr 1952 erfand Laucks Mitarbeiterin Frances Gerety den berühmten Slogan, der implizit eine Aufforderung enthielt. Niemand sollte auf die Idee kommen, Diamanten wieder zu verkaufen. Ende der 1950er Jahre war die herangewachsene Generation bereits der Meinung, dass Diamanten bei einer Verlobung unabkömmlich seien. Größe und Raffinesse im Schnitt der Steine drückten direkt das Ausmaß der Liebe aus. »Diamonds are a girl's best friend«?
Marilyn Monroe brachte es im berühmten gleichnamigen Song von Jule Styne and Leo Robin weniger romantisch auf den Punkt: »Men grow cold / As girls grow old / And we all lose our charms in the end / But square-cut or pear-shaped / These rocks don't lose their shape / Diamonds are a girl's best friend.« Wenn Männer kalt und Mädchen alt würden, behalte wenigstens eines seinen Reiz: der Diamant. Der Song verkündet mit zynisch wirkender Klarheit, was die ausgeklügelte Marketingkampagne über Jahrzehnte in den Köpfen des US-amerikanischen Publikums verankert hatte.
Hochkarätige neue Absatzmärkte
Der Markt in den USA war bald mit Diamanten gesättigt, und De Beers schürfte mehr, als verkauft werden konnten. Neue Zielmärkte wie Deutschland, Brasilien und Japan wurden sukzessive nach bewährtem Rezept mit Hilfe heimischer Agenturen erschlossen. Sehnsucht nach westlichem Lifestyle und Luxus wurde dabei erfolgreich geweckt: Innerhalb von zehn Jahren stieg in Japan die Zahl der Frauen, die diamantene Verlobungsringe erhielten, von 5 Prozent auf 77 Prozent. Das macht Japan – bis zum heutigen Tag! – zum größten Markt neben den USA. China ist auch hier auf dem Vormarsch: War diese Tradition in den 1990er Jahren noch eher unbekannt, zieren Diamanten nun bereits knapp ein Drittel aller Verlobten.
Ihr kolonialistisches Erbe belastet die Diamantenwirtschaft auch heute noch. Begriffe wie »Blutdiamanten« oder »Konfliktdiamanten« weisen auf die außerordentlich problematischen Umstände hin, unter denen viele Diamanten gewonnen und gehandelt werden. Staaten, die zuvor unter dem Raubbau des Kolonialismus gelitten haben, sind heute oftmals Kriegs- und Krisengebiete. Angola, die Elfenbeinküste oder Simbabwe erleben blutige politische Konflikte, die mit Diamantengeld befeuert werden und die Stabilität gefährden. Das Kimberley Process Certification Scheme (KPCS) bietet seit 2003 eine Art Zertifizierung, die solche Diamanten zu identifizieren und deren Verkauf einzudämmen versucht, ist aber vor allem wegen der zu Grunde liegenden Definition von Konfliktdiamanten nicht gänzlich unumstritten.
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