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Hemmer und Meßner erzählen: Kleine Geschichte vom Raub der Mona Lisa

Im August 1911 war die berühmte Mona Lisa urplötzlich aus dem Louvre verschwunden. Doch der Diebstahl sollte das Bild nur noch berühmter machen, wie unsere Kolumnisten berichten.
Gemälde von Louis Bérard: die Mona Lisa im Jahr 1911 in ihrer Museumsumgebung.
So hing sie einst: Louis Béroud malte die Mona Lisa im Jahr 1911 in ihrer Museumsumgebung.
Die beiden Historiker Richard Hemmer und Daniel Meßner bringen jede Woche »Geschichten aus der Geschichte« in ihrem gleichnamigen Podcast. Auch auf »Spektrum.de« blicken sie mit ihrer Kolumne in die Vergangenheit und erhellen, warum die Dinge heute so sind, wie sie sind.
Alle bisherigen Artikel der Kolumne »Hemmer und Meßner erzählen« gibt es hier.

Im Louvre herrschte ein gewaltiger Andrang. Das Pariser Museum war Ende August 1911 nach einwöchiger Schließung wieder geöffnet worden, und sofort strömte das Publikum aufgeregt in den Salon Carré. An jenen Ort, an dem die Mona Lisa, das berühmte Porträt von Leonardo da Vinci, noch bis vor Kurzem gehangen hatte.

Zufällig verschlug es damals Franz Kafka (1883–1924) auf einer Urlaubsreise in den Louvre. In seinem Tagebuch notierte er: »Gedränge im Salon Carré, erregte Stimmung, gruppenweises Stehn, wie wenn die Mona Lisa gerade gestohlen worden wäre.« Und tatsächlich: Die Mona Lisa war weg. Nur vier Nägel an der Wand deuteten darauf hin, dass an der Stelle jüngst ein Bild gehangen hatte. Seit dem 21. August 1911 war La Gioconda, die Heitere oder Fröhliche, wie das Porträt auch genannt wird, spurlos verschwunden.

Der 21. August war ein Montag, Ruhetag im Louvre. Als das Museum am Dienstag wieder öffnete, gingen die Mitarbeiter davon aus, das Gemälde sei gerade beim Fotografen. Bis der Maler Louis Béroud genauer nachfragte – er wollte die Mona Lisa für ein eigenes Werk in ihrer Museumsumgebung malen. Nach einigen Stunden stellte sich heraus: Das Bild ist nicht beim Fotografen. Es ist weg! Die Aufregung war groß, die Polizei wurde gerufen, das Museum geschlossen und das ganze Gebäude nach der Mona Lisa durchsucht.

Keine heiße Spur außer einem Fingerabdruck

Schließlich fand man Glas und Rahmen unter einer Stiege im Treppenhaus für das Personal. Offenbar hatte jemand das Bild sorgfältig und mit Sachverstand aus dem Rahmen gelöst. Auf der Innenseite des Glases sicherte die Polizei einen Fingerabdruck. Mehr Hinweise auf den Täter gab es nicht.

Das italienische Universalgenie Leonardo da Vinci (1452–1519) hat das Porträt vermutlich in den Jahren 1503 bis 1506 gemalt. Mit einer Größe von 77 auf 53 Zentimetern ist es relativ klein, was den Diebstahl wohl leicht machte. Die anderen Bilder im Salon Carré waren deutlich größer und schwerer zu transportieren.

Leere Stelle | An der Stelle, an der zuvor die Mona Lisa hing, steckten nur mehr vier Nägel in der Wand. Das berühmte Gemälde von Leonardo da Vinci war 1911 gestohlen worden.

Da Vinci hatte das Porträt 1516 aus Italien nach Frankreich mitgebracht, wo er auf Einladung von König Franz I. seinen Alterssitz einrichtete. Der französische Herrscher kaufte ihm das Gemälde ab. Es hing anschließend in der königlichen Sammlung in Fontainebleau, zog dann um nach Versailles und landete nach der Französischen Revolution im Louvre.

Wer war »Frau Lisa«?

Danach gelangte die Mona Lisa überhaupt erst ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Kunstwerk berühmt als großes Meisterwerk der Renaissancemalerei. Obgleich das Bild heute nicht mehr so aussieht, wie es da Vinci gemalt hatte, da sich die Farben inzwischen verändert haben oder verblasst sind. Mona Lisas Augenbrauen und Wimpern sind beispielsweise nicht mehr zu erkennen.

Bis heute gibt das Gemälde jedoch einige Rätsel auf. Allen voran steht die Frage: Wer lächelt da überhaupt? Vielleicht eine Lisa Gherardini? Unter diesem Namen ist das Bild zumindest im Katalog des Louvre verzeichnet. Gherardini war die Frau des Tuch- und Seidenhändlers Francesco del Giocondo. Hatte er das Bild in Auftrag gegeben? Wenn ja, dann hat da Vinci das Bild nie ausgeliefert. Jedenfalls ist sein Werk auf Grund des mutmaßlichen Auftraggebers auch als La Gioconda bekannt. Der italienische Architekt und Hofmaler der Medici, Giorgio Vasari, nannte es um 1550, »Monna Lisa« – als Kurzform für Madonna. »Monna« bedeutet aber auch »Frau«. Das zweite »n« ging der »Frau Lisa« aber irgendwann verloren.

Dass da Vinci tatsächlich die Kaufmannsgattin del Giocondo abbildete, bestätigte inzwischen ein Fund in der Universitätsbibliothek Heidelberg. In einem Buch hatte ein florentinischer Kanzleibeamter 1503 ein paar Worte notiert – unter anderem, dass Leonardo momentan an einem Porträt der Lisa del Giocondo arbeite.

Zwei Jahre lang lag da Vincis Gemälde unter einem Bett

Vier Jahrhunderte später war die Mona Lisa weltberühmt, und ihr Verschwinden 1911 sorgte nicht nur international für großes Aufsehen. Umgehend tauchte sie 100-fach in Paris wieder auf: auf Postkarten, in Zeitungsberichten oder als Karikaturen. Nur die echte Mona Lisa blieb verschwunden. Obwohl sie gar nicht weit weg war. Sie verbrachte die nächsten beiden Jahre unter einem Bett in der Rue de l'Hôpital Saint-Louis in Paris.

Wie kam das Bild dorthin? Vincenzo Peruggia (1881–1925), der 1911 als Anstreicher und Glaser für den Louvre arbeitete, hatte in einem weißen Kittel gekleidet an diesem Ruhetag im August das Museum betreten. Über das Treppenhaus für Mitarbeiter war er in den ersten Stock gelangt, hatte im Salon Carré das Bild von der Wand genommen, ohne es zu beschädigen, es aus dem Rahmen gelöst und über einen Nebeneingang das Gebäude wieder verlassen.

Polizeifoto von Vincenzo Peruggia | Der im Louvre tätige Handwerker nutzte die Gelegenheit, um am 21. August 1911 die Mona Lisa zu entwenden. Zwei Jahre später bot er sie zum Kauf an und flog auf. In seiner Heimat Italien wurde Peruggia als Held gefeiert.

Niemand schöpfte Verdacht, obwohl Peruggia wie alle Mitarbeitenden von der Polizei überprüft wurde. Es wurde jedoch verabsäumt, seine Fingerabdrücke abzugleichen. Peruggia hielt erst einmal die Füße still, und im Louvre schwand die Hoffnung, das Original jemals wiederzusehen. Bald wurde ein anderes Bild an seine Stelle gehängt, und 1913 listete es der Louvre auch nicht mehr in seinem Katalog.

Ruhmvolle Rückkehr als Ikone

Dann, im November 1913, erhielt der florentinische Kunsthändler Alfredo Geri einen Brief. Ein gewisser Vincenzo Leonardo bot die Mona Lisa zum Verkauf an – für 500 000 Lire. Geri wurde neugierig, auch weil er davon ausging, dass ihm jemand eine Fälschung andrehen wollte. Er zog Giovanni Poggi, den Leiter der Uffizien in Florenz, hinzu und arrangierte ein Treffen mit dem Unbekannten. Anfang Dezember 1913 trafen sich die drei in einem Hotelzimmer in Florenz.

Peruggia packte die Mona Lisa aus dem doppelten Boden seines Koffers, und seine beiden Gäste waren höchst erstaunt. Beide waren sich umgehend sicher, dass es sich um das Original handeln musste. Sie erkannten auf der Rückseite des Bildes die Zahl 316, die Inventarnummer des Louvre. Danach ging alles recht schnell: Geri und Poggi gaben vor, Geld zu besorgen, riefen aber stattdessen die Polizei. Peruggia wurde festgenommen und die Mona Lisa beschlagnahmt.

Es folgte eine kleine Rundreise durch Italien, bis die Mona Lisa Ende Dezember 1913 wieder in den Louvre zurückkehrte. Peruggia wurde vor Gericht gestellt, erhielt aber ein mildes Urteil – nach sieben Monaten war er wieder auf freiem Fuß. Es blieb einzig die Frage, ob er tatsächlich allein gehandelt hatte. Theorien über mögliche Hintermänner sind zahlreich, allerdings gibt es bislang keine konkreten Hinweise auf einen Auftraggeber.

Am Ende machte der Diebstahl aus der bereits berühmten Mona Lisa eine Ikone: Das Porträt ist heute nicht nur die Hauptattraktion des Louvre, sondern das bekannteste Kunstwerk der Welt.

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