Archäologie: Herodes der Siedler
Zwar garantiert das Israelisch-Palästinensische Interimsabkommen – besser bekannt als Oslo II – von 1995 Israel bis zum Abschluss eines endgültigen Friedensvertrags die Hoheit und Aufsicht über antike Stätten im Westjordanland. Doch ist es der israelischen Seite ausdrücklich untersagt, antike Kunstschätze von den Fundstätten in den besetzten Gebieten zu entfernen. Für die aktuelle Ausstellung aber bedienten sich ihre Macher nicht nur am Herodion, sondern etwa auch im ebenfalls palästinensischen Jericho.
Im Grunde verstieß bereits die Ausgrabung am Herodion gegen internationale Konventionen, die in besetzten Gebieten lediglich Notgrabungen zulassen. Von einer solchen kann aber in diesem Fall kaum die Rede sein, schließlich arbeitete der Archäologe Ehud Netzer von 1972 bis zu seinem Tod im Herbst 2010 an dieser Stätte.
Die Ausstellungsmacher irritiert dies ebenso wenig wie die meisten Archäologen in Israel. Proteste palästinensischer Altertumsforscher verhallen ungehört oder werden weggewischt. Da mag Rula Ma’ayah, der palästinensische Minister für Tourismus und Antiken, klagen, die Aktivitäten israelischer Archäologen im Westjordanland seien illegal. Museumsdirektor Snyder meint dennoch, ihm seien keinerlei Diskussionen mit palästinensischen Archäologen über die Schau bekannt. Zudem werde man irgendwann die Fundstücke wieder zum Herodion zurückbringen, vorausgesetzt, die Einrichtungen für eine angemessene Aufbewahrung der Kunstschätze sei zu diesem Zeitpunkt geschaffen.
Zugegeben: Palästinenser und Israelis haben weit schlimmere Hürden zu bewältigen und Probleme zu lösen, wollen sie in Zukunft friedlich in zwei Staaten Seite an Seite leben. Und dennoch birgt der Ärger mit Herodes einigen kulturellen Sprengstoff in sich. Als beispielsweise im April letzten Jahres am Herodion das Modell einer zu jener Zeit noch geplanten Rekonstruktion des Herodesgrabmals präsentiert wurde, konstatierte der damalige Umweltschutzminister Gilad Erdan ergriffen: "Von all seinen prunkvollen Provinzen wählte Herodes keinen anderen für seine Bestattung aus als Gush Etzion!" Damit verwies er auf eine Gruppe israelischer Siedlungen dieses Namens in der Nachbarschaft der Ausgrabungsstätte. Der Minister steht mit seiner Einschätzung vom Westjordanland als einem quasi gottgegebenen, natürlichen Teil Israels freilich nicht alleine da. Auch Premierminister Benjamin Netanjahu nannte Judäa und Samaria, wie das Westjordanland in Israel genannt wird, "die Orte, in denen sich bereits unsere Vorfahren Abraham, Isaak und Jakob aufhielten, sowie David, Salomo und Jeremia. Sie stellen kein fremdes Land dar, sondern das Land unserer Vorfahren."
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass nun ausgerechnet König Herodes zum historischen Maskottchen der jüdischen Siedlerbewegung hochgejubelt wird. Schließlich war der Mann über Jahrhunderte verhasst – den Christen als Kindermörder, den Juden als Marionettenkönig von römischen Gnaden. Zumal besonders orthodoxe Juden dem Sohn eines Idumäers und einer Araberin sowieso die Zugehörigkeit zum Volk Israel absprachen.
Israelische Archäologen wie Ausstellungsmacher halten sich nur scheinbar aus solchen Fragen heraus. David Mevorah, Kurator der Herodes-Schau, wurde in den letzten Wochen während zahlreicher Interviews nicht müde, seinen Standpunkt immer wieder zu vertreten und dabei nichts zu sagen: "Unser Thema ist nicht die Politik." So einfach ist es freilich nicht. Den israelischen Forschern hätte es frei gestanden und steht es noch heute frei, palästinensische Kollegen zur Zusammenarbeit einzuladen. Die Verantwortlichen des Israel-Museums hätten durchaus auch palästinensische Behörden und Wissenschaftler in die Planung und Realisierung der Ausstellung einbeziehen können. Sie hätten ein Zeichen setzen können. Aber sie zogen und ziehen es vor, als Besatzer zu agieren. Das ist unendlich schade.
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