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Hirschhausens Hirnschmalz: Früh lügt sich

Eckart von Hirschhausen

Wann haben Sie in Ihrem Leben am meisten gelogen? Jetzt mal ehrlich! So schwer ich es fände, das für mich zu beantworten, so selten sind Studien, die sys­tematisch nach der Wahrheit über das Lügen suchen.

Die logischen Widersprüche kannten schon die antiken Philosophen. Wenn ein Kreter sagt, alle Kreter lügen – was stimmt dann? Im Geschlechterkampf haben sich eher praktische Erkenntnismethoden durchgesetzt. Woran erkennt man, dass ein Mann lügt? Antwort: Er bewegt die Lippen. Diesen Witz gibt es schon länger, als der aktuelle US-Präsident im Amt ist.

Was man bei Trump wirklich nicht vermutet: Lügen ist ein Zeichen von Intelligenz. Zumindest bei Kindern. Denn es setzt voraus, dass man eine Vorstellung davon hat, dass ein anderer nicht das Gleiche weiß wie man selbst. Das klassische Experiment dazu: Ein Kind sitzt auf einem Stuhl, darf sich aber nicht umdrehen und nicht schmulen, was für Spielzeug hinter ihm wartet. Wir haben das für "Hirschhausens Quiz des Menschen" besonders fies nachgestellt. Hinter den Kleinen ratterte eine elektrische Eisenbahn und führte sie auch noch akustisch in Versuchung. Die meisten drehten sich um, sobald der Versuchsleiter aus dem Raum ging. Anschließend schauten sie so unschuldig, wie man nur in diesem Alter schauen kann, und sagten: "Ich hab mich gar nicht umgedreht!" Hakt man dann nach, was sie denn glauben, was hinter ihnen ist, müssen sie noch mehr um die Ecke denken, um sich nicht zu verraten.

Dieser kognitive Aufwand schlägt sich in der Reaktionszeit nieder. Das ist bei Erwachsenen vor dem Computerbildschirm nicht anders. Sollen Probanden Sätze wie "Wasser ist nass" auf ein vereinbartes Zeichen hin per Tastendruck verneinen, dauert es länger, als wenn sie einfach die Wahrheit bestätigen. Beim Lügen machen wir auch öfter Fehler.

    Wann haben Sie zuletzt gelogen?

  1. a) noch nie
  2. b) gestern
  3. c) vorhin
  4. d) jetzt

Psychologen aus den Niederlanden vermaßen wohl als erstes Forscherteam auf dem Planeten die Fähigkeit zu lügen über die Altersspanne von 6 bis 77. Damit einem die Wahrheit nicht im falschen Moment rausrutscht, muss das Frontalhirn andere Areale in ihrer Aktivität bremsen. Dieses Vermögen bildet sich bis zum zehnten Lebensjahr heraus und nimmt in der zweiten Lebenshälfte wieder ab. Irgendwann ist einem das zu anstrengend. Oder man wird altersweise. Oder beides.

Neben der Geschmeidigkeit des Lügens wurde auch erhoben: Wie oft hast du in den letzten 24 Stunden geflunkert? Ein Zwölfjähriger antwortete: "315-mal" und flog als statistischer Ausreißer aus dem Datenpool. Die anderen antworteten brav "ungefähr zweimal". Wer's glaubt ...! Am besten lügt man in der Pubertät. Da hat man auch am meisten Grund dazu. Ich verstehe nicht, warum die Geheimdienste nicht grundsätzlich 15-Jährige beschäftigen – aus denen ist absolut keine brauchbare Information rauszuholen, wenn man sie verhört. "Wo warst du gestern?" "Weiß nicht." "Wer war dabei?" "Kennst du nicht. Ist auch egal ..." Kommt Pinocchio in die Pubertät, wächst nicht nur seine Nase, sondern auch andere Körperteile, deren Funktion unser Hirn auf die Probe stellt.

Das Spannendste, was die Lügenforschung belegt: Obwohl wir mit Erfahrung und besserer kognitiver Kontrolle in der Mitte des Lebens eigentlich öfter und besser lügen könnten, tun wir es nicht. Das gibt Hoffnung. Sofern man den Forschern trauen kann.

  • Quellen

Debey, E. et al.: From Junior to Senior Pinocchio: A Cross-Sectional Lifespan Investigation of Deception. In: Acta Psychologica 160, S. 58–68, 2015

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