Hirschhausens Hirnschmalz: Patient Erde
Die Erde hat Fieber. Und diesmal helfen nicht wie sonst Wadenwickel und abwarten. Es ist ernst. So ernst, dass manche sich nicht trauen, sich dafür zu interessieren. Das ist, wie wenn man irgendwo einen Knoten ertastet und nicht zum Arzt geht, aus Angst, es könnte was Schlimmes sein. Dabei gilt die bewährte Reihenfolge: erst die Diagnose, dann die Therapie. Das sollten Ärzte am besten wissen. Wenn eine Atombombe fällt, ist der Bluthochdruck auch egal. Deshalb gibt es bis heute die Organisation »Ärzte gegen den Atomkrieg«, die auf einen engagierten Kardiologen zurückgeht und den Friedensnobelpreis erhielt.
Langsam formieren sich auch Ärztegruppen, die auf die größte Gesundheitsgefahr unserer Zeit hinweisen: die Überhitzung der Erde – und damit des Menschen. Spätestens seit letztem Sommer, als ich wochenlang keinen kühlen Kopf und keinen klaren Gedanken hatte, ist mir klar, dass es nicht mehr um Eisbären allein geht. Es geht uns auch hier zu Lande an den Kragen und ans Hirn. Und deshalb ist Geist gefragt, wie wir möglichst schnell gegensteuern können.
Ärzte waren mal die hellsten Köpfe ihres Jahrgangs – wo sind sie, wenn man sie braucht? Diesmal nicht zum Schachern über Abrechnungsziffern, sondern für einen globalen Notfall, der massiv unser Leben bedroht. Mit einer Mahnwache an der Charité macht das die »Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit« drastisch deutlich: In einem Sanitätszelt wird rund um die Uhr die Erde gepflegt. Das Motto der Aktion: »Klimawandel macht krank! Patientin Erde auf der Intensivstation.«
Eine der wichtigsten Medizinzeitschriften der Welt, der »Lancet«, erklärt jetzt, warum auch Ärzte sich für einen raschen Kohleausstieg und eine saubere Mobilität interessieren sollten. Lungenkrankheiten, Herzinfarkt und Schlaganfall hängen eng mit dreckiger Luft zusammen. Ein Rußpartikel fragt vor dem Einatmen ja nicht: privat oder Kasse?
Doch das Klima ist ein öffentliches Gut, das keinem gehört und für das sich deshalb auch erst mal keiner richtig verantwortlich fühlt. Um ein Multiorganversagen von Mutter Erde zu verhindern, müssen wir unsere staatlichen Organe aufrütteln, nicht nur zu reden, sondern auch unliebsame Entscheidungen zu fällen. Als man das Rauchverbot in Kneipen einführte, gab es einen Aufschrei, als ginge das Abendland in Konkurs. Und heute will es keiner mehr missen. Menschen können sich an Unsinn adaptieren, warum nicht auch mal an was Sinnvolles? Wenn es Fahrverbote gibt, sollte unsere größte Sorge nicht der Wiederverkaufswert unseres Diesels sein, sondern unsere Kinder: weniger Asthma, Allergien und Lungenentzündung!
Gemeinwohl muss über Eigennutz stehen. Sonst gilt der böse Witz, als Venus die Erde trifft und sagt: »Mensch, du sieht aber schlecht aus!« Darauf die Erde: »Ich habe mir Homo sapiens eingefangen.« – »Ach, das geht vorbei!«
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