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Hirschhausens Hirnschmalz: YOLO!!!

Eckart von Hirschhausen

Früher war die Welt einfacher. Also ganz früher. Da wurden die Menschen nur 30 Jahre alt. Das heißt: Pubertät und Midlife-Crisis fielen zeitlich zusammen! Heute ist die Lebenserwartung deutlich länger. Und mit der Erwartung nehmen auch die Enttäuschungen zu.

Wer so alt wird, steht vor vielen Problemen. Zum Beispiel: Mit welcher Ausrede bekomme ich zwischen Schülerausweis und Seniorenpass eigentlich Ermäßigungen? Dafür bin ich mal Journalist geworden – um mit Presseausweis wenigstens ab und an wichtig tun zu können. Aber das ist auch nicht mehr das, was es mal war. Zumindest hat man aber als Journalist Zugang zu aktuellen Studien, und für heute habe ich eine mit einer sehr hoffnungsvollen Botschaft he­rausgesucht: Die Midlife-Crisis geht vorbei!

Wie alt fühlen Sie sich, verglichen mit der Angabe auf Ihrem Personalausweis?

  1. A) In etwa so alt, außer morgens
  2. B) Um Jahre jünger, das sehen Sie doch!
  3. C) Ey Alter, was soll die Frage?
  4. D) Wo ist eigentlich mein Ausweis?

Da man nie weiß, wie lange man lebt, ist die Mitte des Lebens ein sehr dehnbarer Begriff. Wie auch die Mitte des Körpers in dieser Lebensphase gerne ihre Dehnbarkeit unter Beweis stellt. Übrigens, für alle Leser meiner Generation: Die Überschrift entstammt der SMS-Kultur von Abkürzungen für fundamentale Weisheiten und steht für "You only live once", man lebt nur einmal.

In den wenigsten Nachrichten steht allerdings, was aus dieser Erkenntnis folgt. Darf man sich völlig unvernünftig verhalten, weil es ja nur auf den Moment ankommt? Oder ist das ein verstecktes Memento mori – lehre uns, den Tod zu verstehen, auf dass wir leben lernen? Oder gar eine religiöse Kampfansage an die Hindus? Zumindest sind die ziemlich entspannt mit Kritik an ihrer Religion. Kein Wunder, wenn man so viele Leben hat, die sitzen das einfach aus.

Vermutlich denkt kein Jugendlicher so weit, denn bis dahin ist garantiert schon eine Antwort gekommen, auf die man dann wieder geantwortet hat ... Nun aber endlich das Studienergebnis: Ab 60 geht es aufwärts mit der Stimmung! Schluss mit der Illusion, wir wären mit Pickeln statt Falten auf der Stirn glücklicher. Die WHO hat das untersucht, länderübergreifend. Der Preis für das späte Glück ist das Tief in der Lebensmitte. Das braucht es offenbar, damit es anschließend wieder aufwärtsgehen kann.

Die Forscher sichteten Umfragen zur Lebenszufriedenheit weltweit. In Afrika ist sie durchgängig niedrig, in Osteuropa, der früheren Sowjetunion und Lateinamerika geht es mit dem Alter kontinuierlich abwärts. In reicheren, englischsprachigen Ländern dagegen wird mit etwa 50 Jahren eine Talsohle durchschritten. Weshalb gerade dann? Der Idealismus der Jugend verschleißt sich auf dem Weg durch die Institutionen, die ersten Macken des Körpers zeigen sich. Mit 50 regt man sich noch auf, wenn das Knie wehtut. Ab 60 ist man froh, wenn es nur das ist.

Ich frage mich gerade: Wenn in diesem Alter die Zufriedenheit am geringsten sein soll, was mache ich falsch, wenn ich momentan im Groben ganz happy mit allem bin? Bin ich vorzeitig gealtert? Und wenn ja, ist das ein Zeichen von Reife oder von Verfall? Ist man wirklich so alt, wie man sich fühlt – oder vielmehr so alt, wie man sich anfühlt? Und was antwortet man jetzt als weiser, alter Mensch auf ein flapsig hingeworfenes "YOLO"? Am besten: "DBKZSROLÖ!!!" Das Beste kommt zum Schluss, Rotzlöffel!

  • Quellen
Steptoe, A. et al.:Subjective Wellbeing, Health, and Ageing. In: The Lancet 10.1016/S0140–736(13)61489–0, 2014

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