Freistetters Formelwelt: Mit Mathematik zur perfekten Hochzeit
Ende Juli werde ich heiraten. Das könnte der Grund sein, warum mir in letzter Zeit verstärkt Medienberichte über Hochzeiten auffallen. Das Phänomen erstreckt sich auch auf die Mathematik: Bei der Recherche über Methoden zur Vermittlung der Infinitesimalrechnung bin ich kürzlich auf einen Artikel über »Gabriel’s Wedding Cake« gestoßen.
Es handelt sich dabei um eine Variation von »Gabriels Horn«, einem Gebilde, das der italienische Physiker und Mathematiker Evangelista Torricelli im 17. Jahrhundert beschrieben hat. Es ähnelt einer sehr langen Trompete und hat zwar ein endliches Fassungsvermögen, aber eine unendlich große Oberfläche. An dieser scheinbar widersprüchlichen Struktur kann man jede Menge spannende Fragen der Infinitesimalrechnung erklären.
Der Autor des Fachartikels, den ich gelesen habe, war dennoch nicht ganz zufrieden damit und schlug eine alternative Betrachtung vor, die auf dieser Formel basiert:
Hierbei handelt es sich um eine simple Stufenfunktion. Wenn man sie um die Linie y = 0 rotiert, erhält man ein Objekt, das einem Hochzeitskuchen ähnelt. Es besteht aus aufeinandergestapelten Zylindern mit immer kleiner werdender Grundfläche. Dieser Kuchen hat zwar unendlich viele Lagen, man kann allerdings leicht zeigen, dass das Gesamtvolumen im Grenzfall trotzdem nur endlich groß ist. Die Formel für die Oberfläche des Kuchens enthält dagegen die divergente harmonische Reihe und ist damit unendlich groß.
Es entsteht also einen Kuchen, »den man aufessen, aber nicht glasieren kann«, wie es im Fachartikel ausgedrückt wurde. Und im Gegensatz zu Gabriels Horn braucht man bei der Berechnung von Gabriels Hochzeitskuchen kein Integral, was den Einsatz als Beispiel im Mathematikunterricht einfacher macht.
Wer ist der passendste Partner?
Im Gegensatz zu diesem seltsamen Kuchen hatte das »Stable Marriage Problem« einen sehr viel größeren Einfluss in der Mathematik. Die Ausgangslage ist folgendermaßen: Angenommen, man hat genauso viele Männer wie Frauen, die alle ledig sind und jeweils Angehörige des anderen Geschlechts heiraten wollen. Dabei hat jede Person eine Präferenz, mit wem sie am liebsten und mit wem am wenigsten gern zusammen wäre. Natürlich kann man meist nicht alle Wünsche erfüllen, da es sein kann, dass zum Beispiel mehrere Männer die gleiche Frau ihrer Träume haben. Nun ist ein Weg gesucht, alle zu verheiraten – jedoch so, dass keine zwei Personen ihre Ehe aufgeben und miteinander durchbrennen. Das heißt, es darf keine zwei Personen geben, die am Ende lieber miteinander zusammen wären als mit ihrem zugewiesenen Ehepartner.
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Die Fragestellung ist natürlich komplett praxisfern (was schon bei der Annahme rein heterosexueller Beziehungen anfängt) und wurde auch nicht ernsthaft als Hilfestellung bei der Partnersuche entworfen. Es geht eher allgemein um das Problem, eine stabile Paarung zwischen Mengen zu finden, in denen sich gleich viele Elemente befinden und für die eine bestimmte vorgegebene Präferenzordnung existiert. Das kann zum Beispiel relevant sein, wenn es um die Nutzung von Internetdiensten geht. Wenn ich irgendeine Homepage aufrufe, muss meine Anfrage einem der zahllosen Server auf der Welt zugewiesen werden. Natürlich habe ich die Präferenz, einen Server zu nutzen, der mir möglichst schnell eine Antwort liefert. Der Server hat ebenfalls Präferenzen, was die Bedienung der Nutzer angeht. Die Lösung des »Stable Marriage Problem« macht es möglich, die jeweiligen Präferenzen abzugleichen und User mit Servern zu verbinden, so dass am Ende alle möglichst zufrieden sind.
Eine Möglichkeit zur Lösung des Problems ist der »Gale-Shapley-Algorithmus«. Würde man ihn für echte Beziehungen verwenden, müsste man sich – je nach Menge an Männern und Frauen – unter Umständen dutzende Male verloben und die Verlobung wieder auflösen, bis man die passende Person gefunden hat. Das ist mir zum Glück erspart geblieben. Mein persönliches »Marriage Problem« war schon nach der ersten Verlobung gelöst. Und zur Hochzeit wird es auch keinen infinitesimalen Kuchen geben. Manches im Leben geht ohne Mathematik.
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