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Storks Spezialfutter: Im Prinzip schon, aber bitte nicht jetzt

Konventionelle Landwirtschaft produziert so günstig, weil die Schäden, die sie anrichtet, nicht im Preis stecken. Die EU könnte das jetzt ändern, wird es aber wohl nicht.
Landwirt in Bulgarien bei der Düngung

Der Ostsee geht es nicht gut. Typische Arten wie Hering, Dorsch und Kegelrobbe sind heute im Durchschnitt deutlich magerer als Mitte der 1990er Jahre. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie schwedischer Forscher. Die einzelnen Tiere werden dünner, weil sie weniger Nahrung finden. Die Gesamtmasse der Tiere geht zurück, weil ihr Lebensraum beständig kleiner wird. Durch das wärmer werdende Klima und die anhaltende Verschmutzung der Ostsee durch eingetragene Nährstoffe hat sich der Sauerstoffgehalt im Wasser deutlich verringert. Die Todeszonen, in denen überhaupt kein Sauerstoff mehr vorhanden ist und komplexeres Leben unmöglich wird, werden immer größer.

Es gibt eine weitere aktuelle Veröffentlichung, die zumindest indirekt mit den dünneren Ostseetieren zu tun hat – den Thünen-Report 65. Er beschäftigt sich mit den gesellschaftlichen Leistungen der ökologischen Landwirtschaft und analysiert dabei hunderte Studien der vergangenen 30 Jahre, in denen konventionelle und ökologische Landwirtschaft miteinander verglichen wurden. Der Report kommt zu dem eindeutigen Schluss, dass eine wesentliche Leistung der ökologischen Betriebe darin besteht, weniger Dreck und Schäden zu verursachen als die konventionellen. Im Umkehrschluss wird die konventionelle Landwirtschaft als einer der Hauptverantwortlichen vieler Umweltprobleme genannt.

So stammt die Hälfte der Phosphoreinträge in Seen und Flüssen aus der Landwirtschaft. Wegen Überdüngung, Pestiziden und des Verlustes von Brachen hat sich die Gesamtzahl der Agrarvögel in nur 20 Jahren halbiert. Die Masse der Insekten ist um etwa 80 Prozent zurückgegangen. Und die Nährstoffüberschüsse, die das Überleben für die Tiere in der Ostsee immer schwieriger machen, stammen zu 64 Prozent aus der Landwirtschaft. Das alles ist wissenschaftlich gut belegt.

Die Schweisfurth-Stiftung für ökologische Landwirtschaft hat untersucht, wie teuer konventionell erzeugte landwirtschaftliche Produkte sein müssten, wenn die negativen Folgen für die Umwelt mit eingepreist würden: Die Preise für Fleisch würden sich verdreifachen, die für Milch verdoppeln. Rein pflanzliche Produkte würden sich »nur« um knapp 30 Prozent verteuern. Wären wir alle Veganer, wären die durch Landwirtschaft verursachten Umweltprobleme also bedeutend kleiner!

Ein großer Batzen Geld, um die notwendigen Änderungen anzustoßen, wäre in der EU vorhanden

Nach dem Verursacherprinzip müssten die konventionell wirtschaftenden Landwirte für die Beseitigung der von ihnen verursachten Schäden zahlen. Man kann das Prinzip aber auch weiter fassen. Dann tragen die Einzelhändler, die beim Kampf um die Kunden immer neue Sonderangebote ausrufen, ebenfalls eine Mitschuld an den zu niedrigen Preisen. Und die Verbraucher, denen beim Kauf das Geld wichtiger ist als die Qualität.

Aber Fleisch, das dreimal so teuer ist? Das können auf die Schnelle weder die Landwirte stemmen noch die Verbraucher. Es wurden schon wegen weit geringerer Preisaufschläge Revolutionen angezettelt.

Ein großer Batzen Geld, um die notwendigen Änderungen in der Landwirtschaft anzustoßen, wäre im Grunde vorhanden: Jedes Jahr werden rund 50 Milliarden Euro an die Landwirte in der EU verteilt, der überwiegende Anteil davon als Flächenprämie. Für jeden Hektar landwirtschaftliche Fläche gibt es eine bestimmte Summe Geld – weitgehend unabhängig davon, wie das Land tatsächlich genutzt wird. Dass eine solche Pauschalförderung nicht wirklich das schärfste Instrument ist, um konkrete Leistungen für die Umwelt umzusetzen, liegt auf der Hand. Wissenschaftler, Umweltverbände und auch das Bundesumweltamt fordern deshalb schon lange ein Ende der Flächenprämie und stattdessen eine Kopplung der Fördergelder an bestimmte Umweltleistungen. Landwirte würden dann Geld dafür bekommen, dass sie auf einem Teil der Fläche, statt so viel Weizen, Mais oder Raps wie möglich anzubauen, gezielt Artenschutz betreiben.

Die Zeit für einen grundsätzlichen Wandel ist eigentlich günstig. In Brüssel wird über die neue Förderperiode beraten, die 2021 beginnt. Und in weiten Teilen Europas rücken aktuell Klimawandel und Umweltthemen in den gesellschaftlichen Fokus. Trotz kleinerer Veränderungen könnte am Ende aber doch alles auf ein »Weiter so« hinauslaufen. Zwar hat sich der Bauernverband als große Interessenvertretung der Landwirte in Deutschland auf dem jüngsten Bauerntag zum hohen Stellenwert der Artenvielfalt bekannt. Gleichzeitig will er aber die Flächenprämien erhalten und beim Artenschutz vor allem auf freiwillige Leistungen der Landwirte setzen. Bis zu einem grundlegenden Wandel wird es also wohl mindestens noch eine Förderperiode dauern.

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