Weltklimagipfel: In Cancún müssen wir mit Bedacht vorgehen
Der Weltklimagipfel in Cancún sollte Gespräche über hochgesteckte Ziele vermeiden, meint Yvo de Boer: "Erst einmal müssen wir die Menschen vom grünen Wachstum überzeugen."
Was können wir von den Weltklimaverhandlungen diese Woche in Cancún erwarten? Ein Hauptverhandlungsführer aus einem bedeutenden Entwicklungsland sagte mir kürzlich, das zu erwartende Ergebnis sei völlig offen. Das hinterließ in mir das ungute Gefühl, Cancún könnte eine Wiederholung von Kopenhagen werden. Es gibt eine Menge guter Gründe, warum sich der Weltklimagipfel letztes Jahr als so schwierig erwiesen hat und warum letztlich das herauskam, was herauskam – und nicht mehr. Zwei Ursachen sollten wir im Hinterkopf behalten.
Zum Ersten gab es keine gemeinsame Auffassung über die Zielsetzung der Konferenz. Kopenhagen sollte eigentlich dazu dienen, den Prozess rund um den Bali-Aktionsplan von 2008 zum Abschluss zu bringen und anstehende Entscheidungen zu fällen. Doch welche Entscheidungen wären dies? Manche Länder befürworteten einen neuen Vertrag im Rahmen des Weltklimaabkommens. Mit ihm wollten sie eine Anzahl verbindlicher Ziele für die Industrieländer festlegen und das Ende des Kioto-Protokolls einleiten. Andere erwarteten hingegen eine Vereinbarung über eine zweite "Amtszeit" des Kioto-Protokolls und eine neue gesetzliche Vorlage, die sich vor allem an die USA richten würde.
Noch mehr Staaten erwarteten schlicht einen operativen Schritt in Richtung weiterer gesetzlicher Instrumente. Und schließlich, in den Wochen vor dem Treffen in Kopenhagen, vertraten immer mehr Regierungschefs die Auffassung, dass eine politische Absichtserklärung das beste Ergebnis sei, das man erzielen könne. Letztendlich war es genau das, was die Konferenz erbrachte.
Klimaschutz kontra Wirtschaftswachstum
Der zweite Grund ist die weit verbreitete Angst, dass ambitionierte Klimapolitik das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen könnte. Zwar haben Befürchtungen über Energiepreise, Sicherheit der Energieversorgung und Materialverknappung im Angesicht einer explodierenden Weltbevölkerung den Wunsch nach einem "grüneren", schlankeren und effizienteren Wirtschaftsmodell stark werden lassen. Doch obwohl viele Staaten dieses grüne Wachstumsmodell vorgeblich propagieren, sind sie tief in ihrem Herzen noch unsicher. Tatsächlich fürchten viele Entwicklungsländer, dass der Westen den Klimawandel als Vorwand benutzen will, um die Entwicklungsländer in Armut zu halten und den momentanen wirtschaftlichen Status quo zu festigen.
Die Lehren für Cancún liegen daher eigentlich auf der Hand: Der Gipfel muss praxisnah und überschaubar bleiben und darf nicht über das Ziel hinausschießen. Die Verhandlungen müssen für alle Nationen – vor allem für die Entwicklungsländer – gangbare Wege aufzeigen, anhand deren sie die Vorteile grünen Wachstums überprüfen können. Kein vernünftiger Staat wird ein Übereinkommen akzeptieren, dessen wirtschaftliche Folgen nicht absehbar sind.
Konkret denke ich, dass dies praktische Rahmenbedingungen in den folgenden sechs Bereichen erfordert. Nur so werden Nationen guten Gewissens entscheiden können, ob eine neue gesetzliche Regelung der richtige Weg ist, globale Klimamaßnahmen voranzubringen.
Auf sicher finanzierten Beinen
Erstens brauchen wir einen Mechanismus, der Entwicklungsländern ermöglicht, ihr grünes Wachstumspotenzial zu ermitteln, und ihnen hilft, eine klare Strategie zu entwickeln. Darüber hinaus sollte er ihnen zu jenen internationalen Finanzmitteln Zugang verschaffen, die sie bei der Umsetzung benötigen. Die in Kopenhagen versprochenen Starthilfen bieten eine geeignete Grundlage, mit der sich eine solche Strategie entwickeln lässt. Langfristiges finanzielles Engagement und eine breitere Spanne von marktbasierten Mechanismen werden für die Umsetzung entscheidend sein.
Ein zweiter – und ganz wesentlicher – Punkt wäre es, die Verfahren zu verbessern, mit denen vor allem die kleinen und ärmeren Entwicklungsländer ihre Maßnahmen gegen den Klimawandel bewerten und planen. Wir brauchen ein Entwicklungsberatungsprogramm durch Institutionen, die auch in der Lage sind, die erforderlichen gründlichen wirtschaftlichen Analysen zu liefern.
Ein drittes kritisches Element für den Erfolg von Cancún wird sein, eine bessere Balance zwischen Anpassung an den Klimawandel und Gegenmaßnahmen zu finden. So ist es einer der entscheidenden Schwachpunkte des Kioto-Protokolls, dass es keine Anpassungsmaßnahmen berücksichtigt. Ein vierter Punkt wäre die Gewährleistung, dass aufstrebenden Wirtschaften Schlüsseltechnologien zur Verfügung gestellt werden. Der private Sektor muss zu Investitionen angeregt werden. Das treibt nicht nur den Fortschritt voran, sondern würde auch die Kosten für entscheidende Grundlagentechnologien senken – dazu zählen zum Beispiel Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie.
Kein Wunschdenken am Verhandlungstisch
Würde man sich darauf einigen, Maßnahmen gegen Abholzung und Walddegeneration stärker zu honorieren, hätte man fünftens einen attraktiven Anreiz für all diejenigen Länder geschaffen, die sonst keine anderen Gegenmaßnahmen treffen können. Dies würde auch dazu beitragen, die Kosten zukünftiger Aktionen zur Emissionsminderung zu senken. Und sechstens würde ein stabiles System, das den Staaten hilft, sowohl ihre einzelnen Aktivitäten als auch die geleistete Unterstützung zu erfassen, zu kommunizieren und zu bewerten, dafür sorgen, dass sie ihre Pflichten erfüllen.
Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass ambitioniertere Ziele auf meiner Liste fehlen. Der Realist in mir sagt, dass wir mit dem arbeiten sollten, was wir haben, in derselben Weise, in der Präsident Mohamed Nasheed von den Malediven die Erklärung von Kopenhagen akzeptierte – nicht, weil sie ihm gefiel, sondern weil ihm klar war, dass er nichts Besseres bekommen würde. Verkaufe ich dadurch das Klima unter Wert? Ja. Der von mir hier vorgestellte Ansatz wird nicht ausreichen, um den Temperaturanstieg auf 2 Grad Celsius zu begrenzen, und ich wäre glücklich, dürfte ich auch nur einen meiner sechs Punkte gegen ein umfassenderes Resultat eintauschen.
Die Erfahrungen mit dem SO2-Handel in den USA und dem CO2-Handel in der Europäischen Union zeigen, dass auch ein bescheidener Start nicht daran hindert, den Ball ins Rollen zu bringen und während der Umsetzung zu lernen. Die Zusage der Kopenhagener Erklärung, im Jahr 2015 die bis dahin erfolgten Aktionen zu überprüfen, bietet zumindest eine Chance: Wenn wir ein klareres Bild der zur Verfügung stehenden Werkzeuge haben, können wir unsere Zielsetzung noch einmal überdenken.
Vor allem aber hoffe ich, dass nicht wieder das Fehlen einer gemeinsamen Stoßrichtung die Gespräche von Cancún überschattet wie die Konferenz letztes Jahr. Wem die Regeln des Fußballspiels geläufig sind, der kann nachvollziehen, dass viele den UN-Klimaprozess in Kopenhagen mit einer verwarnenden Gelben Karte vergleichen. Man sollte nun mit Bedacht handeln, um die bedauerlichen Folgen einer zweiten solchen zu verhindern.
Zum Ersten gab es keine gemeinsame Auffassung über die Zielsetzung der Konferenz. Kopenhagen sollte eigentlich dazu dienen, den Prozess rund um den Bali-Aktionsplan von 2008 zum Abschluss zu bringen und anstehende Entscheidungen zu fällen. Doch welche Entscheidungen wären dies? Manche Länder befürworteten einen neuen Vertrag im Rahmen des Weltklimaabkommens. Mit ihm wollten sie eine Anzahl verbindlicher Ziele für die Industrieländer festlegen und das Ende des Kioto-Protokolls einleiten. Andere erwarteten hingegen eine Vereinbarung über eine zweite "Amtszeit" des Kioto-Protokolls und eine neue gesetzliche Vorlage, die sich vor allem an die USA richten würde.
Noch mehr Staaten erwarteten schlicht einen operativen Schritt in Richtung weiterer gesetzlicher Instrumente. Und schließlich, in den Wochen vor dem Treffen in Kopenhagen, vertraten immer mehr Regierungschefs die Auffassung, dass eine politische Absichtserklärung das beste Ergebnis sei, das man erzielen könne. Letztendlich war es genau das, was die Konferenz erbrachte.
Klimaschutz kontra Wirtschaftswachstum
Der zweite Grund ist die weit verbreitete Angst, dass ambitionierte Klimapolitik das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen könnte. Zwar haben Befürchtungen über Energiepreise, Sicherheit der Energieversorgung und Materialverknappung im Angesicht einer explodierenden Weltbevölkerung den Wunsch nach einem "grüneren", schlankeren und effizienteren Wirtschaftsmodell stark werden lassen. Doch obwohl viele Staaten dieses grüne Wachstumsmodell vorgeblich propagieren, sind sie tief in ihrem Herzen noch unsicher. Tatsächlich fürchten viele Entwicklungsländer, dass der Westen den Klimawandel als Vorwand benutzen will, um die Entwicklungsländer in Armut zu halten und den momentanen wirtschaftlichen Status quo zu festigen.
Die Lehren für Cancún liegen daher eigentlich auf der Hand: Der Gipfel muss praxisnah und überschaubar bleiben und darf nicht über das Ziel hinausschießen. Die Verhandlungen müssen für alle Nationen – vor allem für die Entwicklungsländer – gangbare Wege aufzeigen, anhand deren sie die Vorteile grünen Wachstums überprüfen können. Kein vernünftiger Staat wird ein Übereinkommen akzeptieren, dessen wirtschaftliche Folgen nicht absehbar sind.
Konkret denke ich, dass dies praktische Rahmenbedingungen in den folgenden sechs Bereichen erfordert. Nur so werden Nationen guten Gewissens entscheiden können, ob eine neue gesetzliche Regelung der richtige Weg ist, globale Klimamaßnahmen voranzubringen.
Auf sicher finanzierten Beinen
Erstens brauchen wir einen Mechanismus, der Entwicklungsländern ermöglicht, ihr grünes Wachstumspotenzial zu ermitteln, und ihnen hilft, eine klare Strategie zu entwickeln. Darüber hinaus sollte er ihnen zu jenen internationalen Finanzmitteln Zugang verschaffen, die sie bei der Umsetzung benötigen. Die in Kopenhagen versprochenen Starthilfen bieten eine geeignete Grundlage, mit der sich eine solche Strategie entwickeln lässt. Langfristiges finanzielles Engagement und eine breitere Spanne von marktbasierten Mechanismen werden für die Umsetzung entscheidend sein.
Ein zweiter – und ganz wesentlicher – Punkt wäre es, die Verfahren zu verbessern, mit denen vor allem die kleinen und ärmeren Entwicklungsländer ihre Maßnahmen gegen den Klimawandel bewerten und planen. Wir brauchen ein Entwicklungsberatungsprogramm durch Institutionen, die auch in der Lage sind, die erforderlichen gründlichen wirtschaftlichen Analysen zu liefern.
Ein drittes kritisches Element für den Erfolg von Cancún wird sein, eine bessere Balance zwischen Anpassung an den Klimawandel und Gegenmaßnahmen zu finden. So ist es einer der entscheidenden Schwachpunkte des Kioto-Protokolls, dass es keine Anpassungsmaßnahmen berücksichtigt. Ein vierter Punkt wäre die Gewährleistung, dass aufstrebenden Wirtschaften Schlüsseltechnologien zur Verfügung gestellt werden. Der private Sektor muss zu Investitionen angeregt werden. Das treibt nicht nur den Fortschritt voran, sondern würde auch die Kosten für entscheidende Grundlagentechnologien senken – dazu zählen zum Beispiel Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie.
Kein Wunschdenken am Verhandlungstisch
Würde man sich darauf einigen, Maßnahmen gegen Abholzung und Walddegeneration stärker zu honorieren, hätte man fünftens einen attraktiven Anreiz für all diejenigen Länder geschaffen, die sonst keine anderen Gegenmaßnahmen treffen können. Dies würde auch dazu beitragen, die Kosten zukünftiger Aktionen zur Emissionsminderung zu senken. Und sechstens würde ein stabiles System, das den Staaten hilft, sowohl ihre einzelnen Aktivitäten als auch die geleistete Unterstützung zu erfassen, zu kommunizieren und zu bewerten, dafür sorgen, dass sie ihre Pflichten erfüllen.
Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass ambitioniertere Ziele auf meiner Liste fehlen. Der Realist in mir sagt, dass wir mit dem arbeiten sollten, was wir haben, in derselben Weise, in der Präsident Mohamed Nasheed von den Malediven die Erklärung von Kopenhagen akzeptierte – nicht, weil sie ihm gefiel, sondern weil ihm klar war, dass er nichts Besseres bekommen würde. Verkaufe ich dadurch das Klima unter Wert? Ja. Der von mir hier vorgestellte Ansatz wird nicht ausreichen, um den Temperaturanstieg auf 2 Grad Celsius zu begrenzen, und ich wäre glücklich, dürfte ich auch nur einen meiner sechs Punkte gegen ein umfassenderes Resultat eintauschen.
Die Erfahrungen mit dem SO2-Handel in den USA und dem CO2-Handel in der Europäischen Union zeigen, dass auch ein bescheidener Start nicht daran hindert, den Ball ins Rollen zu bringen und während der Umsetzung zu lernen. Die Zusage der Kopenhagener Erklärung, im Jahr 2015 die bis dahin erfolgten Aktionen zu überprüfen, bietet zumindest eine Chance: Wenn wir ein klareres Bild der zur Verfügung stehenden Werkzeuge haben, können wir unsere Zielsetzung noch einmal überdenken.
Vor allem aber hoffe ich, dass nicht wieder das Fehlen einer gemeinsamen Stoßrichtung die Gespräche von Cancún überschattet wie die Konferenz letztes Jahr. Wem die Regeln des Fußballspiels geläufig sind, der kann nachvollziehen, dass viele den UN-Klimaprozess in Kopenhagen mit einer verwarnenden Gelben Karte vergleichen. Man sollte nun mit Bedacht handeln, um die bedauerlichen Folgen einer zweiten solchen zu verhindern.
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