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Bleiverbot: In Jagdmunition gehört kein Gramm Blei

Die EU hat Bleischrot bei der Jagd in Feuchtgebieten verboten. Gut, aber nicht gut genug. Es braucht ein vollständiges Bleiverbot, um Tier und Mensch zu schützen. Ein Kommentar
Trotz alternativer Materialien nutzen viele Jäger noch immer bleihaltige Munition.

Das nach jahrelanger Debatte beschlossene Verbot für Bleischrot bei der Jagd in Feuchtgebieten ist ein wichtiger Etappensieg. Mehr aber auch nicht. Dass mehr als 1,5 Millionen Vögel in jedem Jahr ohne jeden Sinn qualvoll sterben müssen, dass die ohnehin stark belasteten Wasserökosysteme mit Blei belastet werden und dass dieses starke Gift in die Nahrungskette von Mensch und Tier gelangen kann – das sind Skandale, denen seit Langem ein Ende hätte gesetzt werden müssen.

Seit vielen Jahren verfolgen die Europäische Union und die Weltgesundheitsorganisation eine Null-Blei-Strategie: Wo immer es geht, muss das Supergift verbannt werden. Es gibt kein Blei in Benzin, in Farbe, in Buntstiften mehr. Nur in der Jagd gibt es das weiterhin. Auch nach dem jetzigen Verbot von Bleischrot in Feuchtgebieten. Dieses fragwürdige Privileg der Jagd ist nur ein Beispiel dafür, wie entkoppelt die Jagdpraxis gegenüber den geänderten Ansprüchen und Werten der Gesellschaft ist. Ähnliches gilt übrigens für die Landwirtschaft.

Das hat auch Folgen für die Akzeptanz der Jagd. Mit ihrer Verzögerungstaktik haben die europäischen Jagdverbände nämlich das Gegenteil von umweltpolitischer Glaubwürdigkeit bewiesen. Schon im Jahr 2004 unterzeichneten sie eine Vereinbarung mit dem Zusammenschluss der nationalen Vogelschutzverbände BirdLife International. Diese Selbstverpflichtung sah vor, den Bleischrotgebrauch spätestens 2009 auslaufen zu lassen. Nun, elf Jahre zu spät, jammern sie über eine zu kurze Übergangsfrist. Das ist lächerlich und entlarvend zugleich.

Berichte einer Jagdzeitschrift sind keine guten Belege für steile Thesen

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hält es ähnlich. Sie versuchte, zunächst zehn, zuletzt dann wenigstens ein weiteres Jahr über die ohnehin großzügige zweijährige Übergangsfrist hinaus herauszuschinden.

Klöckners Argumentation im ganzen Abstimmungsprozess ist derart bizarr, grotesk und unfundiert, dass man darüber lachen könnte, wäre die Sache nicht so ernst. Bleifrei = Tierquälerei, bleifrei schützt invasive Arten, bleifrei beraubt Jäger ihrer Möglichkeiten – das sind nur drei Beispiele ihrer Begründungen.

Klöckner schafft es, in der einen Minute von einem »wissensbasierten Ansatz« zu sprechen, den es zu verfolgen gelte, und in der nächsten die versammelte Expertise mittlerweile jahrzehntelanger Forschung in den Wind zu schlagen. Gegen zahlreiche Gutachten wedelt sie mit einem Schießtest aus der Jagdzeitschrift »Wild und Hund« als Beleg für ihre steilen Thesen.

So verquer Klöckners Argumente auch sind, haben sie doch eines offenkundig gemeinsam: Sie schützen die Interessen derjenigen, die aus welchen Gründen auch immer – koste es was es wolle – Bleimunition behalten wollen. Das sind die CDU-affinen Funktionäre verknöcherter Jagdverbände, denen es an ökologischem Verständnis fehlt (beileibe nicht eine Mehrheit der Jäger, auch nicht innerhalb der traditionellen Verbände) und das sind die Hersteller dieser Munition.

Dass es nun die Stimme der Bundesregierung war, die dem Bleiverbot zu einer Mehrheit verhalf, ist auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze zu verdanken, die sich gegen Klöckner durchgesetzt hat. Sie kann sich in ihrer eher leisen Politik nun bestätigt fühlen, sollte sich aber nicht täuschen: Die anstehenden ökologischen Herausforderungen sind so gewaltig und die Widerstände so groß, dass es eine mutigere, konfliktbereitere und bisweilen kampfeslustigere Anwältin der Umwelt im Kabinett braucht als die, die wir bislang erleben. Die gezielte Provokation Klöckners beim Insektenschutzgesetz wird hierfür die nächste Bewährungsprobe.

Das Verbot kann helfen, öffentlichen Druck aufzubauen

Auch über das nun beschlossene Verbot ließe sich lange diskutieren. Die Übergangsfrist ist großzügiger als zunächst von der Kommission gewollt, die vor Blei geschützten Pufferzonen um Feuchtgebiete sind auf Druck der Lobby zusammengeschrumpft und – vielleicht am schmerzhaftesten – das Besitzverbot für Bleimunition wurde gekippt und macht eine Kontrolle sehr schwer, manche sagen unmöglich. Dennoch: Das Verbot ist ein wichtiger Beschluss für alle, die ein völliges Bleiverbot in der Jagd anstreben.

Um nichts weniger muss es jetzt gehen. Diese »große Restriktion« wird gerade von der Kommission vorbereitet und allein der Auswahlprozess der beteiligten Experten zeigt, wie hart die Bleifreunde diesen Konflikt austragen werden. Zivilgesellschaft, Vogel- und Naturschützer sollten die aktuellen Beschlüsse nutzen, um die Forderungen nach einem vollständigen Verbot von Bleikugeln und Bleischrot auch außerhalb von Feuchtgebieten mit öffentlichem Druck zu begleiten.

Der Text ist ursprünglich auf »riffreporter.de« unter dem Titel »Ein Etappensieg der Vernunft – aber mehr nicht« erschienen und wurde für »Spektrum.de« angepasst.

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