Direkt zum Inhalt

Hemmer und Meßner erzählen: Kleine Geschichte einer Domkuppel, die ein Quereinsteiger baute

Brunelleschi war kein Architekt, dennoch ergatterte er den Auftrag für den Kuppelbau zu Florenz. Entgegen den Machenschaften eines alten Widersachers, wie unsere Kolumnisten erzählen.
Der Dom von Florenz, Santa Maria del Fiore, im Jahr 2021.
Der Dom Santa Maria del Fiore in Florenz im Jahr 2021.

Jede Stadt hat ihr Wahrzeichen, wobei manche beeindruckender sind als andere – wie die Kuppel des Doms von Florenz. Das Besondere an diesem Bauwerk: Kein Architekt hatte sie geplant oder den Bau beaufsichtigt, sondern ein Goldschmied namens Filippo Brunelleschi (1377–1446).

Die Geschichte des Doms begann allerdings Jahrzehnte bevor Brunelleschi auf die Welt kam. Im 13. Jahrhundert war Florenz die Hauptstadt der florentinischen Republik. Und wie andere Republiken Nord- und Mittelitaliens auch wollte sie ihren Status, ihren Reichtum und ihre Macht imposant zur Schau stellen. Vor allem Konkurrenten wie Venedig oder Pisa sollten beeindruckt sein, dass Florenz mit ihnen mithält. Also beschloss man im Jahr 1296, einen Dom zu bauen. Am Ort der Bischofskirche Santa Reparata wurde der Grundstein gelegt, die Aufgabe des Architekten übernahm Arnolfo di Cambio. Er sollte einer von vielen Baumeistern sein.

Die beiden Historiker Richard Hemmer und Daniel Meßner bringen jede Woche »Geschichten aus der Geschichte« in ihrem gleichnamigen Podcast. Auch auf »Spektrum.de« blicken sie mit ihrer Kolumne in die Vergangenheit und erhellen, warum die Dinge heute so sind, wie sie sind.
Alle bisherigen Artikel der Kolumne »Hemmer und Meßner erzählen« gibt es hier.

Kriege mit anderen Republiken und die Pest, die 1347 bis zu ein Fünftel der Bevölkerung dahinraffte, sorgten allerdings dafür, dass die Kathedrale erst Anfang des 15. Jahrhunderts in ihrer ganzen Pracht stand. Sie erhielt den Namen Santa Maria del Fiore.

Doch eine Sache fehlte noch, die Kuppel. Bis 1418 klaffte ein riesiges Loch mit einem Durchmesser von 45 Metern über dem Kirchenbau. Denn es gab schlicht keinen Plan, wie eine Kuppel in solchen Dimensionen tatsächlich baulich zu bewerkstelligen sei.

Kein Plan, wie man eine Domkuppel baut

Die übliche Bauweise mit einem Holzgerüst, um die Bögen zu stützen, hätte zu viel Holz benötigt. Zudem hätte das Gerüst auf Grund der Bauweise mindestens 16 Monate stehen bleiben müssen. In der Zeit wäre das Holz wohl morsch geworden. Doch auch die Konstruktion selbst versprach nicht sicher genug zu sein. Eine solche Kuppel hätte durch ihr Eigengewicht zu viel Druck auf die Mauern ausgeübt. Es bestand daher die Gefahr, dass das gesamte Gebäude durch die Kuppel zum Einsturz gebracht würde.

Ein neuer Plan musste her. Die Opera, jene Organisation, die mit dem Bau der Kathedrale betraut war, rief deshalb einen Wettbewerb aus. Gesucht wurde eine realisierbare Konstruktion für die Kuppel. Und als Preisgeld lockte die hohe Summe von 200 Florentinern.

Es war die Stunde des Filippo Brunelleschi. Als ausgebildeter Goldschmied waren ihm Wettbewerbe nicht fremd. Knapp 17 Jahre zuvor, 1401, hatte Brunelleschi in einem Wettstreit gegen den Goldschmied Lorenzo Ghiberti (1378–1455) verloren. Damals ging es um die Türen des Baptisteriums, quasi das Kerngeschäft der beiden. Nun war aber eine bisher noch nie da gewesene architektonische Leistung gefragt.

Brunelleschi sah seine Chance: Das vergangene Jahrzehnt hatte er auf Reisen verbracht, einen Großteil davon in Rom. Dort studierte er – ganz im Sinne der aufkeimenden Renaissance – antike Bauwerke oder zumindest das, was davon übrig war.

Die Kuppel ließ sich ohne Holzgerüst bauen

Brunelleschi reichte schließlich neben den besten Architekten der Toskana seinen Vorschlag ein. Er wollte nicht eine, sondern gleich zwei Kuppeln bauen, eine so genannte Doppelschale. Um der Gefahr eines Einsturzes entgegenzuwirken, sollten die Mauern wie bei einem Fass mit Ankern und Ketten aus Eisen und Holz gesichert werden. Ein traditionelles Holzgerüst, um die im Bau befindliche Kuppel zu sichern – das war wohl der springende Punkt –, wurde für seine Pläne nicht benötigt.

Seine Teilnahme am Wettbewerb erregte allerdings Argwohn, denn Brunelleschi hielt sich, was die Details anging, sehr bedeckt. Nicht ganz unberechtigt fürchtete Brunelleschi ständig den Diebstahl seiner Ideen. Schließlich einigte sich die Opera auf einen Kompromiss: Brunelleschis Plan wurde weitgehend übernommen, doch die Opera stellte ihm einen zweiten Bauleiter zur Seite – niemand anderen als Brunelleschis Gegenspieler von 1401, Lorenzo Ghiberti.

Filippo Brunelleschi (1377–1446) | Das Porträt des Goldschmieds und Baumeisters ist Teil eines Gemäldes im Louvre. Es stammt aus Florenz und entstand im 16. Jahrhundert.

Der Bau der Kuppel sollte noch weitere 16 Jahre benötigen. Eine lange Zeit, in der Ghiberti wiederholt versuchte, Brunelleschi zu verdrängen. Womöglich auch, weil er bemerkte, dass jener der weitaus fähigere und erfinderischere Baumeister war. So konstruierte er zum Beispiel ein Ochsengespann, das mit einer Art Rückwärtsgang versehen war. Brunelleschi hatte erkannt, dass die zu jener Zeit vorherrschenden Göpel, die aus einer Art Laufrad mit Getriebe bestanden, nicht dazu geeignet waren, Lasten aus der Höhe der Kuppel abzusenken. Brunelleschis Ochsengespann mit Gangschaltung machte dies aber möglich, sogar ohne die Ochsen umspannen zu müssen.

Ebenso stellte sich die Konstruktion der Kuppel als ein wahrhaftiges Meisterwerk heraus. Die Ziegel für die innere Kuppel wurden in einem Fischgrätenmuster gelegt, dem so genannten Opus spicatum. Das erhöhte die Stabilität der Konstruktion und half dabei, den Einsturz der Kuppel zu vermeiden.

Brunelleschi entledigte sich seines Widersachers

Ghiberti und seinen störenden Einfluss soll Brunelleschi schließlich mit einer List losgeworden sein. Er stellte sich eines Tages krank und ließ Ghiberti an seiner statt wichtige Holzbalken einziehen – in dem Wissen, dass sein Widersacher dazu nicht in der Lage war. Plötzlich genesen, erschien Brunelleschi auf der Baustelle, beklagte lautstark die mangelhafte Arbeit Ghibertis und sorgte so dafür, dass dieser seiner Position enthoben wurde. Brunelleschi konnte nun die Arbeit an der Kuppel unbehelligt beenden. Und so wurde schließlich am 25. März 1436, 140 Jahre nach der Grundsteinlegung, die Kathedrale eingeweiht.

Mit dem Laternenaufbau, der das ohnehin schon höchste Bauwerk der Stadt auf 114 Meter anwachsen lassen sollte, wartete man noch zehn Jahre. Doch kurz nach Baubeginn am 15. April 1446 starb Brunelleschi. Sein damals hohes Ansehen zeigte sich darin, dass er in der Krypta des Doms bestattet wurde. Eine solche Ehre wurde nur den wichtigsten Bewohnern der Stadt zuteil, in diesem Fall einem Goldschmied und autodidaktischen Architekten.

Die Kuppel hat Brunelleschi berühmt gemacht. Vor allem gilt er heute als einer der ersten Renaissance-Architekten. Wie der Kunsthistoriker und Autor Ross King in seinem Buch »Brunelleschi's Dome« schreibt, war dies ungeachtet der Tatsache geschehen, dass es sich bei der Kuppel eigentlich nicht um ein Renaissance-Bauwerk handelt. Im Gegensatz zur Kuppel des römischen Pantheons, an der sich Brunelleschi möglicherweise orientiert hatte, besteht die Kuppel von Santa Maria del Fiore tatsächlich aus vier Bögen und damit aus einzelnen Teilen.

Dennoch gilt Brunelleschi als geradezu prototypischer Renaissance-Mensch, weil er spielerisch verschiedene Disziplinen miteinander verschränkte und sich antike Bauten zum Vorbild nahm. Die Idee der Renaissance sollte die nächsten zwei Jahrhunderte prägen. Nicht nur in Florenz, sondern im ganzen mitteleuropäischen Raum.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.