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Hemmer und Meßner erzählen: Kleine Geschichte eines Elektropioniers, der das erste E-Auto baute

Gustave Trouvé. Den meisten dürfte der Name kein Begriff sein, dabei war der französische Erfinder der Urvater des elektrischen Fahrzeugs, wie unsere Kolumnisten erzählen.
Das ist eines der ersten elektrisch betriebenen Fahrzeuge, die je gebaut wurden: das Tricycle von William Ayrton und John Perry.
Das sollen William Ayrton und John Perry sein, die eines der ersten elektrisch betriebenen Fahrzeuge gebaut haben. Es ist nicht das Gefährt von Gustave Trouvé, der wohl das allererste E-Fahrzeug entwickelte. Von seinem »Trouvé Tricycle« gibt es aber kaum ansehnliche Abbildungen.

Das 19. Jahrhundert war voll mit Erfindungen und Entwicklungen. Eine davon war der Elektromotor. Denn nicht nur heute, sondern schon damals waren elektrisch betriebene Gefährte und Geräte weit verbreitet. Der Erfinder jenes Antriebs ist allerdings wenigen Menschen heute so bekannt, wie er es eigentlich sein sollte: der Franzose Gustave Trouvé, der das erste Elektrofahrzeug der Welt entwickelte.

Trouvé, der im kleinen Ort La Haye-Descartes 1839 als Sohn eines wohlhabenden Viehhändlers zur Welt kam, war zwar ein eher mäßig guter Schüler, dafür zeigte sich schon früh sein Talent für Technik. Mit sieben Jahren soll er bereits eine kleine Dampfmaschine entwickelt haben. Als sich der 20-jährige Trouvé dann 1859 in Paris niederließ, machte er sich mit äußerst ausgefallenen Schmuckstücken einen Namen: Broschen und Figürchen mit schlagenden Flügeln oder kleine Kaninchen, die eine Trommel rühren, die von einer von Trouvé entwickelten Batterie angetrieben wurden. Der Erfinder hatte die Batterie, die er 1865 patentieren ließ, so konstruiert, dass sie nicht auslaufen konnte. Sie war damit ideal für den Transport.

Die beiden Historiker Richard Hemmer und Daniel Meßner bringen jede Woche »Geschichten aus der Geschichte« in ihrem gleichnamigen Podcast. Auch auf »Spektrum.de« blicken sie mit ihrer Kolumne in die Vergangenheit und erhellen, warum die Dinge heute so sind, wie sie sind.
Alle bisherigen Artikel der Kolumne »Hemmer und Meßner erzählen« gibt es hier.

Trouvé fand bald nach seiner Ankunft in Paris neue, wichtige Freunde, darunter den Autor Jules Verne (1828–1905) und den Vicomte Gustave de Ponton d'Amécourt (1825–1888). Mit Letzterem teilte er das Interesse an Flugkörpern, die schwerer als Luft sind. D'Amécourt gilt als der Erfinder des Wortes »Helikopter«, das er aus den griechischen Wörtern für Spirale und Flügel zusammensetzte – Leonardo da Vinci hatte hier allerdings mit seinem »Helix Pteron« schon Vorarbeit geleistet.

Kurz nachdem Trouvé sein erstes Patent angemeldet hatte, gründete er gemeinsam mit seinem Bruder ein eigenes Unternehmen. Als Markennamen wählte er »G. Trouvé«. Daran ließ sich Trouvés spielerische Art erkennen, denn französisch ausgesprochen klingt es wie »J'ai trouvé«, also »Ich habe (es) gefunden«. Es ist das französische Pendant zum berühmten »Heureka« des Archimedes.

Vom Metalldetektor bis zum Endoskop

Im Lauf seines Lebens hat Trouvé viele Dinge erfunden. So stellte er bei der Weltausstellung von 1867 in Paris ein Gewehr aus, das mit einer Batterie betrieben wurde. Parallel arbeitete er an einem medizinischen Gerät, einer Art Miniaturmetalldetektor, der es Chirurgen erlaubte, Projektile im menschlichen Körper zu finden, um sie zielgerichtet entfernen zu können. Als 1870 der Deutsch-Französische Krieg ausbrach, nutzten französische Ärzte ausgiebig seine Erfindung.

Trouvé entwickelte auch einen portablen Telegraphen. Das Gerät erregte großes Interesse bei der französischen Armee, die umgehend 120 Stück bei Trouvé bestellte. Weil das Baumaterial jedoch fehlerhaft war, verzögerte sich die Produktion. Am Ende konnte Trouvé nur 25 Stück ausliefern. Der erhoffte Vorteil im Krieg verpuffte. Bald danach 1871 kapitulierte die französische Regierung.

Eine bedeutende Erfindung Trouvés war sein Polyscop. Sie bestand aus einer Lichtquelle betrieben von einer seiner kleinen Batterien. Das Gerät sollte bei der medizinischen Diagnostik helfen – es war quasi ein Vorläufer des Endoskops. Als er es bei der Wiener Weltausstellung 1873 zeigte, erhielt er dafür prompt eine Auszeichnung vom österreichischen Kaiser Franz Joseph I. Trouvé baute noch eine weitere Lampe für medizinische Zwecke, die er gemeinsam mit einem Arzt entwickelt hatte. Es war eine Art Stirnlampe, die er »Photophore« taufte. Sie wurde zum Verkaufsschlager seiner Firma.

Trouvé baute ein elektrisch betriebenes Dreirad

Das war aber noch längst nicht alles. Trouvé widmete sich ab den 1880er Jahren einem Bereich, der im Paris jener Zeit wohl einer der wichtigsten war: dem Transportwesen. Damals fuhren vor allem Pferdekutschen in der Stadt, mit Dampf wurden nur Fernzüge betrieben, und auf der Seine schipperten lediglich vereinzelt Dampfschiffe.

Trouvé nahm sich einen von Siemens erfundenen Elektromotor vor, verkleinerte ihn und verbaute seine Version in ein Fahrzeug: ein Tricycle, ein Dreirad mit Sitzfläche und Lenkrad. Als Batterie nutzte er eine Erfindung, die nicht von ihm, sondern vom bekannten Physiker Raymond Louis Gaston Planté (1834–1889) stammte.

Das erste E-Fahrzeug | Im Jahr 1881 hatte der Erfinder Gustave Trouvé ein E-Automobil entwickelt. Eine erste Testfahrt absolvierte er mit seinem Tricycle in Paris.

Die Jungfernfahrt dieses Gefährts wurde in den Pariser Zeitungen wohlwollend beschrieben. Und obwohl Trouvé damit das offiziell erste Elektrofahrzeug entwickelt hatte, ließ er es nie patentieren. Wie der Verkehrshistoriker Kevin Desmond in seinem Buch »Gustave Trouvé – French Electrical Genius (1839–1902)« schreibt, lässt sich nur spekulieren, weshalb er das nicht getan hat. Desmond geht davon aus, dass es mit einem anderen Patent zu tun hatte, das ein gewisser Louis-Guillaume Perreaux (1816–1889) nur wenige Jahre zuvor eingereicht hatte – für ein dampfbetriebenes Fahrrad. Womöglich blockierte dieses Patent eine Lizenz für das »Trouvé Tricycle«.

Nach dem E-Auto kam das E-Boot

Es kann aber auch gut sein, dass Trouvé einfach das Interesse verloren hatte. Nur wenige Monate später präsentierte er nämlich ein weiteres elektrisch betriebenes Gefährt. Diesmal nicht auf den Straßen von Paris, sondern auf der Seine: ein Boot!

Wieder mit Batterien von Planté und seinem eigenen Elektromotor versehen, verlief die Jungfernfahrt erfolgreich. Am 8. Mai 1880 reichte Trouvé sein erstes Patent für ein E-Boot ein. Im Gegensatz zum erfolglosen Tricycle wurden in den darauf folgenden Jahrzehnten hunderte Boote – vom Ausflugsschiffchen bis hin zur Luxusjacht – mit Trouvés Motoren ausgestattet. Indem er einen Propeller an seinen Motor installierte, erfand Trouvé auch gleich noch den ersten Außenbordmotor.

Im Lauf seines Lebens reichte Trouvé mehr als 300 Patente ein, vom elektrisch betriebenen Flugkörper über weitere E-Gewehre bis hin zu diversen Variationen seiner medizinischen Diagnosegeräte. Eine seine Erfindungen wurde sogar zum Bühnenstar: Im Jahr 1883 feierte ein Stück von Jules Verne in Paris Premiere. Am Kopf einer Darstellerin funkelte ein hell erleuchteter Diamant – tatsächlich war es geschliffenes Glas, das Trouvé mit einer Batterie beleuchtete. Die Presse überschlug sich so sehr mit Lob für das Kleinod, dass Jules Verne – wohl aus Neid – weitere Aufführungen mit dem Schmuckstück untersagte. Hätte er besser nicht getan: Das Theaterstück wurde nach nur 49 Aufführungen abgesetzt.

Als Trouvé im Juli 1902 im Alter von 61 Jahren starb, hatte er den Großteil der vorherigen zwei Jahrzehnte kaum noch an bahnbrechenden Erfindungen gearbeitet, sondern vor allem an elektrifiziertem Spielzeug gebastelt. Vielleicht war dies ein Grund, weshalb er relativ schnell in Vergessenheit geriet. Auch könnte es eine Rolle gespielt haben, dass seine Patente ausliefen und sein Grab nach einigen Jahrzehnten auf Grund fehlender Zahlungen aufgelassen wurde.

Nur der akribischen Arbeit von Kevin Desmond in den 2010er Jahren ist es zu verdanken, dass Trouvé heute wieder eine gewisse Bekanntheit erlangt hat. Zwar werden wohl nie so viele Straßen nach ihm benannt sein wie nach seinem US-amerikanischen Erfinderkollegen Thomas Edison (1847–1931), doch zumindest erinnern inzwischen Plaketten in seinem Geburtsort und am Haus seiner Werkstatt in Paris an einen der erfolgreichsten Erfinder des 19. Jahrhunderts.

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