Klimawandel: Willkommen auf einem fremden Planeten
Das Wetter kann durchaus täuschen. Als wir am letzten Sonntag bei strömendem Regen und ziemlich kalten Wind morgens um sieben auf einer Wiese in der Nähe von Cuxhaven unsere Zelte abbauten und völlig durchnässt unsere Festivalausrüstung zum Auto schleppten, fühlte es sich nicht nach dem heißesten Juli seit Jahrtausenden an. Aber das ist der Juli 2023, global betrachtet. Schon jetzt ist nahezu sicher, dass dieser Monat alle bisherigen Temperaturrekorde brechen wird. Die ersten 23 Tage des Monats waren mit 16,95 Grad Celsius ein gutes Drittel Grad heißer als der bisher heißeste Monat. Es ist nur der neueste in einer ganzen Serie von absurden Klimarekorden in diesem Jahr. Das alles zeigt nachdrücklich: Die Wiese, auf der ich gezeltet habe, liegt inzwischen auf einem fremden Planeten.
Das Klima der vergangenen 10 000 Jahre war gut zu uns Menschen, alles in allem. Vom Beginn des Ackerbaus über die ersten Städte bis zu Großreichen und schließlich zur Industrialisierung mit ihrem enormen Bevölkerungswachstum profitierte die Menschheit vom milden und stabilen Klima des Holozäns. Das ist nun vorbei. Es ist nicht nur die globale Durchschnittstemperatur, die sich inzwischen weit jenseits dessen bewegt, was über lange Zeit normal war. Es sind auch die lokalen und regionalen Ereignisse, die nicht mehr den vertrauten Mustern und Statistiken gehorchen.
Vom Südpolarmeer mit seiner ungewöhnlich geringen Eisbedeckung über Jahrhundertfluten, Hitzerekorde auf mehreren Erdteilen und – noch besorgniserregender – in den Weltmeeren bis hin zu verschwindenden Gletschern: Die Welt hat sich fast überall verändert. Keineswegs alles davon ist ein einzigartiger Rekord wie der heiße Juli 2023. Wetterextreme gab es schon immer, und zu früheren Zeiten waren ihnen Menschen viel schutzloser ausgeliefert als heute. Und wie der Blick aus dem Fenster in den Regen beweist, bedeutet ein global heißer Monat keineswegs überall Wüstenklima. Deswegen erscheint vieles erst einmal womöglich nicht allzu dramatisch.
Die Vergangenheit ist verloren – die Zukunft nicht
Doch wenn man misst, zählt, rechnet und vergleicht, erscheint das, was derzeit auf der Erde vor sich geht, immer ungewöhnlicher. Und das liegt eben daran, dass eine Welt mit mehr Treibhausgasen und höheren Temperaturen eine andere ist – eine, mit der wir uns nun arrangieren müssen. Rückgängig zu machen sind viele dieser Veränderungen nicht mehr. Das bedeutet zuerst einmal, zu akzeptieren, was gerade passiert: Wir bewegen uns mit jedem zusätzlichen Kilogramm CO2 weg von unserem vertrauten Klima hin zu einer Welt, von der wir nur sehr vage wissen, wie sie aussieht – und wie wir gut in ihr leben können.
Denn das ist ja letztendlich das Ziel des Klimaschutzes: Die Welt in einem Zustand zu erhalten, der für uns Menschen weiterhin auskömmlich ist. Idealerweise wäre das ein Klima ähnlich jenem der letzten rund 10 000 Jahre, in dem alles so weiterliefe wie bisher – nur vielleicht ein bis anderthalb Grad wärmer. Doch das erscheint angesichts der immer deutlicher werdenden Veränderungen der Welt zunehmend unwahrscheinlich. Die Erde der Zukunft wird deutlich anders sein, als frühere Generationen sie kannten.
Das muss keineswegs heißen, dass alles in einer Katastrophe endet. Wir haben gute Chancen, dass die Menschheit auch auf einem wärmeren Planeten gedeiht. Nur, dafür müssen wir die Zukunft auf diesem fremden Planeten gemeinsam aktiv gestalten: Risiken mindern, Chancen nutzen und vor allem verhindern, dass die physikalischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels unsere Fähigkeiten übersteigen, die Veränderungen zu bewältigen. Die erste, wichtigste Aufgabe dabei bleibt allerdings, den Ausstoß an Treibhausgasen so schnell wie möglich und so stark wie möglich zu verringern. Damit uns unser Heimatplanet nicht noch fremder wird.
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