Storks Spezialfutter: Wie der Ukrainekrieg die Energiewende vorantreibt
Es steht nicht gut um die Welt: Russlands Angriff auf die Ukraine hat die politische Ordnung ins Wanken gebracht und könnte eine gewaltige Hungersnot auslösen. Das Coronavirus ist auch im dritten Jahr der Pandemie noch ziemlich virulent und beschert Deutschland Inzidenzen jenseits der 600. Die Energie- und Lebensmittelpreise schießen in die Höhe und gefährden den sozialen Frieden im Land.
Und da ist noch die Sache mit dem Klima. Durch das aktuelle Weltgeschehen ist die Klimakrise in den vergangenen Monaten ziemlich aus dem Fokus gerutscht. Schafft sie es doch mal in die Nachrichten, dann eher als Nebendarstellerin. Etwa, wenn auf Grund des Ukrainekriegs längere Laufzeiten für Kohlekraftwerke beschlossen werden, wodurch die Klimaziele erst einmal ins Hintertreffen geraten. Zudem dürfen nun EU-weit ökologische Vorrangflächen für die Gewinnung von Futtermitteln genutzt werden. Das ist schlecht für den Artenschutz und für die Klimabilanz.
Ausreichend Mittel für die Eindämmung des Klimawandels zusammen zu bekommen, war bislang immer eine unmögliche Aufgabe. Daran ändert auch nichts, dass es aktuell wegen Hitzewellen und Waldbränden wieder Sondersendungen und Liveticker zur Klimakrise gibt. Das ist jeden Sommer so, wenn die Temperaturen für ein paar Tage über 30 Grad liegen. Und mit der Abkühlung im Herbst erneut vergessen.
Umso erstaunlicher ist es deshalb zu sehen, wie schnell die Politik (manchmal) das Portemonnaie zückt, um auf akute Herausforderungen zu reagieren: 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die marode Bundeswehr? Kein Problem! Angesichts der Versäumnisse der Vergangenheit und der aktuellen Bedrohungslage ist das eine sinnvolle Investition. Gleiches lässt sich auch über die Klimakrise sagen. Dennoch ist sie bei der Verteilung von Geldern erneut übergangen worden. Und weil so viel Geld in die Landesverteidigung und in die Unterstützung der Ukraine fließt, wird es in Zukunft wohl eher kein Sondervermögen zur Bekämpfung des Klimawandels geben.
Heute passiert, was noch vor ein, zwei Jahren als unvorstellbar galt
Angesichts dieser Gemengelage gibt es bei der Bekämpfung der Erderwärmung aber nicht nur schlechte Nachrichten: So läuft unter anderem die Loslösung aus der russischen Gasabhängigkeit auf Hochtouren. Trotz längerer Laufzeiten für Kohlekraftwerke und neu entstehende LNG-Terminals werden genau jetzt die Pflöcke für die notwendige Energiewende eingeschlagen. Und das in einer Größenordnung, die vor ein, zwei Jahren noch unvorstellbar war.
Vor Kurzem hat die Bundesregierung das Wind-an-Land-Gesetz vorgelegt. Mit sehr ambitionierten Zielen und ein paar mitgelieferten Daumenschrauben, mit denen die Ziele auch wirklich erreicht werden können: Bis 2030 soll sich die installierte Leistung von Windenergieanlagen an Land verdoppeln! Bis spätestens 2032 sollen zwei Prozent der Landesfläche für Windparks zur Verfügung stehen. Aktuell sind es lediglich 0,5 Prozent. Die Länder müssen sich also mit der Ausweisung von genügend Windeignungsgebieten beeilen.
In »Storks Spezialfutter« geht der Umweltjournalist Ralf Stork diesen Fragen einmal im Monat auf den Grund.
Werden nicht genügend Flächen ausgewiesen, soll nach dem Gesetz der Bau von Windkraftanlagen außerhalb von Schutzgebieten überall möglich sein. Und auch die Mindestabstände von Windkraftanlagen zu Siedlungen – vor allem in Bayern ein Thema und Bremsklotz – sollen gekippt werden. Im Prinzip dürfen die Länder weiter solche Abstände festlegen. Verfehlen sie aber die anvisierten Flächenziele, darf auch dichter an die Wohnhäuser herangebaut werden.
Das ambitionierte Osterpaket der Bundesregierung zum beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien ist gerade vom Bundestag verabschiedet worden. Und auch beim Ausbau der Solarenergie zeichnet sich schon jetzt ein Rekordjahr in Deutschland ab: Anfang Juli speisten Solaranlagen in Deutschland mit 36 628 Megawatt so viel Strom in die Netze ein wie nie zuvor. Allein im ersten Halbjahr 2022 wurden etwa 141 000 neue Anlagen mit einer Leistung von 3900 Megawatt gebaut. Das ist ein Zuwachs um 34,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Die Entwicklung wird vom Strompreis getrieben: Durch den Ukrainekrieg gab es bei ohnehin schon hohem Preisniveau im April noch einmal einen Sprung auf im Schnitt rund 37 Cent je Kilowattstunde. 2021 zahlten Verbraucher 32 Cent pro Kilowattstunde. Damit ist Energie ist so teuer geworden, dass sich die Investition in erneuerbare Energien für Privathaushalte rechnet und auch für Investoren wieder deutlich attraktiver geworden ist. Der Krieg hat den Energiemarkt mit hohen Preisen und machtpolitischen Notwendigkeiten insgesamt so stark in Richtung Erneuerbare gerückt, wie die Politik allein es sich auf absehbare Zeit nicht getraut hätte.
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