Ein Komet für den Klimawandel: »Don't Look Up« nimmt es mit Wissenschaftsleugnern auf
Netflix' »Don't Look Up« ist kein seichter Unterhaltungsfilm. Es ist eine Satire, die sich mit Ironie, Übertreibung und schmerzhaft beißendem Humor all jenen widmet, die wissenschaftliche Erkenntnis nicht schätzen, zum eigenen Vorteil verbiegen wollen oder gar leugnen. »›Dont Look Up‹ ist einer der wichtigsten Beiträge der jüngsten Zeit zur Popularisierung der Wissenschaft«, formulierte es Rebecca Oppenheimer, Kuratorin und Professorin für Astrophysik am American Museum of Natural History, in ihrem Gastbeitrag für den »Scientific American«. Korrekt.
Die Macher von »Don't Look Up« nehmen es nicht nur mit Wissenschaftsleugnern auf, sie führen sie gnadenlos vor. Mit Leonardo DiCaprio, Jennifer Lawrence und Meryl Streep erreicht der starbesetzte, entlarvende Film über die Streamingplattform auch ein Publikum, das bis dahin nur wenig Erfahrungen mit wissenschaftlicher Forschung gehabt haben dürfte. Und was auf den ersten Blick als überzogener Kometen-Katastrophenfilm daherkommen mag, ist in Wahrheit das erschreckende Abbild einer Menschheit, die durchzogen ist von Persönlichkeiten und Strukturen, die dazu beitragen, eine wahrhaftige Bedrohung für das Leben, wie wir es kennen, auf diesem Planeten nicht ernst zu nehmen: den Klimawandel.
Die Handlung des Films ist schnell erzählt. Die Astronomiestudentin Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence) entdeckt einen Kometen. Als sie mit ihrem Professor Randall Mindy (Leonardo DiCaprio) die Flugbahn berechnet, stellt sie fest, dass der Komet in rund sechs Monaten die Erde treffen wird. Der Himmelskörper hat einen Durchmesser von sechs bis neun Kilometern, was ihn laut NASA zum einem »Planeten-Killer« macht. So weit, so möglich; als ein vergleichbarer Meteorit vor 66 Millionen Jahren auf der Erde einschlug, löschte das nach derzeitiger Kenntnis nicht nur die Dinosaurier aus. Megaexplosion, Tsunami, Riesenbrand – den darauf folgenden Wandel des Klimas überlebten zahlreiche Tiere und Pflanzen nicht.
Im Film jedenfalls versuchen die Astronomen die von Meryl Streep gespielte Präsidentin auf das bevorstehende Ende aufmerksam zu machen. Ein alles vernichtender Komet wird auf der Erde einschlagen, betont das Forscherteam: »Zu 99,78 Prozent, um genau zu sein.« – »Sagen wir 70 Prozent, und weiter geht's«, erklärt die Präsidentin, schließlich könne man den Menschen nicht sagen, dass sie sterben werden. Außerdem stehen Zwischenwahlen an. »Wir bewahren Ruhe und sondieren.«
Bitte, was?
Dibiasky und Mindy entscheiden sich, selbst an die Öffentlichkeit zu gehen. Doch der als Scoop geplante Auftritt im Morgenfernsehen läuft nicht glatt – Dibiasky fügt sich nicht in das Format und ist ehrlich panisch, statt Sorgen wegzulächeln. Wer will schon Weltuntergang zum Frühstück? Es entwickelt sich eine empörende, aber in Zeiten von Fake News, Unterhaltungsjournalismus, Memes, Staatsoberhäuptern à la Donald Trump und vielerorts noch immer mangelndem Verständnis für wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn erschreckend glaubwürdige Geschichte.
Schmerzhaft eindrücklich zeigt »Don't Look Up« nicht nur, wie schnell Fakten zu Meinungen instrumentalisiert werden, sondern auch, welch dramatische Folgen es hat, belastbare wissenschaftliche Erkenntnis als solche zu verkennen. Glücklicherweise ist die Story witzig erzählt.
Astrophysik + Gesellschaftskritik + Scientfic Community = »Don't Look Up«
Astrophysiker dürften sicherlich einige Szenen bemängeln. »Aber«, schreibt auch Astrophysikerin Oppenheimer, »diese schaden dem Zweck des Films nicht; erst recht nicht wenn man bedenkt, wie Kino und Wissenschaft funktionieren«. Ein professioneller Astrophysiker müsse während der insgesamt 138 Minuten nur wenige Minuten Ungenauigkeit aushalten.
Das ist Amy Mainzer zu verdanken. Regisseur Adam McKay hatte darauf bestanden, eine praktizierende Wissenschaftlerin an der Produktion zu beteiligen. Mainzer ihrerseits ist die leitende Forscherin für die NEOWISE-Mission der NASA, deren Aufgabe es ist, erdnahe Objekte (NEOs) zu finden und zu charakterisieren. Als »astrotechnische Beraterin« des Films checkte sie Fakten und schrieb an Szenen mit.
So manche Ereignisse im Film lassen Wissenschaftsenthusiasten, Wissenschaftlerinnen und, ja, Wissenschaftsjournalistinnen das Herz aufgehen, auch weil einige Szenen ihre eigenen Erlebnisse perfekt wiedergeben. Etwa wenn Mindy immer wieder nach seiner »Geschichte«, nicht nach seiner »Entdeckung« gefragt wird; er hat sich schließlich kein Märchen ausgedacht, sondern Daten parat. Oder wenn der Plan zur Rettung der Erde auf nicht peer-reviewten Zahlen einer Firma beruht, die ihre Berechnungen wohlweislich mit namhaften Forscherinnen und Forschern schmückt, um sie als zwar ungeprüfte, aber glaubhafte Publikation zu vermarkten. Oder wenn Entscheider lieber doch noch eigene Forscher hinzuziehen, weil die Fachleute einfach nicht sagen, was man hören möchte.
»Don't Look Up« handelt nicht nur von Kometen, sondern auch vom Klimawandel
Nun ist ein Planeten vernichtender Komet in vielerlei Hinsicht etwas anderes als die globale Erderwärmung. Während solch ein Objekt mit einem Schlag den Planeten verändern kann, vollzieht sich der Klimawandel über einen deutlich längeren Zeitraum. Auch ist es unwahrscheinlich, dass Letzterer alles Leben auslöscht; das zeigt die 3,5 Milliarden Jahre lange Geschichte des Lebens auf der Welt. Und doch funktioniert »Don’t Look Up« als eine mustergültige Parabel für unnötige Klimawandel-Diskussionen, die davon abhalten, zu handeln.
So gibt es zum einen noch immer Menschen, die behaupten, die Menschheit habe keinen signifikanten Beitrag zur Klimaerwärmung geleistet. Außerdem kursieren Gerüchte, gezielte Manipulation und Lügen würden die wissenschaftliche Debatte steuern. Dabei haben Fachleute über Jahrzehnte in zahlreichen Studien und Metaanalysen belegt, dass der Klimawandel stattfindet und vom Menschen stark beeinflusst ist. So steht es auch im aktuellen Bericht des unabhängigen Weltklimarats. Dennoch gibt es, in der Wirklichkeit ganz wie im Film, Staatsoberhäupter, Entscheider, Institutionen und Wählende, die den eigenen Profit und Status über das zukünftige Wohl aller stellen.
Zur Argumentation berufen sich Skeptiker und Leugner etwa auf vermeintliche Experten ohne relevante Qualifikation, so wie in »Don’t Look Up« das Wort von Joycelin Calder auf Grund ihrer Position mehr zählt als das von Dibiasky, Mindy und zahlreichen weiteren Fachkundigen, die seit Jahrzehnten auf dem Gebiet forschen. Und das, obwohl sie bloß eine gelernte Anästhesiologin und – Achtung, Überhöhung! – Geldgeberin der Präsidentin ist. Man will hervorragende Naturwissenschaftler persönlich diskreditieren. »Wie bitte? Sagten Sie ›Michigan State‹?« Oder, auch schön: Wie ernst ist jemand zu nehmen, der nicht nur die Entdeckung gemacht hat, sondern nach dem der Komet auch noch benannt wurde? Dabei ist dies das übliche Prozedere.
Andere, die den Klimawandel verkennen, nutzen Strohmann-Argumente, widerlegen also Scheinargumente, welche nie von der Klimaforschung vorgebracht wurden. Oder sie bedienen sich des Cherry-Pickings, womit das gezielte Weglassen unliebsamer Daten und Befunde gemeint ist. Auch hier liefert »Don't Look Up« eindrückliche Beispiele, etwa wenn es heißt, der Komet könne doch auch etwas Gutes bieten und man könne ihn nutzen. Was theoretisch möglich ist, aber eben das Risiko birgt, dass alles Leben, wie man es kennt, zerstört wird.
Es sind Momente, die den Film kurzzeitig unerträglich machen. Sie machen fassungslos. Wütend. Ratlos. Und spornen an, nicht aufzugeben.
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