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H5N1: Kurzsichtig und gefährlich

Behörden und Forscher rufen dazu auf, Forschungsergebnisse zu einem gefährlichen Influenzavirus nicht zu veröffentlichen. Doch Zensur ist der falsche Weg.
Lars Fischer

Vor 14 Jahren tauchte in Asien ein Grippestamm mit dem Serotyp H5N1 auf, der sich seither unter Vögeln ausbreitet, aber nur selten auf Menschen überspringt – doch dann mit dramatischem Effekt: Etwa 60 Prozent aller Infizierten sterben. Die gute Nachricht war bisher, dass der gefährliche Erreger nicht von Mensch zu Mensch übertragen wird.

Jetzt allerdings haben Forscher künstlich einen H5N1-Stamm erzeugt, der diese Barriere ein Stück weit schleift. Der neu geschaffene Erreger kann, wie die beiden Forscherteams um Ron Fouchier und Yoshihiro Kawaoka an Frettchen demonstrierten, sich unter Säugetieren verbreiten. Die Ergebnisse sollten bald in den Zeitschriften "Nature" und "Science" erscheinen, doch nun appelliert das US-Gesundheitsministerium an Forscher und Zeitschriften, die Resultate nicht zu veröffentlichen – die Arbeiten könnten Bioterroristen beim Bau von "Killerviren" auf die Sprünge helfen.

Die Überlegung ist zwar nachvollziehbar, das Ansinnen allerdings, potenziell gefährliche Forschungsergebnisse unveröffentlicht zu lassen, ist kurzsichtig und gefährlich. Denn Terroristen wird man auf diese Weise an nichts hindern, sehr wohl aber Wissenschaftler, die an Strategien gegen Krankheiten wie die Grippe arbeiten.

Geradezu naiv ist zuerst der Glaube, man könne das gewonnene Wissen per Federstrich aus der Welt dekretieren. Schon das wird nicht funktionieren. Die Redakteure von "Science" und "Nature" haben die Arbeiten gelesen und außerdem die von ihnen bestellten Gutachter. Die Ergebnisse wurden auf einer Konferenz vorgestellt, und es würde überhaupt nicht wundern, wenn seit Monaten Preprints der Artikel in der Szene kursierten. Dutzende Leute dürften die entscheidenden Details inzwischen kennen.

Und das ist erst der Anfang, denn das Wissen um dieses Experiment steckt eben nicht nur in diesem Paper, in dieser Sequenz und in diesem Verfahren. Wissenschaftliche Ergebnisse stehen ja nicht für sich allein, im Gegenteil, die Versuche von Fouchier und Kawaoka bauen auf Forschungsergebnissen auf, die jeder in den einschlägigen Fachzeitschriften nachlesen kann, und sie sind ihre logische Fortsetzung. Das Grundprinzip ist auch recht einfach, um nicht zu sagen: naheliegend!

Die wesentlichen Grundzüge des Experiments jedenfalls sind längst öffentlich. Die Forscher haben die Virushülle durch Eingriffe ins Erbgut so verändert, dass der Erreger auch Säugetiere befällt und anschließend durch Vermehrung und Übertragung in Frettchen gezielt einen Erreger gezüchtet, mit dem sich die Tiere untereinander anstecken können.

Außerdem ist mindestens zweifelhaft, ob die Informationen in der Veröffentlichung Bioterroristen überhaupt weiterhelfen würden. Denn: Frettchen sind eben Frettchen und keine Menschen, und Artgrenzen sind für Viren notorisch schwierig zu überwinden. Der Erreger von Fouchier und Kawaoka ist jedenfalls keine Biowaffe, die man so einfach nachbauen und auf die Menschheit loslassen kann.

Umgekehrt dagegen versprechen der neue Virustyp und sein Genom einen beträchtlichen Erkenntnisfortschritt für die Bekämpfung gefährlicher Infektionskrankheiten. Die Frage, wie und warum ein Erreger von einer Tiergruppe auf eine andere überspringt und welche genetischen Mechanismen dafür verantwortlich sind, steht im Zentrum der modernen Infektionsbiologie. Eine Antwort oder auch nur eine Teilantwort wäre ein wichtiger Fortschritt hin zum Verständnis von Krankheiten wie Sars oder Aids, die ursprünglich von tierischen Wirten stammen.

Wer die Veröffentlichung derartiger Forschungsarbeiten verhindert, schlägt nicht etwa Bioterroristen ein "Killervirus" aus der Hand, sondern im Gegenteil den Wissenschaftlern die Waffe, mit der sich solche gefährlichen Erreger erst bekämpfen lassen.

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