Direkt zum Inhalt

Freistetters Formelwelt: Eine Verbindung zwischen Pi und der eulerschen Zahl?

Manchmal ist das, was nach Zufall aussieht, tatsächlich nur ein Zufall. Beeindruckend kann so eine Koinzidenz aber dennoch sein.
Symbolbild von Pi
Pi taucht in vielen Bereichen auf. Aber lässt sich auch die eulersche Zahl durch die Kreiszahl ausdrücken?

In den sozialen Medien findet erstaunlich viel gute Wissenschaftsvermittlung statt. Aber man findet dort, so wie in allen anderen Medien, natürlich auch jede Menge Unsinn. Man sollte also immer skeptisch bleiben. Und genau das war ich auch, als ich bei einem Mathematik-Account auf diese Formel gestoßen bin:

Gleich vorneweg: Diese Gleichung ist falsch. Aber ein genauerer Blick darauf lohnt sich trotzdem. Die Formel lässt sich natürlich leicht überprüfen. Die Summe von vierter und fünfter Potenz der Kreiszahl Pi ergibt 403,4287758… Die sechste Potenz der eulerschen Zahl liefert ein Ergebnis von 403,42879349… Der Unterschied taucht also schon in der fünften Nachkommastellen auf. Trotzdem ist es irgendwie erstaunlich, dass diese Kombination elementarer mathematischer Konstanten zumindest näherungsweise übereinstimmt. Hat das etwas zu bedeuten?

Nicht wirklich. Aber es sollte uns auch nicht überraschen, dass man solche Ausdrücke finden kann. Es gibt nur eine endliche Anzahl mathematischer Symbole und unendlich viele Möglichkeiten, sie zu kombinieren. Es wäre also eher erstaunlich, wenn sich dabei keine dieser näherungsweisen Übereinstimmungen finden lassen.

Die legendärsten mathematischen Kniffe, die übelsten Stolpersteine der Physikgeschichte und allerhand Formeln, denen kaum einer ansieht, welche Bedeutung in ihnen schlummert: Das sind die Bewohner von Freistetters Formelwelt.
Alle Folgen seiner wöchentlichen Kolumne, die immer sonntags erscheint, finden Sie hier.

Ein weiteres Beispiel für eine solche Übereinstimmung ist die Gleichung 178212 +184112 =192212. Mit ein bisschen Wissen aus der Geschichte der Mathematik kann man schnell merken, dass auch diese Formel nicht stimmen kann. Denn wenn es so wäre, wäre sie ein Gegenbeispiel für den großen fermatschen Satz, der besagt, dass die n-te Potenz einer natürlichen Zahl nicht als Summe zweier n-ten Potenzen dargestellt werden kann, wenn n größer als 2 ist. Diese berühmte Aussage wurde im 17. Jahrhundert formuliert, aber erst 1994 bewiesen. Die drei oben genannten Zahlen sind daher auch kein Gegenbeispiel – aber teilt man die linke und die rechte Seite der Gleichung durcheinander, erhält man ein Ergebnis von 0,9999999997… Die Rechnung geht also fast auf. Aber »fast« ist in der Mathematik leider nicht gut genug.

Solche mathematischen Zufälle sind nicht nur interessant, sondern manchmal praktisch. Das Quadrat der Kreiszahl Pi stimmt in den ersten drei Nachkommastellen mit dem Bruch 22723 überein. Wenn man nur ein paar Überschlagsrechnungen anstellen will, sind solche Näherungen durchaus hilfreich. In diesem Zusammenhang kann man sich gleich merken, dass die dritte Potenz von Pi etwa 31,006 ist und die vierte Potenz der Kreiszahl bis auf die achte Nachkommastelle mit dem Bruch 214322 übereinstimmt.

Auch in der Physik gibt es erstaunliche Zufälle

Ähnliche Zufälle findet man ebenfalls in der Physik. Die Lichtgeschwindigkeit beträgt exakt 299 792 458 Meter pro Sekunde, was überraschend nahe an der runden Zahl von 300 Millionen Meter pro Sekunde ist. Die ursprüngliche Definition der Länge eines Meters beruht auf dem Umfang der Erde – und es gibt keinen Grund, warum die Größe unseres Planeten irgendwas mit der Geschwindigkeit des Lichts zu tun haben sollte.

Ein wenig anders liegt der Fall bei der Feinstrukturkonstante, also der Zahl, die die Stärke der elektromagnetischen Kraft angibt. Es handelt sich um eine dimensionslose Zahl und sie hat einen Wert von fast 1137. Das war für viele durchaus überraschend: Der Astronom Arthur Eddington war davon überzeugt, dass der Wert sogar exakt 1137 beträgt. Der Physiker Wolfgang Pauli arbeitete mit dem Psychoanalytiker Carl Jung zusammen, um die Bedeutung der Zahl zu verstehen, und Richard Feynman bezeichnete sie als das »greatest damn mystery of physics«.

Mein persönlicher Lieblingszufall ist die Tatsache, dass die scheinbaren Durchmesser von Sonne und Mond am Himmel näherungsweise übereinstimmen. Dafür gibt es keinen physikalischen oder astronomischen Grund, es ist wirklich reiner Zufall. Aber ein Zufall, der es uns erlaubt, immer wieder das beeindruckende Phänomen einer totalen Sonnenfinsternis beobachten zu können – wie zuletzt in Nordamerika.

WEITERLESEN MIT »SPEKTRUM +«

Im Abo erhalten Sie exklusiven Zugang zu allen Premiumartikeln von »spektrum.de« sowie »Spektrum - Die Woche« als PDF- und App-Ausgabe. Testen Sie 30 Tage uneingeschränkten Zugang zu »Spektrum+« gratis:

Jetzt testen

(Sie müssen Javascript erlauben, um nach der Anmeldung auf diesen Artikel zugreifen zu können)

Schreiben Sie uns!

4 Beiträge anzeigen

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.