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Landwirtschaft: Antibiotika raus aus dem Schweinestall

Frank Aarestrup erklärt, wie es dänischen Landwirten gelang, 60 Prozent weniger Antibiotika im Stall einzusetzen - und fordert den Rest der Welt auf, diesem Beispiel zu folgen.
Schwein

Weltweit verbraucht die Nutztierhaltung fast doppelt so viel Antibiotika wie die Humanmedizin – so lauten zumindest manche Schätzungen. In den Vereinigten Staaten beispielsweise entfallen auf jedes produzierte Kilo Fleisch oder Eier etwa 300 Milligramm Antibiotika. Die Medikamente dienen aber nicht nur dazu, Infektionen zu behandeln oder zu verhüten, in vielen Ländern kommen sie auch als Wachstumsbeschleuniger zum Einsatz, damit die Tiere schneller an Gewicht zulegen. Das ist allerdings eine wenig nachhaltige Anwendung: Seitdem viele Landwirte gegen Ende der 1940er Jahre dazu übergingen, ihrem Vieh Antibiotika zu füttern, haben sich Menschen mit Bakterienstämmen infiziert, die genau gegen diese Mittel resistent geworden waren.

Um der gefährlichen Entwicklung entgegenzuwirken, verbot die Europäische Union 2006 den Einsatz dieser Arzneien als Wachstumsbeschleuniger. In den Vereinigten Staaten setzen Landwirte das Verfahren dagegen unvermindert fort, obwohl die Lebensmittelüberwachung und Arzneimittelzulassungsbehörde der USA (FDA) im April darum bat, freiwillig darauf zu verzichten.

Einige Stimmen argumentieren, dass die Agrarindustrie kollabieren könne, sollte sie auf Antibiotika verzichten müssen. Meine Erfahrungen mit dem dänischen Weg beweisen aber das genaue Gegenteil. Dänemark ist der weltgrößte Exporteur von Schweinefleisch und führt 90 Prozent der daraus gewonnenen Produkte aus. Und der Staat hat nicht nur den Gebrauch von Antibiotika als Mastmittel untersagt, sondern ging noch weit darüber hinaus: So wurde der Verbrauch allgemein deutlich reduziert und ein umfassendes Überwachungssystem aufgebaut, das Missbrauch aufspürt und angeht. Zudem verbot der Staat, dass Veterinäre vom Verkauf der Medikamente an die Landwirte profitieren – was in den USA und in vielen Ländern Europas weiterhin der Fall ist.

Seit Mitte der 1990er Jahre fiel die Menge an eingesetzten Antibiotika pro Kilogramm Vieh um 60 Prozent, und die Schweinefleischproduktion nahm im Gegensatz dazu seit 1994 um die Hälfte zu. Jedes Land, das den Arzneimitteleinsatz in der Viehzucht verringern möchte, kann vom dänischen Beispiel und dessen Erfahrungen lernen und sie an landesspezifische Bedingungen anpassen. Resistente Keime wieder in den Griff zu bekommen und ihre weltweite Ausbreitung einzudämmen, ist mit großen Schwierigkeiten verbunden. Die ausufernden Medikamentengaben müssen wir also zu unser aller Wohl reduzieren – für Mensch und Tier.

Ein wachsendes Problem

Eher zufällig begann meine Arbeit, die dänische Antibiotikaverschwendung zu minimieren. Während ich im September 1994 als gerade eben examinierter Tiermediziner an meiner Doktorarbeit über Brustdrüsenentzündung bei Rindern arbeitete, stolperte ich über einige besorgniserregende Daten. Auf der Jahrestagung der dänischen Veterinäre in Askov legten Forscher dar, dass billige Tetrazykline – eine Gruppe von Antibiotika – verstärkt verschrieben und in der Tierzucht verwendet wurden. Gleichzeitig traten in Proben aus Nutztieren immer häufiger entsprechend resistente Bakterien auf. Diese Daten sorgten sofort für hitzige Diskussionen – zumal offengelegt wurde, dass viele Veterinäre riesige Gewinne aus dem Verkauf der Mittel an die Landwirte erzielten.

Zu diesem Zeitpunkt sorgten sich bereits einige Wissenschaftler über den verschwenderischen Umgang mit den Stoffen in der Viehzucht. Bauern setzten diese Medikamente bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ein, um das Wachstum ihrer Tiere zu steigern, weil es damals kaum hochwertiges Futter gab. Experimente belegten damals, dass niedrig dosierte Gaben halfen, die Tiere schneller wachsen zu lassen – wenngleich kein Wissenschaftler bis heute exakt erklären kann, warum dies der Fall ist.

Die Anwendung verbreitete sich rasch. Doch schon in den 1960er Jahren bemerkten Forscher erstmals, dass die gleichen resistenten Bakterien in Mensch und Tier auftraten – wenig überraschend: Keime tummeln sich in Massen auf der Haut und im Kot und gelangen so leicht ins Fleisch oder auf die Hände und die Küchentresen der Menschen. Deshalb untersagten erste Länder in Europa schon in den 1970er Jahren den Einsatz von Antibiotika als Wachstumsmittel – vor allem von jenen Arzneien, die auch bei Menschen therapeutisch eingesetzt wurden.

Der deutsche Mikrobiologe Wolfgang Witte brachte mich schließlich dazu zu untersuchen, in welchem Umfang dänische Bauern ihrem Vieh Antibiotika ausschließlich als Mastmittel vorsetzten. Zu meiner Überraschung entpuppte sich dies als weit verbreitete Strategie: In der Schweinehaltung dienten zwei Drittel aller Antibiotikagaben ausschließlich der Fleischvermehrung, bei Geflügel waren es sogar 90 Prozent. Neugierig geworden, analysierten meine Kollegen und ich Kotproben gesunder Hühner und Schweine. Am 25. Januar 1995 isolierten wir erstmals ein Bakterium, das resistent gegen eines der wachstumsfördernden Antibiotika war. Nachfolgende Studien belegten einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Einsatz des Wachstumförderers Avoparcin und großflächig auftretenden resistenten Keimen. Grund genug für die dänische Regierung, Avoparcin zu verbieten, wenn es allein der Mast dienen sollte. Kurz darauf, im Jahr 1997, verbot die EU jeglichen Gebrauch des Mittels.

Bereits 1995 richteten wir DANMAP ein, das integrierte dänische Programm zur Überwachung und Erforschung von Antibiotikaresistenzen. Diese Kooperation von Veterinären und Humanepidemiologen überwacht Antibiotikaeinsatz und -resistenzbildung sowohl bei Tieren, als auch in den daraus erzeugten Lebensmitteln und beim Menschen. Sie sammelt und analysiert Probenmaterial aus Schlachthäusern, von Veterinären und Krankenhäusern, um die Folgen politischer Beschränkungen beim Gebrauch von Antibiotika zu überwachen oder neue Probleme frühzeitig zu erkennen. Die USA, Kanada, Japan und verschiedene europäische Länder sind diesem Beispiel mittlerweile gefolgt.

Schwein | In der Fleischproduktion werden immer noch Antibiotika als Wachstumsbeschleuniger eingesetzt – obwohl dadurch die Gefahr droht, dass Bakterien resistent werden.

In der Zwischenzeit verbot die dänische Regierung 1998 ein weiteres Antibiotikamastmittel namens Virginiamycin, nachdem Forscher weitere Belege für Resistenzen aufgedeckt hatten. Im gleichen Jahr erklärte sich die dänische Geflügelindustrie aus Sorge um die menschliche Gesundheit freiwillig dazu bereit, auf alle Antibiotikamittel zur Mast zu verzichten – nachdem breites mediales Interesse den politischen Druck wachsen ließ. Die Schweinezüchter folgten zwei Jahre später.

Landwirte konnten weiterhin Antibiotika verfüttern, um Infektionen vorzubeugen oder zu behandeln – was manches Hintertürchen offenließ. 2010 begann der dänische Landwirtschaftsminister daher gelbe Karten an diejenigen Schweinezüchter zu verteilen, die den höchsten Medikamentenverbrauch pro erzeugtem Schwein hatten. In der Folge reduzierte sich auch der therapeutische Antibiotikaeinsatz um weitere 25 Prozent.

Noch bevor sich die dänischen Bauern einer Arzneischrumpfkur verschrieben, prophezeiten Kritiker, dass dieser Schnitt katastrophale Folgen für die Produktivität und damit die Wirtschaft haben werde. In der Geflügelzucht ließen sich jedoch keine negativen Folgen feststellen: weder beim Gesamtgewicht der pro Quadratmeter produzierten Hühner, noch bei der Menge an eingesetztem Futter. Bei Schweinen zeigte sich ebenfalls kein Einbruch der Produktivität, der Zahl der Ferkel pro Sau, dem durchschnittlichen täglichen Fleischzuwachs oder der für ein Kilogramm Fleisch benötigten Futtermittelmenge. Tatsächlich wuchs die hiesige Schweinefleischproduktion stetig, da die Landwirte die Erzeugung zunehmend modernisieren.

Das Erfolgsrezept

Drei Faktoren machten diese positive Entwicklung möglich: Unsere Daten offenbarten, dass Antibiotika zum Problem wurden, der politische Wille, Einschränkungen zu erlassen und durchzusetzen, war vorhanden, und Landwirte, Forscher und Behörden zogen an einem Strang. Einer der wichtigsten Schritte war das Verbot, aber Gesetze machen wenig Sinn, wenn man ihre Einhaltung nicht überwacht. Die dänischen Behörden setzen DANMAP ein, um diejenigen Betriebe mit dem höchsten Verbrauch von Antibiotika oder anderen kritischen Substanzen herauszufiltern. In manchen Ländern funktioniert diese Kontrolle noch nicht ausreichend: Daten existieren nicht für alle Tierarten, oder das System integriert das Zahlenmaterial von Mensch und Vieh nicht adäquat. Manche Programme registrieren zwar Antibiotikaresistenzen, aber nicht alle davon auch den Verbrauch der Mittel selbst.

Dänemark machte sogar noch einen weiteren, konsequenten Schritt, vor dem sich viele Staaten bislang scheuten: Seit 1995 ist es Veterinären verboten, finanziell vom Verkauf der Antibiotika an Landwirte zu profitieren. Der Interessenkonflikt war kolossal: Je mehr Antibiotika zum Einsatz kamen, desto größer war der Gewinn für die Tierärzte. Ich denke, dass diese Entscheidung einen gewaltigen Einfluss auf den verschwenderische Gebrauch der Arzneien in der Tierzucht hatte. In den Vereinigten Staaten und in zahlreichen europäischen Staaten bleibt es dagegen für viele Veterinäre lukrativ, wenn sie die Mittel verschreiben.

Der dänische Erfolg war daher alles andere als einfach. Mein Labor wurde von Pharmavertretern besucht, die es gar nicht schätzten, was wir herausfanden. Und ich wurde auf Tagungen bisweilen in die Enge getrieben von Menschen, die überhaupt nicht mit unseren Schlussfolgerungen einverstanden waren. Bisweilen wurde ich sogar öffentlich der Bestechlichkeit beschuldigt, damit wir unausgewogene Resultate vorlegen. Trotz dieser Herausforderungen befriedigt es mich zu sehen, dass die dänische Landwirtschaft und ihr Vieh weiterhin prosperiert – ohne dabei Antibiotika zu verschwenden. Mit nur geringem Aufwand könnte und muss dies auch anderen Ländern gelingen.

Dieser Artikel erschien unter dem Titel "Get pigs off antibiotics" in Nature 486, S. 465-466, 2012.

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