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Artenschutz: Letzter Strohhalm für die Megafauna

Die 16. Konferenz des Washingtoner Artenschutzabkommens (CITES) endete mit einem Erfolg für viele Naturschützer. Doch Papier ist geduldig. Nun müssen konkrete Maßnahmen umgesetzt werden, um das Abschlachten von Nashörnern, Elefanten und Haien wirklich zu beenden, fordert Daniel Lingenhöhl.

Die Zahlen lesen sich dramatisch: 11 000 Waldelefanten wurden allein in einem einzigen Nationalpark in Gabun seit 2004 abgeschlachtet, in ganz Zentralafrika verschwanden fast zwei Drittel der Dickhäuter im letzten Jahrzehnt. In Südafrika wurden letztes Jahr rund 700 Nashörner gewildert, dieses Jahr könnten es mehr als 1000 werden, was ihr Nachwuchs nicht mehr ausgleicht. Und jedes Jahr hacken Fischer 100 Millionen Haien die Flossen ab, die als Delikatesse in Ostasien verkauft werden – ebenfalls mehr, als die Meeresräuber durch Fortpflanzung ausgleichen können.

Es steht also schlecht um charismatische Großtiere, die manche Menschen lieber als geschnitzte Elfenbeinfigur im Schrank stehen haben oder als Pulver gegen einen alkoholbedingten Kater konsumieren. Um der ausufernden Ausbeutung der Natur einen Riegel vorzuschieben, haben sich nun wieder die Delegierten der 178 Vertragsstaaten des Washingtoner Artenschutzabkommens – englisch und kurz CITES – in Bangkok getroffen, um über Handelsbeschränkungen für bedrohte Tier- und Pflanzenspezies zu verhandeln.

Auf dem Papier zumindest haben die Artenschützer nach langen Jahre wieder große Erfolge errungen: 20 Schildkrötenarten sowie Sägerochen dürfen vorerst gar nicht mehr gehandelt werden, starke Einschränkungen gibt es zukünftig für 128 verschiedene Tropenhölzer, fünf Haie, Mantarochen sowie 32 Reptilienarten, unter denen sich ebenfalls vor allem zahlreiche Schildkröten befinden. Beim Haischutz setzte sich die Mehrheit der Staaten sogar gegen China und Japan durch, die weiterhin auf Ausnahmen beim Haihandel gepocht hatten. Gegen Guinea wurden sofortige Sanktionen eingeleitet, da das Land mit bedrohten Menschenaffen gehandelt hat, die als "Spielzeug" oder Schauobjekte von Safariparks in Ostasien oder als Touristenattraktionen an Mittelmeerstränden enden.

Und ebenfalls auf der Agenda standen Maßnahmen gegen das ausufernde Geschäft mit Nashornhörnern und Elfenbein, das im Wesentlichen zwischen Uganda, Kenia, Mosambik, China, Thailand, den Philippinen und Vietnam floriert. Hier wurde ein Aktionsplan verabschiedet, der den illegalen Handel mit Elfenbeinzähnen und daraus gewonnenen Produkten endlich austrocknen soll. Vor allem Thailand gilt als internationale Drehscheibe, da es den Kauf und Verkauf von Elfenbein aus einheimischen Beständen natürlich verstorbener Tiere erlaubt – was die Händler in der Praxis häufig unterlaufen, wie die Dezimierung der Elefanten in Afrika trefflich belegt. Unter anderem sollen eine DNA-Datenbank und Herkunftszertifikate endlich fälschungssicher bezeugen, woher ein Stoßzahn stammt und ob er gehandelt werden durfte. Vietnam und Mosambik, der wichtigste Bezieher und "Exporteur" der Nashörner, müssen endlich aktiv gegen Wilderei und Verkauf vorgehen – sonst drohen ab 2014 Handelssanktionen.

Ob diese Vorgaben ausreichen, um die Dickhäuter effektiv zu schützen, darf allerdings schon vorab bezweifelt werden. Ein Kilogramm Nashornhorn wird in Vietnam für 65 000 US-Dollar gehandelt: Es ist mehr wert als Gold oder Kokain, da ihm magische Fähigkeiten zugeschrieben werden. Es soll Krebs heilen, hilft angeblich gegen Kater und gilt als Statussymbol, das reiche Geschäftsleute gerne in einem Schälchen auf dem Tisch reichen, um ihre Partner zu beeindrucken – koksen mit Nashorn quasi. Das Geschäft mit Elfenbein wurde wieder angekurbelt, seit Gläubige daraus geschnitzte Devotionalien gerne kaufen – Buddhisten wie Katholiken. Auf den Philippinen wie in Thailand werden Kreuze und Amulette daraus gefertigt, die reißenden Absatz finden.

Beherrscht wird der Handel mit dem Rohmaterial von skrupellosen Verbrechersyndikaten, die den internationalen Markt beherrschen. In Afrika kurbelt dieses brutale Geschäft zum Teil sogar Bürgerkriege an, da Milizen mit den Einnahmen aus der Wilderei neue Waffen kaufen – etwa im Sudan, Kongo oder Niger. Wer zweifelhafte Produkte aus Elfenbein kauft, macht sich also auch am Leid von Menschen mitschuldig. Der Kampf ums Nashorn ist mittlerweile ebenfalls zum Krieg ausgeartet, denn Wilderer sind nicht mehr nur arme Bewohner von Dörfern im Umland der Nationalparks, sondern mit Hightech ausgerüstete Banden, die über Hubschrauber und automatische Waffen verfügen. Immer wieder kommt es zu blutigen Scharmützeln zwischen Rangern und Wilderern mit Toten auf beiden Seiten: In Südafrika sind die Behörden sogar dazu übergegangen, im Zweifel lieber schießen zu lassen, als ihre Mitarbeiter zu opfern. Viele afrikanische Länder haben ihr Militär mobilisiert, um das Abschlachten einzudämmen.

Beim Ausverkauf der Natur dürfen wir allerdings nicht mit dem Finger nur nach Osten oder Süden zeigen: Der Vatikan ist CITES noch nicht beigetreten und spricht sich auch nicht aktiv gegen den Kauf von Elfenbeindevotionalien aus. In jedem deutschen Baumarkt kann man Gartenmöbel aus Tropenholz erwerben, dessen Herkunft nur zu oft illegale Quellen sind und das über verschiedene Zwischenstationen "reingewaschen" wurde. Schillerlocken und Haifischsteaks landen ebenfalls auf heimischen Tellern. Und bei Reptilienbörsen werden jedes Wochenende geschützte Arten verramscht, weil kaum Kontrollen stattfinden.

Dass die Weltgemeinschaft in der Lage ist, über CITES Tierarten effektiv zu schützen, hat sie schon einmal bei den Elefanten bewiesen: Nach jahrelangen Massakern, um an das "weiße Gold" zu gelangen, wurde der Handel mit Elfenbein 1989 strengstens reglementiert: Die Preise brachen ein, die Wilderei kam zum Erliegen, und die Bestände der Rüsseltiere erholten sich wieder. Auch Nashörner waren schon fast ausgerottet, bevor strenge Schutzmaßnahmen und Handelsbeschränkungen griffen. Wir dürfen nicht zulassen, dass die letzten Reste der Megafauna der Erde kurzfristigen, kriminellen Profiten geopfert werden. Die Welt wäre ohne Elefanten, Nashörner, Haie oder Menschenaffen ärmer.

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