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Lobes Digitalfabrik: Mein Haus, mein Auto, mein NFT

NFTs machen aus einem Hauch von nichts handfestes Eigentum, oder? Immerhin werden Millionen dafür ausgegeben. Unser Digitalkolumnist über ein so merk- wie fragwürdiges Konstrukt.
Aus Nichts mach Etwas

Im Jahr 2019 kaufte der Künstler Maurizio Cattelan in einem Supermarkt eine Banane und befestigte sie mit einem handelsüblichen Klebeband an die Wand. Das Kunstwerk »Comedian«, das im Rahmen der Art Basel in Miami zu sehen war, wurde für 120 000 Dollar verkauft. Nun kann man fragen, was ein Cent-Artikel aus dem Supermarkt zum Kunstobjekt macht, doch die Geschichte ist hier noch nicht zu Ende. Denn nachdem die Banane unter den Hammer kam, trat der Künstler David Datuna auf den Plan. Er nahm die Installation von der Wand, aß sie und ließ sich dabei filmen. Auch das war Kunst: Das Video seiner Performance (»Hungry Artist«) ging viral. Übrig blieb nur noch die Bananenschale.

»Spektrum«-Kolumnist Adrian Lobe kommentiert den digitalen Wandel. Wie gehen wir um mit fortschreitender Digitalisierung? Wie mit Bots und Meinungsmaschinen? Und welche Trends dominieren die Gesellschaft in Zukunft?
Alle Folgen von »Lobes Digitalfabrik« finden Sie hier.

Man muss diese Geschichte im Hinterkopf haben, wenn man über das Konstrukt von Non-Fungible Tokens, kurz NFTs, spricht. Diese digitalen Echtheitszertifikate bilden die Grundlage für eine milliardenschwere Kryptowirtschaft. Ähnlich wie bei der verzehrten Banane existiert hier kein physisches Objekt, sondern nur eine (Bild-)Datei, für die eine Art Besitzurkunde ausgestellt wird, die zum Schutz vor Manipulationen auf einer Blockchain hinterlegt wird.

Spätestens seitdem im vergangenen Jahr das Gemälde »Everydays: The First 5000 Days« des Künstlers Beeple für 69 Millionen Dollar im Auktionshaus Christie's versteigert wurde, ist ein riesiger Hype um Kryptokunst entstanden. Beeples Kunstwerk bestand aus einer simplen Collage jener 5000 Fotos, die er seit 2007 auf der Plattform »Tumblr« gepostet hatte. Im Grunde kann jeder, der das möchte, diese Bilder downloaden und zusammensetzen. Auch das große JPEG, das Beeple erzeugte, lässt sich beliebig oft kopieren. Das Ergebnis würde sich in beiden Fällen nicht von der Datei unterscheiden, die bei Christie's unter den Hammer kam. Aber nur für diese eine Datei existiert der unverwechselbare NFT, der nun in den Besitz des Käufers oder der Käuferin übergegangen ist.

Sneakers, Sofas, Sammelkarten – inzwischen gibt es kaum ein Objekt, was noch nicht als NFT verkauft worden wäre. Prominente bezahlen hunderttausende Dollar, um ein Affenbild aus der Kollektion des exklusiven Bored Ape Yacht Club zu erstehen, in Onlinespielen werden für virtuelle Immobilien und Liegenschaften Preise aufgerufen, als wären es beste Lagen in München oder Hamburg. Doch was erwirbt man mit dem Kauf eines NFTs? Eigentum? Und wenn ja – woran?

Auch das NFT erzeugt kein »Eigentum«

Der Begriff des Eigentumszertifikats, der in zahlreichen Artikeln zu lesen ist, ist aber missverständlich. »Rein digitale Artefakte sind nach geltendem Recht nicht eigentumsfähig«, erklärt beispielsweise der Rechtswissenschaftler Michael Kolain. Er arbeitet am Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung in Speyer, wo er sich auf Digitalisierungsprozesse in Staat und Gesellschaft spezialisiert hat. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) lässt Eigentum nur an körperlichen Gegenständen zu. Es macht einen Unterschied zwischen beweglichen Sachen (zum Beispiel Äpfeln) und unbeweglichen (zum Beispiel Grundstücken). Eine Datei ist aber nicht verkörpert, sie lässt sich vervielfältigen, teilen oder verändern, ohne dass sie dabei Schaden nimmt oder verschwindet.

Eigentum, sagt Kolain, könne darum allenfalls an Hardware entstehen, an einem Smartphone oder einem Computer. Auf die Blockchain übertragen heißt das: Eigentum ist nur an den Rechnern möglich, nicht aber an der Blockchain selbst.

Aus diesen strukturellen Gründen lehne die »herrschende Meinung« der Rechtswissenschaft das »Dateneigentum« ab. Klare rechtliche Regeln, wie stattdessen mit Daten und Token umzugehen ist, hätten sich noch nicht herausgebildet – es gelte die »normative Kraft des Faktischen«: Wer Daten hat, kann über sie verfügen.

Der Technologietrend NFT ist gewissermaßen eine Reaktion darauf. Über einen Smart Contract auf der Blockchain, ein Softwarebaustein, der eine Vereinbarung automatisiert und in Code übersetzt, verknüpfen sie das digitale Kunstwerk mit dem Kryptogeldsafe des Berechtigten, dem Wallet. Laut Kolain entsteht dadurch zwar eine Art Einzigartigkeit des Tokens, aber noch kein Eigentum. Im Zweifel müsse ein gesonderter Vertrag mit dem Urheber klären, welche Rechtsposition der Käufer des NFTs erhalte, sagt Kolain.

Komplizierter noch: Bei dem NFT handele es sich letztendlich auch gar nicht um eine einzelne Datei, sondern um einen »physisch nicht exakt lokalisierbaren Teil der Blockchain-Infrastruktur, die bei allen Teilnehmern verteilt liegt und sich beständig fortschreibt«, erklärt Kolain. Das bedeutet, der Käufer eines NFTs an einer virtuellen Villa erwirbt kein Eigentum, sondern allenfalls Nutzungsrechte an einer urheberrechtlich geschützten »geistigen Schöpfung«, nämlich der Villa im Metaverse. Was man mit diesem Nutzungsrecht aber im Einzelnen tun kann, bestimmt nicht der Inhaber, sondern in erster Linie der Betreiber der Plattform und der Programmierer des zugehörigen Smart Contracts.

Und wenn es mal weg ist?

Auch stellt sich die Frage, was passiert, wenn ein virtuelles Objekt zerstört wird. Wie gut ist digitale Kunst geschützt? Können NFTs versichert werden? Versicherungen zögern noch mit eigenen Policen, weil die Schäden ganz andere sind. Die größte Bedrohung für virtuelle Artefakte sind nicht Brände oder Hochwasser, sondern Cybergefahren. So haben Hacker NFTs des Bored Ape Yacht Club im Wert von 2,2 Millionen Dollar gestohlen. Kunsträuber sind längst auch im Internet aktiv, wo die Kunstwerke schlechter gesichert sind als in Museen. Auch die Verschlüsselungsverfahren können zum Problem werden. Für den Zugriff auf NFTs braucht es digitale Schlüssel. Gehen diese zum Beispiel durch einen Rechnercrash verloren, ist auch das NFT perdu.

Diese leidvolle Erfahrung musste kürzlich das Karlsruher Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) machen: Durch einen Copy-and-paste-Fehler hat das Haus den Zugang zu zwei CryptoPunks-NFTs verloren. Gesamtwert: fast 400 000 Euro. Am Ende ist es dann doch wie bei Castellans Banane. Ohne den Künstler ist eine Banane einfach eine Banane. Und ohne NFT ist eine Datei einfach nur eine Datei.

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