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Lobes Digitalfabrik: Sollte man Google und Facebook verstaatlichen?

Ja, Plattformen wie Facebook oder Google sind überaus mächtig. Sie deswegen zu verstaatlichen, ist allerdings zu kurz gedacht. Warum, erklärt unser Digitalkolumnist Adrian Lobe.
Klimaaktivisten demonstrieren mit einer Eisskulptur vor dem US-Kapitol gegen die Rolle von Facebook bei der Verbreitung von Fehlinformationen

Vor wenigen Wochen gingen bei Facebook die Lichter aus. Facebook, Messenger, WhatsApp und Instagram waren sechs Stunden nicht verfügbar. Millionen Textnachrichten konnten nicht gesendet werden. Instagram-Chef Adam Mosseri schrieb, es fühle sich wie »Snow Day« an – schneefrei. Doch was der Ost- und Westküstenelite eine willkommene Abwechslung von der Dauerbeschallung und -erreichbarkeit bot, war für andere ein existenzielles Problem. In Kenia blieben Ladenlokale auf ihrer Ware sitzen. In Brasilien erreichten Verwandte ihre Angehörigen in den Krankenhäusern nicht mehr. Und in Afghanistan konnten sich politisch Verfolgte nicht mehr austauschen.

Die Störung hat einmal mehr vor Augen geführt, wie sehr die Welt von der technischen Infrastruktur des Tech-Giganten abhängig ist. Über drei Milliarden Menschen auf der Welt nutzen Facebook-Dienste. Und jetzt will Facebook auch noch das Metaverse monopolisieren, ein digitales Paralleluniversum, das von Avataren bevölkert wird.

Seit geraumer Zeit gibt es in den USA eine Debatte, ob man Facebook und Google als »public utility«, als öffentliches Versorgungsunternehmen behandeln sollte. Die Plattformen, so das Argument, seien inzwischen so groß und mächtig, dass man sie nicht zerschlagen könne, sondern verstaatlichen müsse. Facebook und Google seien systemrelevant, ein Teil der kritischen Infrastruktur, ähnlich wie die Post oder Energieversorger. Die Forderungen kommen dabei aus ganz unterschiedlichen Richtungen – von republikanischen US-Senatoren bis hin zu linken Magazinen. Auch der ehemalige Trump-Berater Steve Bannon hat sich schon für eine solche Lösung ausgesprochen.

»Spektrum«-Kolumnist Adrian Lobe kommentiert den digitalen Wandel. Wie gehen wir um mit fortschreitender Digitalisierung? Wie mit Bots und Meinungsmaschinen? Und welche Trends dominieren die Gesellschaft in Zukunft?
Alle Folgen von »Lobes Digitalfabrik« finden Sie hier.

Von der Eisenbahnbrücke zum Softwareriesen

Neue Dynamik in die Debatte kommt durch die Klage des Generalstaatsanwalts von Ohio Dave Yost: Er will den US-Bundesstaat dazu verpflichten, die Google-Internetsuche als öffentliches Gut zu behandeln.

Yost argumentiert mit einer historischen Analogie: In den 1860er Jahren, auf dem Höhepunkt der Gilded Age, kontrollierte der Eisenbahnmagnat Cornelius Vanderbilt eine Eisenbahnbrücke, die Hudson River Bridge, die für den Güterverkehr nach New York zentral war. Dann schloss er die Brücke für seine Konkurrenten und schnitt den Rest des Landes von der Versorgung ab. Um solche Monopolstellungen zu vermeiden, erließ der US-Kongress 1890 den Sherman Antitrust Act. Ein ähnliches Monopol habe heute Google.

Für die Annahme, dass Google seine marktbeherrschende Stellung missbraucht, gibt es zahlreiche Gründe: Der Konzern zahlt Handy-Herstellern wie Apple oder Samsung Milliarden, damit seine Suche standardmäßig eingestellt ist. Das Betriebssystem Android ist mittlerweile auf drei Milliarden mobilen Endgeräten installiert. Für Wettbewerber ist es schwer, in dem lukrativen Werbemarkt Fuß zu fassen. Das US-Justizministerium hat daher im vergangenen Jahr eine Monopolklage gegen Google eingeleitet. Aber folgt daraus, dass der Staat Google wie einen öffentlichen Energieversorger betreiben soll?

Die Verbraucher können ja den Anbieter wechseln. Es gibt mittlerweile eine Reihe von Alternativen zu Google wie etwa DuckDuckGo oder Ecosia, die in Sachen Privatsphäre und Umweltschutz höhere Standards setzen. Niemand ist gezwungen, Google für eine Suche oder Mails zu nutzen. Auch zum Facebook Messenger und WhatsApp gibt es mittlerweile sicherere Alternativen wie Threema oder Signal. Sie werden eben nur nicht so häufig genutzt.

In manchen Ländern kontrolliert Facebook auch die Netze

Einmal abgesehen von der Frage, wie der Staat sensible Nutzerdaten von Facebook und Google verwalten soll, ohne seine rechtsstaatlichen Standards zu unterlaufen, begehen die Befürworter einer Verstaatlichung einen fundamentalen Kategorienfehler: Google oder Facebook sind ja kein Versorgungsgut wie Wasser oder Strom, sondern »lediglich« ein Versorger. Anders sieht es aus, wenn ein Anbieter auch die Netze kontrolliert.

In manchen Schwellen- und Entwicklungsländern ist Facebook das Internet. Der Konzern bietet dort in Kooperation mit lokalen Telekommunikationsanbietern ein Schmalspur-Internet mit einem kostenlosen Datenvolumen von 20 Megabyte pro Tag an. Aus der monopolistischen Anbieterstruktur resultieren nicht nur Probleme in Bezug auf das Kartellrecht, sondern auch auf das Rederecht, weil Facebook-Dienste die (digitale) Öffentlichkeit konstituieren. Dreht einem Facebook den Saft ab, wenn man das Unternehmen kritisiert?

Der UN-Menschenrechtsrat hat das Internet 2016 zu einem Menschenrecht erklärt. Rechte zu verbriefen beziehungsweise durchzusetzen, ist die vornehmste Aufgabe des Staates. Bevor jedes Kind ein Tablet bekommt, wie Politiker aller Couleur fordern, müsste man zunächst sicherstellen, dass auch ein Internetanschluss vorhanden ist (idealerweise ein Breitbandanschluss, der auch die Teilnahme am Fernunterricht ermöglicht).

Der Staat geht freiwillig in die Abhängigkeit

Je mehr sich der Staat aus der öffentlichen Versorgung herauszieht, desto mehr Einfluss gewinnen die Privaten. In Großbritannien musste die Regierung schon auf das Logistiknetz von Amazon zurückgreifen, um Angestellten in systemrelevanten Berufen Corona-Testkits nach Hause zu schicken. In den USA verdrängt Amazon mit seiner Lieferflotte zunehmend die Post. Nicht nur auf den physischen Straßen, auch auf den Datenautobahnen wächst die Dominanz des Onlinehändlers. Zahlreiche staatliche Institutionen wie die CIA, Europol oder die Bundeswehr nutzen mittlerweile Amazons Cloud-Dienst AWS. Ganz zu schweigen von den Seekabeln, die Tech-Konzerne durch die Weltmeere verlegen.

Daraus entstehen fatale Abhängigkeiten. Wie will die Regierung ein Unternehmen regulieren, das hoheitliche Aufgaben wahrnimmt? Wie weit kann man sich auf Big Tech verlassen? Bald könnte sich rächen, dass der Staat den Aufbau einer eigenen digitalen Infrastruktur und die Regulierung der Tech-Konzerne verschlafen hat. Denn am Ende gilt wohl für die Plattformen dasselbe wie für die Banken in der Finanzkrise – sie sind »too big to fail«.

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