Lobes Digitalfabrik: Sollten Roboter Steuern zahlen?
Die Automatisierung schreitet immer schneller voran. In US-Anwaltskanzleien werten KI-Systeme juristische Fachliteratur aus und beobachten Gesetzesänderungen. Uber testet Robotertaxis. Und in den Redaktionen der "New York Times" und der "Washington Post" generieren Computerprogramme ("Roboterjournalisten") automatisiert standardisierte Finanz- und Sportartikel. Juristen, Journalisten, Taxifahrer – kein Berufsfeld bleibt von den Folgen der Automatisierung verschont. Künstliche Intelligenzen spielen mittlerweile besser Schach, Go und Poker als der Mensch, und Ökonomen streiten sich, ob die Automatisierung Arbeitsplätze vernichtet oder neue schafft. Laut einer viel zitierten, methodisch allerdings umstrittenen Studie der Oxford-Professoren Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne sind fast die Hälfte der Arbeitsplätze durch die Digitalisierung und Automatisierung gefährdet.
Der Wirtschaftswissenschaftler Erik Brynjolfsson, der am MIT lehrt und zusammen Andrew McAfee den Bestseller "The Second Machine Age" schrieb, hat dieser recht einseitigen Lesart kürzlich auf einer Keynote auf der Technikkonferenz PTC LiveWorx in Boston eine differenzierte Analyse hinzugefügt. Seine These ist, dass der zu verteilende Kuchen durch die Automatisierungsgewinne zwar größer wird – der Wohlstand ist seit der ersten industriellen Revolution global gewachsen –, die Ungleichheiten aber zunehmen. Der Ökonom spricht von der "großen Entkopplung" der Produktivität durch Beschäftigung. Bis zum Jahr 2000 seien die Arbeitsproduktivität, das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, die private Beschäftigung sowie das durchschnittliche Familieneinkommen im Gleichschritt gewachsen. Nach der Jahrtausendwende habe sich dieses Wachstum jedoch entkoppelt: Die Arbeitsproduktivität sei exponentiell gestiegen, während das durchschnittliche Haushaltseinkommen stagniert ist. Die Möglichkeit, beispielsweise mit Hilfe von 3-D-Druck ein Produkt zu verschwindend geringen Grenzkosten zu reproduzieren, leistet der Tendenz Vorschub, "Winner-take-all-Märkte" zu schaffen, bei dem ein Monopolist den Markt kontrolliert und sich Wohlstand konzentriert.
Wenn Robotik und KI tatsächlich die Angebotsseite revolutionieren, wofür angesichts der disruptiven Entwicklung einiger Märkte vieles spricht, drängt sich zum einen die Frage auf, wem die Roboter gehören und wie die Automatisierungsgewinne verteilt werden, zum anderen, worin die Menschen eine Beschäftigung finden sollen und ob möglicherweise eine "Klasse der Nutzlosen" entsteht, wie der Historiker Yuval Noah Harari befürchtet. Eine heterogene Allianz von libertären Entrepreneuren aus dem Silicon Valley bis hin zu altlinken Gewerkschaftern in Europa fordert die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens.
Wenn Maschinen unsere Jobs wegnehmen, wer soll dann noch Steuern zahlen?
Microsoft-Gründer Bill Gates brachte eine andere Option ins Spiel: eine Steuer für Roboter. Sein Argument geht so: Wenn ein Arbeiter in einer Fabrik 50 000 Dollar im Jahr verdient, zahlt er auf sein Einkommen Steuern. Wenn der Fabrikarbeiter jedoch durch einen Roboter ersetzt wird, zahlt dieser keine Steuern – dem Staat entgehen dadurch Einnahmen. Die Frage ist: Wenn Maschinen unsere Jobs wegnehmen, wer soll dann noch Steuern zahlen? Wo statt Menschen in Zukunft Roboter arbeiten, könnte sich die Steuerbasis dramatisch verringern. Gates fordert, dass Roboter wie Menschen Steuern zahlen. Bei dem Vorschlag einer Robotersteuer geht es nicht etwa um eine Wertschöpfungsabgabe, die von der SPÖ zur Finanzierung der Sozialsysteme ins Spiel gebracht wird, sondern um eine genuine Steuer, die vom Unternehmen zu entrichten ist und bei der die Steuerpflicht des Roboters fingiert wird. Es wird mit der juristischen Fiktion gearbeitet, dass der Roboter ein Arbeitnehmer ist.
Die Idee ist nicht neu. Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hat im Jahr 2016 einen Entwurfsbericht vorgelegt, in dem eine Sozialabgaben- und Steuerpflicht für Industrieroboter diskutiert wurde. Roboter könnten als "elektronische Person" klassifiziert und in den Status eines Rechtssubjekts gehoben werden. Damit könnte man zum Beispiel verhindern, dass Amazon im Weihnachtsgeschäft 15 000 Roboter "einstellt" und sich durch die Substituierung menschlicher Arbeit der Sozialabgabenpflicht entzieht.
Doch an dem Vorschlag gibt es Kritik. Der Weltroboterverband IFR wandte ein, dass die Besteuerung von Robotern sich negativ auf Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung auswirke. Eine Robotersteuer würde die "unverzichtbaren Investitionen" in den technischen Fortschritt verteuern. Der Verband beruft sich auf eine Untersuchung des McKinsey Global Institute, wonach sich mehr als 90 Prozent der Arbeitsplätze auch künftig nicht vollständig automatisieren ließen. Damit würde Gates' Prämisse, die Automatisierung vernichte Arbeitsplätze, in sich zusammenfallen. Der "Economist", das Magazin der globalen Elite und eine Autorität für alle Ökonomen, gab zu bedenken, dass der Umverteilungsansatz hinter der Robotersteuer eher kontraproduktiv für die Volkswirtschaften sein könnte. Ein Roboter sei ein Kapitalinvestment wie ein Hochofen oder Supercomputer. Damit werde Kapital besteuert, was zusätzlichen Investitionen und mehr Produktivität abträglich sei und letztlich der Belegschaft schade. Statt einer Robotersteuer sollte man lieber über neue Anteilsstrukturen, etwa kollektiven Besitz von Maschinen oder Robotertaxis, nachdenken, so der "Economist".
Träumen Roboter von günstigen Autos?
Gleichwohl: Wer soll noch die Produkte kaufen, wenn alles automatisiert ist? Die Debatte wird zu sehr von der Angebots- und nicht von der Nachfrageseite gedacht. Es gibt eine interessante Anekdote über den Besuch des Gewerkschaftsführers Walter Reuthers in einer der vollautomatischen Anlagen der General-Motors-Werke. Der Gastgeber, Henry Ford II, fragt den Gewerkschaftsführer, indem er auf die menschenleere Halle zeigte: "Walter, wie willst du diese Roboter dazu bringen, dass sie deine Beiträge zahlen?" Worauf Reuthers kühl konterte: "Henry, wie willst du die Roboter dazu bringen, dass sie deine Autos kaufen?" Genauso wenig, wie die Industrie die Nachfrageentwicklung im Fokus hat, scheint die Linke ihre eigene Klientel, die Arbeiterschaft, im Blick zu haben. Wer braucht noch Anwälte der Arbeit, wenn es kaum noch Arbeit gibt? Die Interessen werden sich verschieben.
Eine Post-Arbeits-Gesellschaft, in der wir alle gemeinsam Produktionsmittelbesitzer wären und Maschinen unseren Wohlstand erwirtschaften, wird wohl eine Utopie bleiben. Historische Analogien haben zwar nur bedingt Erklärungskraft, doch es spricht viel dafür, dass auch in der vierten industriellen Revolution einige wenige Entrepreneure den Kapitalbesitz – sprich Maschinen, Roboter, das Knowhow über künstliche Intelligenzen – unter sich aufteilen. Fragt sich nur, ob bald ein Maschinensturm wie im frühkapitalistischen England kommt.
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