Angemerkt!: Mehr Sinn fürs Negative!
Sollen suizidgefährdete Kinder mit Antidepressiva behandelt werden? Manche Mediziner warnen dringend davor und werfen der Pharmaindustrie eine einseitige Veröffentlichung von Forschungsergebnissen vor.
Es klingt nach einer Entwarnung: Die etwas in Verruf geratenen selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer – auch kurz SSRIs genannt – bergen kein erhöhtes Risiko für selbstmordgefährdete Patienten, berichten Forscher aus Boston [1]. Was steckt dahinter?
Wie der Name schon andeutet, verhindern SSRIs, dass Nervenzellen den Botenstoff Serotonin aufnehmen und damit inaktivieren. Da nun Patienten, die unter Depressionen leiden, vermutlich zu wenig Serotonin produzieren, scheint hier das Mittel der Wahl gegen diese psychische Störung gefunden. Es sollte wesentlich effektiver wirken als die bisher eingesetzten trizyklischen Antidepressiva, die nur unspezifisch die Wiederaufnahme von Neurotransmittern hemmen.
Doch die Freude währte kurz. In den letzten Jahren zeigte sich, dass beim Einsatz von SSRIs auch das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung auftreten kann – nämlich ein erhöhtes Selbstmordrisiko. Insbesondere eine häufig von der Pharmaforschung übergangene Patientengruppe ist hier betroffen: Kinder und Jugendliche.
Da Psychopharmaka selten an Heranwachsenden klinisch getestet werden, dürften sie diese Medikamente eigentlich gar nicht erhalten. Andererseits sind natürlich auch sie nicht gegen psychische Störungen wie Depressionen gefeit. Kinderärzte sehen sich daher mit der Frage konfrontiert, ob sie ihren kleinen Patienten nicht zugelassene, so genannte Off-Label-Medikamente verordnen. Das dürfen und das sollen sie auch, wenn – wie das Bundessozialgericht im Jahr 2002 festlegte – eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt, bei der keine andere Therapie verfügbar ist und die begründete Aussicht besteht, mit dem verschriebenen Präparat einen Behandlungserfolg zu erzielen.
Nach und nach tauchen allerdings Zweifel an dieser Verschreibungspraxis auf, die schließlich zwei Arbeitsgruppen im April 2004 unabhängig voneinander bestätigten: Sowohl Jon Jureidini von der Frauen- und Kinderklinik im australischen North Adelaide und seine Kollegen [2] als auch die Forscher um Craig Whittington vom University College London [3] kamen zu dem Schluss, dass SSRI-Antidepressiva für Kinder nicht geeignet sind. Die Wissenschaftler hatten nicht nur medizinische Zeitschriften, sondern auch unveröffentlichte Daten vom britischen Committee on Safety of Medicines ausgewertet. Und dabei offenbarte sich, dass manche SSRIs bei Kindern nicht besser als ein Placebo wirkten, bei manchen der jungen Patienten traten sogar vermehrt Selbstmordgedanken auf.
Wissenschaftliche Ergebnisse, die auf bestimmte Medikamente ein eher trübes Licht warfen, existierten also durchaus – wurden jedoch nicht publiziert. Und hier liegt das eigentliche Problem: Die pharmazeutische Industrie steckt Millionen in die Entwicklung neuer Arzneien und hat natürlich nur ein geringes Interesse, dass negative Ergebnisse zu ihren Produkten publik werden. Der britische Hersteller Glaxo-Smith-Kline hat daher bereits Post vom New Yorker Staatsanwalt bekommen.
Mehr Transparenz ist also gefragt, die auch Paul Ramchandani von der Universität Oxford einfordert [4]. Mit ihren GPP-Guidelines hat die pharmazeutische Industrie bereits Besserung gelobt.
Doch nicht nur die Industrie, auch die Wissenschaftler selbst tragen zur Fehlinformation bei. Wer veröffentlicht schon gerne negative Ergebnisse? Schließlich denken wir alle positiv und berichten daher lieber über Experimente, die auch geklappt haben. Wer weiß schon, woran es lag, wenn es wider Erwarten doch mal schief ging? Also besser nicht darüber reden – oder gar schreiben. Damit setzt sich der fleißige Forscher doch nur der unnötigen Gefahr aus, bei der strengen Auswahl der Zeitschriften und deren Gutachter unter dem Tisch zu fallen, die auch lieber positive Ergebnisse lesen.
Vielleicht wäre hier von allen Beteiligten ein verstärkter Sinn fürs Negative angemessen.
Wie der Name schon andeutet, verhindern SSRIs, dass Nervenzellen den Botenstoff Serotonin aufnehmen und damit inaktivieren. Da nun Patienten, die unter Depressionen leiden, vermutlich zu wenig Serotonin produzieren, scheint hier das Mittel der Wahl gegen diese psychische Störung gefunden. Es sollte wesentlich effektiver wirken als die bisher eingesetzten trizyklischen Antidepressiva, die nur unspezifisch die Wiederaufnahme von Neurotransmittern hemmen.
Doch die Freude währte kurz. In den letzten Jahren zeigte sich, dass beim Einsatz von SSRIs auch das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung auftreten kann – nämlich ein erhöhtes Selbstmordrisiko. Insbesondere eine häufig von der Pharmaforschung übergangene Patientengruppe ist hier betroffen: Kinder und Jugendliche.
Da Psychopharmaka selten an Heranwachsenden klinisch getestet werden, dürften sie diese Medikamente eigentlich gar nicht erhalten. Andererseits sind natürlich auch sie nicht gegen psychische Störungen wie Depressionen gefeit. Kinderärzte sehen sich daher mit der Frage konfrontiert, ob sie ihren kleinen Patienten nicht zugelassene, so genannte Off-Label-Medikamente verordnen. Das dürfen und das sollen sie auch, wenn – wie das Bundessozialgericht im Jahr 2002 festlegte – eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt, bei der keine andere Therapie verfügbar ist und die begründete Aussicht besteht, mit dem verschriebenen Präparat einen Behandlungserfolg zu erzielen.
Nach und nach tauchen allerdings Zweifel an dieser Verschreibungspraxis auf, die schließlich zwei Arbeitsgruppen im April 2004 unabhängig voneinander bestätigten: Sowohl Jon Jureidini von der Frauen- und Kinderklinik im australischen North Adelaide und seine Kollegen [2] als auch die Forscher um Craig Whittington vom University College London [3] kamen zu dem Schluss, dass SSRI-Antidepressiva für Kinder nicht geeignet sind. Die Wissenschaftler hatten nicht nur medizinische Zeitschriften, sondern auch unveröffentlichte Daten vom britischen Committee on Safety of Medicines ausgewertet. Und dabei offenbarte sich, dass manche SSRIs bei Kindern nicht besser als ein Placebo wirkten, bei manchen der jungen Patienten traten sogar vermehrt Selbstmordgedanken auf.
Wissenschaftliche Ergebnisse, die auf bestimmte Medikamente ein eher trübes Licht warfen, existierten also durchaus – wurden jedoch nicht publiziert. Und hier liegt das eigentliche Problem: Die pharmazeutische Industrie steckt Millionen in die Entwicklung neuer Arzneien und hat natürlich nur ein geringes Interesse, dass negative Ergebnisse zu ihren Produkten publik werden. Der britische Hersteller Glaxo-Smith-Kline hat daher bereits Post vom New Yorker Staatsanwalt bekommen.
Mehr Transparenz ist also gefragt, die auch Paul Ramchandani von der Universität Oxford einfordert [4]. Mit ihren GPP-Guidelines hat die pharmazeutische Industrie bereits Besserung gelobt.
Doch nicht nur die Industrie, auch die Wissenschaftler selbst tragen zur Fehlinformation bei. Wer veröffentlicht schon gerne negative Ergebnisse? Schließlich denken wir alle positiv und berichten daher lieber über Experimente, die auch geklappt haben. Wer weiß schon, woran es lag, wenn es wider Erwarten doch mal schief ging? Also besser nicht darüber reden – oder gar schreiben. Damit setzt sich der fleißige Forscher doch nur der unnötigen Gefahr aus, bei der strengen Auswahl der Zeitschriften und deren Gutachter unter dem Tisch zu fallen, die auch lieber positive Ergebnisse lesen.
Vielleicht wäre hier von allen Beteiligten ein verstärkter Sinn fürs Negative angemessen.
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