Meinels Web-Tutorial: IPv6 – Die Zukunft des Internets (der Dinge)
Wir haben längst die Zeiten hinter uns gelassen, in denen die komplexen Netzwerktechnologien nur dazu dienten, dass sich einige wenige Experten miteinander verbinden. Jenseits von Websurfing und E-Mail hat inzwischen sogar eine Entwicklung eingesetzt, die über alle verfügbaren physischen Geräte eine Vernetzungsschicht legt und den Digitalraum exponentiell erweitert. Mit dem alltäglichen Gebrauch von Smartphones und dem »Internet der Dinge« (IoT oder Internet of Things) kommunizieren viele Milliarden neuer Geräte miteinander. Schnell kommen wir so an die Grenzen der alten Internetprotokollstandards.
Mit den begrenzten IPv4-Adressen kommen wir in Situationen, in denen sich sehr viele User eine Adresse teilen müssen, Situationen, in denen sich auch gravierende Sicherheitsfragen auftun. So wird es etwa schwieriger, Straftäter über ihre IP-Adressen zu identifizieren. Auch muss die Heimkommunikation smarter Geräte über Clouddienste abgewickelt werden, um IP-Adressen zu sparen, was bedeutet, dass die Signale, die sich die verschiedenen IoT-Geräte zu Hause zusenden, zum Cloud-Provider und von dort zurück transportiert werden müssen, und der Cloudprovider so in den Besitz sensibler privater Daten gelangt. Ein Umdenken in den Verfahren, wie wir der steigenden Komplexität im digitalen Raum Herr werden, war und ist gefordert. Mit der Entwicklung und Einführung des neuen IPv6-Protokollstandards war der Grundstein gelegt für ein praktikables und sicheres Internet der Dinge.
Das Internetprotokoll IPv4 bot die Grundlage für eine weltumspannende Kommunikation im Internet über Systemgrenzen hinweg. Mit dieser Protokollsoftware war es möglich, auch heterogene Netze miteinander zu verbinden und das dezentrale Netz der Netze, das Internet, zu seinem rasanten Wachstum zu verhelfen. Mit dem IPv4-Adressstandard kann man zirka eine Million Rechnernetze eindeutig identifizieren. Eine unglaublich große Zahl – gemessen am heutigen Bedarf aber viel zu wenig. Die Gesamtheit aller IPv4-Adressen (gut vier Milliarden) reicht schon lange nicht mehr aus, um die Zahl der individuellen Internetnutzer zu bedienen, geschweige denn die Entwicklung, die sich gerade im Internet der Dinge vollzieht, zu begleiten. Auch die entwickelten Workarounds, wie zum Beispiel Subnetting und Supernetting, können kaum mehr effizientes Routing gewährleisten, weil die Routing-Tabellen als dezentrale Wegmarken im Internet immer komplexer werden. Auch war IPv4 nie dafür entwickelt worden, mit multimedialen Daten umgehen zu können. Diese jedoch beherrschen immer mehr die Kommunikation im Internet. IPv4 kann multimediale Daten nicht explizit kennzeichnen und kontinuierlich übertragen, was aber eine Voraussetzung dafür ist, dass Videos in hochauflösender Qualität ruckelfrei gestreamt werden können. Auch zahlreiche Anwendungen in den immer wichtiger werdenden Bereichen Homeoffice und internetbasierter Kollaboration werden von IPv4 nicht unterstützt, obwohl neue Arbeitsformen auf dem Vormarsch sind. Kurzum: Es braucht ein neues Internetprotokoll für das Internet der Zukunft!
Immense Erweiterung des Adressraums
Dessen war sich die Internet Engineering Task Force (IETF) – die Entwicklercommunity des Internets – bereits 1994 bewusst. Sie begann damit, ein leistungsfähigeres Nachfolgeprotokoll zu entwickeln, das auf vielen bewährten Konzepten des IPv4-Standards aufsetzte und dabei gleichzeitig zahlreiche Verbesserungen enthielt.
Die wichtigste Änderung von IPv4 zu IPv6 war die immense Erweiterung des Adressraums. Anstatt IP-Adressen mit einer 32-Bitfolge zu codieren, was einen möglichen Adressraum von 4,3 Milliarden Adressen für rund eine Million Rechnernetze eröffnet, arbeitet das IPv6-Protokoll mit einer Folge von 128 Bits. Das lässt den verfügbaren Bestand an eindeutigen IP-Adressen explodieren auf die schier unglaubliche Zahl von 3,4x1038. Diese Zahl findet kaum noch Entsprechungen in der analogen Welt, sie ist deutlich größer ist als die Gesamtzahl aller Sterne im Universum.
Auch das Header-Konzept von IPv4 wurde bei IPv6 erweitert, um den vielen neu hinzugekommenen Aufgaben in Bezug auf Multimedia und das Internet der Dinge Rechnung zu tragen. So gibt es weiterhin einen Pflichtheader, den »Basis-Header«, der zwingend jedem Datenpaket vorangestellt werden muss und der trotz vierfacher Länge der Empfänger- und Senderadresse nur doppelt so lang ist wie der IPv4-Header. Daneben kann es eine Reihe zusätzlicher Erweiterungsheader geben, in denen die Informationen gesammelt werden, die zur Realisierung von Features gebraucht werden, die nicht bei allen Datenpaketen zum Einsatz kommen, wie zum Beispiel Fragmentierung, Authentifizierung oder Verschlüsselung.
Außerdem wurden neue Mechanismen zur Festlegung vorbestimmter Übertragungspfade eingeführt, um Echtzeitübertragung von Multimedia- und Kollaborationsdaten zu ermöglichen. Schließlich ist der IPv6-Protokollstandard so angelegt, dass zukünftige Protokollerweiterungen möglich sind, ohne den Standard selbst ändern zu müssen.
Unbeschadet der vielen Vorteile von IPv6 zieht sich die Migration von IPv4 auf IPv6 allerdings schon lange hin. Auch im Jahr 2019 ist sie bei Weitem noch nicht abgeschlossen. Leicht ließen sich die 32 Bit langen IPv4-Adressen als die letzten 32 Bit in 128 Bit lange IPv6-Adressen integrieren, so dass die Adressportierung eigentlich kein großes Hindernis darstellt. Viele ältere Internetanwendungen haben die herkömmliche IPv4-Adresse fest einprogrammiert, und die Anwender wollen kein Risiko eingehen. Zudem scheuen viele Netzwerkadministratoren den Umbau ihrer Netze. So sind leider auch heute noch viele Internetnutzer und -anwendungen mit IPv4 und nicht mit IPv6 unterwegs. Immerhin verstärkt sich der Migrationsdruck, weil es keine freien IPv4-Adressen mehr gibt, neue, insbesondere mobile Anwendungen immer beliebter werden und IoT-Anwendungen ohne IPv6 nicht machbar sind.
In jedem Fall steht mit dem neuen IPv6-Standard ein leistungsstarkes und performantes Internetprotokoll bereit, mit dem sich das Internet in Zukunft auch als Internet der Dinge rasant weiterentwickeln kann und wird. Der neue Protokollstandard ermöglicht moderne Arbeitsformen vermittels digitaler Kollaborationstools und den ruckelfreien Transport von Multimediadaten in hoher Auflösung. Mit IPv6 kann auch die Sicherheit im Internet deutlich erhöht werden: Nutzer und Devices können eindeutig identifiziert, diverse Verschlüsselungstechniken eingesetzt und die direkte Kommunikation in Heimnetzwerken und Industrie-4.0-Anwendungen ermöglichen. Der Weg für das Internet der Zukunft ist also geebnet, jetzt müssen wir ihn nur noch beschreiten!
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