Storks Spezialfutter: Mehr Durchblick für die Verbraucher
Es hat etwas gedauert. Aber irgendwann, vor ein paar Wochen, sind mir im Supermarkt das erste Mal diese bunten Buchstabenfolgen auf einzelnen Produkten ins Auge gefallen. eine erweiterte Ampel mit fünf Abstufungen: von A bis E. Von Dunkelgrün über Gelb hin zu einem tiefen Rot.
Es sind die ersten sichtbaren Zeichen des Nutri-Scores, der seit Ende letzten Jahres eingeführt wird. An der Farbskala sollen Verbraucher und Verbraucherinnen auf einen Blick den Nährwert des Produkts erkennen können. Es ist eine Art Kurzzusammenfassung – und Bewertung – der ausführlicheren Angaben auf der Rückseite. Kaum zu glauben, aber Kalorienzahl, Fett- und Zuckergehalt müssen auch erst seit Ende 2016 verpflichtend angegeben werden, der EU sei Dank. Jetzt also der Nutri-Score, ein einfaches Rechensystem, dass verschiedene gute und schlechte Eigenschaften von Lebensmitteln bewertet.
Das System wurde 2017 in Frankreich eingeführt und jetzt von Deutschland übernommen. Bis zu einer einheitlichen europäischen Lösung erfolgt die Einführung auf freiwilliger Basis durch die Unternehmen. Deshalb sind die gelabelten Produkte im Regal noch fast so selten wie eine Fußballmeisterschaft, die nicht an die Bayern geht. Aber es gibt sie: Hier eine Müsli-Packung, dort ein Tiefkühlprodukt, hier ein Jogurt, dort eine Packung Kekse. Die Bewertungsskala leuchtet intuitiv ein: A und Grün sind gut. E und Rot sind schlecht.
In »Storks Spezialfutter« geht der Umweltjournalist Ralf Stork diesen Fragen einmal im Monat auf den Grund.
Ein paar Merkwürdigkeiten fallen mir aber doch auf. Die salzigen und fettigen Erdnussflips bekommen ein orangenes D: So weit, so nachvollziehbar. Aber warum schneiden zuckrige Fruchtzwerge mit einem B eine ganze Note besser ab als naturbelassene Cashew-Kerne? Oder als ein veganer Bio-Brotaufstrich mit Roter Bete und Meerrettich (der übrigens vor zwei Wochen noch keinen Nutri-Score aufgedruckt hatte)? Ganz subjektiv halte ich naturbelassene Cashew-Kerne für das wertigere Lebensmittel als gesüßten Kinder-Jogurt. Habe ich das System nicht richtig verstanden? Oder ist der Nutri-Score am Ende doch vor allem ein Marketing-Vehikel der großen Konzerne, das keinen rechten Sinn macht?
»Von den verschiedenen Nährwertkennzeichnungssystemen, die es in Europa gibt, ist der Nutri-Score unserer Meinung nach mit Abstand der beste. Wir hoffen auch darauf, dass das System europaweit verbindlich eingeführt wird«, sagt Carolin Krieger, die beim Verbraucherzentrale Bundesverband Referentin für Ernährungspolitik ist. Der Nutri-Score sei kein Vehikel der Konzerne, sondern in Frankreich von unabhängigen Wissenschaftlern entwickelt worden. »Die Bewertungsskala hilft dabei, die Lebensmittel einer Produktkategorie miteinander zu vergleichen. Zum Beispiel verschiedene Tiefkühlpizzen oder Jogurts«, sagt Krieger.
Oder die drei verschiedenen Hühnergerichte der gleichen Firma, die im Supermarkt im Tiefkühlregal liegen. Hier wird das Produkt, bei dem zu den Nuggets noch schmelzender Käse obendrauf kommt, wegen des hohen Fettgehalts deutlich schlechter benotet (D) als die beiden anderen (B). Wer darauf achten möchte, nicht zu viele Kalorien zu sich nehmen, bekommt so eine schnelle Entscheidungshilfe an die Hand. Der Nutri-Score offenbart auch, dass die kalorienreduzierten Fruchtzwerge vom Nährwert her nicht wirklich besser sind als die Normalvariante (beide B) und dass es sich durchaus lohnt, auch bei Zerealien genauer hinzuschauen. So schaffen die »Cinnanmon Stars Zimmy's« der Firma Kellogg's trotz hoher Zuckermengen noch ein B, die »Frosties« derselben Marke dagegen nur ein D, wegen des nochmal deutlich höherer Zucker- und Salzgehalts.
Ein paar Ungereimtheiten bleiben: Cola light kommt mit einem B bei der Bewertung ziemlich gut weg. Besser zumindest als ein Hohes-C-Orangensaft (C), der zwar viel Fruchtzucker enthält, anders als die Cola aber noch eher ein Naturprodukt ist. Und der Saft könnte ja auch noch verdünnt mit Wasser als Schorle getrunken werden. Ein paar Nachbesserungen können einem also schon einfallen, aber: »Wenn Anpassungen am Nutri-Score vorgenommen werden, muss das rein wissenschaftlich basiert erfolgen. Bei Getränken könnte zum Beispiel geprüft werden, ob es sinnvoll ist, Süßstoffe in die Bewertung einfließen zu lassen«, sagt Krieger.
Das ganze System funktioniert nur richtig, wenn sich auch genug Lebensmittel finden, die man miteinander vergleichen kann. In Frankreich, wo das System schon 2017 eingeführt wurde, ist das bereits der Fall: Die beteiligten Unternehmen haben zusammen einen Marktanteil von etwa 50 Prozent. Bei einer Befragung im September 2020 gaben 93 Prozent an, den Nutri-Score zu kennen. 89 Prozent wünschen sich die verpflichtende Einführung. Das System scheint – wie erhofft – auch in der Lage zu sein, das Konsumverhalten zu verändern: 57 Prozent der Bevölkerung gaben an, wegen des Nutri-Scores ihr Kaufverhalten mindestens bei einem Produkt verändert zu haben.
In Deutschlands Supermärkten gibt es noch wenige Produkte zum Vergleichen, aber auch hier funktioniert der Nutri-Score. Bei mir zumindest: Eine Packung vegetarischer Gemüsebällchen landet im Einkaufswagen, weil ein nährwertgünstiges A auf der Packung prangt. Auch beim Jogurt kann ich vergleichen und lande deshalb bei der fettärmeren A-Variante.
Ein solches System, verbindlich für die gesamte EU, könnte die Ernährungsgewohnheiten tatsächlich verändern. Den Nutri-Score gibt es außer in Frankreich und Deutschland bereits in Belgien und der Schweiz. Spanien, die Niederlande und Luxemburg wollen die Kennzeichnung ebenfalls einführen. Die EU-Kommission will bis Ende 2022 einen Vorschlag für ein verbindliches Nährwertkennzeichnungssystem machen. Noch hat sie sich auf kein System festgelegt. Etwas anderes als der Nutri-Score wäre ein Rückschritt, den man Verbraucherinnen und Verbrauchern nur schwer vermitteln könnte.
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