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Tumorerkrankung: Wie entsteht Krebs?

Bei Krebs geraten Zellen unseres Körpers außer Kontrolle. Sie wachsen an Stellen, wo sie nicht hingehören. Was diese Fehlentwicklung auslöst, erklärt unsere Kolumnistin.
Dreidimensionale Darstellung von Krebszellen
Dreidimensionale Darstellung von Krebszellen

Statistisch gesehen erkrankt fast jeder zweite Mensch im Lauf seines Lebens an irgendeiner Art von Krebs. Weil man selbst betroffen ist oder eine betroffene Person kennt, geht das Thema damit alle etwas an. Gleichzeitig wissen viele Patientinnen und Patienten sowie ihre Angehörigen sehr wenig über die Erkrankung. Was passiert dabei im Körper? Warum bekommt nicht jeder Krebs? Und wie individuell läuft eine Krebstherapie eigentlich ab? Diese und weitere Fragen beantwortet die Ärztin Marisa Kurz in ihrer Kolumne »Krebs verstehen«.

Die Entstehung von Krebs ist komplex – aber als Ärztin auf der onkologischen Station versuche ich, den Prozess meinen Patientinnen und Patienten in einfachen Worten zu erklären. Dazu beginne ich in der Regel beim »Plan« der Zellen: dem Erbgut, auch DNA genannt. Dort steht geschrieben, wie die Bausteine des Körpers aufgebaut sind und wie sie sich zu verhalten haben. Änderungen an bestimmten Stellen im Plan beeinflussen die Eigenschaften der Zellen. So können sie etwa ihre Fähigkeit verlieren, sich selbst zu beseitigen, wenn sie oder ihr Erbgut beschädigt sind. Andere Änderungen können wiederum dazu führen, dass sich Zellen unkontrolliert vermehren und Gewebegrenzen im Körper ignorieren. Sie wachsen nun plötzlich an Orten, an denen sie eigentlich nichts zu suchen haben. Das Ergebnis sind Tumoren, die die Funktion lebenswichtiger Organe stören können.

Wieso kommt es zu den fatalen Veränderungen?

Sowohl äußere als auch innere Einflüsse können zur Krebsentstehung beitragen. Zu den äußeren Faktoren zählen etwa schädliche Stoffe, wie sie im Zigarettenrauch oder in alkoholischen Getränken enthalten sind. Viren oder hochenergetische Strahlung können ebenfalls das Erbgut schädigen. Ein Leben lang prasseln solche ungünstigen Einflüsse auf die Zellen ein. Mit der Zeit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wichtige Stellen im Erbgut getroffen werden und diese Zellen zu Krebszellen werden.

Das lässt sich mit folgendem Bild veranschaulichen: Wenn man mit einer Schrotflinte immer wieder auf ein Auto schießt, verursachen die Kugeln Dellen in der Karosserie. Die sehen zwar unschön aus, fahren kann das Auto aber trotzdem noch. Erst wenn wichtige Teile getroffen werden – etwa die Reifen oder der Motor –, wird die Funktion des Autos grundlegend gestört. Solche nicht fahrtüchtigen Exemplare würde man eigentlich aus dem Verkehr ziehen, damit sie keine Unfälle verursachen. Ähnlich gilt das für die stark beschädigten Zellen im Körper: Werden sie nicht beseitigt, fangen sie an, sich unkontrolliert zu verhalten und Schaden zu verursachen. Im schlimmsten Fall entsteht Krebs.

Zusätzlich schleichen sich durch innere Faktoren immer wieder Fehler ins Erbgut ein. Das passiert hauptsächlich dann, wenn sich Zellen vermehren. Dazu reproduzieren sie zunächst ihren Inhalt und teilen sich anschließend. Beim Verdoppeln des Erbguts kommt es teilweise zu Kopierfehlern. In der Regel haben diese keinen negativen Einfluss, doch manchmal sind sie die Ursache für die Krebsentstehung.

Die Zelle kann sich selbst reparieren

Unsere Körperbausteine sind dem Bombardement von außen und den Kopierfehlern jedoch nicht schutzlos ausgeliefert. Sie haben nämlich die Fähigkeit, die Schäden zu erkennen und zu reparieren. Wie gut das klappt, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich; entsprechend variiert auch das Krebsrisiko. Bei Personen mit angeborenen Veränderungen in einem Erbgutabschnitt namens BRCA funktioniert zum Beispiel der Reparaturmechanismus besonders schlecht. Daher erkranken sie häufiger an Brustkrebs und anderen Krebsarten als der Rest der Bevölkerung. Daneben können im Laufe des Lebens Veränderungen im Erbgut entstehen, die die Erkennung von DNA-Schäden und ihre Reparatur steuern. Die zelluläre Werkstatt wird weniger leistungsfähig und zuverlässig.

Ob jemand an Krebs erkrankt oder nicht, ist immer auch dem Zufall geschuldetMarisa Kurz, Ärztin auf der Onkologie

Bei einer Krebserkrankung spielen also stets innere und äußere Faktoren zusammen – und nicht alle davon können wir beeinflussen. Doch Studien zeigen, dass schätzungsweise die Hälfte der Krebstodesfälle durch Verhaltensänderungen wie Zigaretten- und Alkoholverzicht, ausreichend Bewegung und eine ausgewogene Ernährung verhindert werden könnten. Daher gilt – und das ist mir sehr wichtig: Das individuelle Krebsrisiko lässt sich zwar verringern, aber nicht völlig ausradieren. Ob jemand an Krebs erkrankt oder nicht, ist immer auch dem Zufall geschuldet. Meinen Patientinnen und Patienten rate ich daher: Grübeln Sie nicht darüber, warum es ausgerechnet Sie getroffen hat. Da ist schlichtweg Pech im Spiel.

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