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Warkus' Welt: Botschaften für fremde Wesen

Zahlenbotschaften ins All senden, mathematische Beweise in die Erde einkerben: Dazu, wie man am besten mit Aliens kommuniziert, wurden schon allerhand skurrile Ideen hervorgebracht. Eine Schwäche haben sie aber alle, findet unser Kolumnist.
Gruselige Gestalten
Wie Menschen oder doch ganz anders: Darüber, wie außerirdische Lebensformen wohl aussehen und kommunizieren, können auch Forscherinnen und Forscher bislang nur spekulieren.
Gibt es vernünftige Rassisten? Hat nicht nur der Ärger unseres Vorgesetzten eine Ursache, sondern auch alles andere auf der Welt? Und was ist eigentlich Veränderung? Der Philosoph Matthias Warkus stellt in seiner Kolumne »Warkus’ Welt« philosophische Überlegungen zu alltäglichen Fragen an.

Als ich Anfang der 1990er Jahre in der Grundschule war und jede Woche der neuen Folge »Raumschiff Enterprise: Das nächste Jahrhundert« entgegenfieberte, war die Vorstellung, dass viele andere Sterne Planeten haben und es auf diesen Leben geben könnte, bereits ein alter Hut. Nur ein wirklicher Nachweis für Planeten fremder Sternensysteme war noch nicht erbracht. Das begann sich wenig später zu ändern: Inzwischen sind mehr als 5000 extrasolare Planeten bekannt und eine mindestens zweistellige Anzahl davon könnte hypothetisch sogar die Bedingungen für Leben bieten. Viel stärker als noch in meinen Kindertagen beschäftigt sich heute die Wissenschaft mit der Existenz außerirdischen Lebens und etwaigem Kontakt mit ihm.

Außer »Star Trek« habe ich damals vor 30 Jahren auch sonst alles an Sciencefiction aufgesogen, was ich in die Finger bekam. Beim Entwerfen fiktiver außerirdischer Lebensformen schien es dabei zwei grundlegende Denkschulen zu geben. Die eine ging davon aus, dass intelligente Wesen auch auf fremden Planeten grundsätzlich menschenähnlich daherkommen würden, sozusagen als Produkt konvergenter Evolution: Arme, Beine, oben ein Kopf. Die andere vermutete hingegen, dass es intelligente Lebensformen in den unterschiedlichsten, bizarrsten Formen geben könnte, teilweise sogar zu fremd, um auf Anhieb als Lebewesen erkannt zu werden. Philosophisch wird diese Frage an dem Punkt, an dem wir darüber nachdenken, was diese Menschenähnlichkeit oder -unähnlichkeit für unsere hypothetische Kommunikation mit Außerirdischen bedeuten könnte und was das wiederum über unser Verständnis von uns selbst und der Welt sagt.

Wie macht man sich jemandem verständlich, den man noch nie gesehen hat, dessen Sprache man nicht spricht und der einem keine direkte Rückmeldung geben kann? »Mit Händen und Füßen sprechen« fällt raus. Bereits seit mehr als 200 Jahren steht daher die Idee im Raum, mit Hilfe von Mathematik zu kommunizieren: Schließlich müssen wir davon ausgehen, dass mathematische Wahrheiten überall gültig sind und sich die unterschiedlichsten Wesen auf sie beziehen könnten. Verschiedene Gelehrte, darunter der Wiener Astronom Joseph Johann Littrow (dem wir sonst unter anderem Beethovens Zugang zu Kant zu verdanken haben), schlugen um 1819 vor, irgendwo in einer unbewohnten Gegend eine gigantische, aus dem Weltraum erkennbare Skizze eines geometrischen Beweises für den Satz des Pythagoras in die Erde zu kerben. Auf diese Weise hoffte man damals etwaigen Bewohnern des Mondes begreiflich zu machen, dass die Erde von intelligenten Wesen bewohnt ist.

Eine spätere, deutlich ausgefeiltere Version der Idee stammt von dem Mathematiker Hans Freudenthal (1905–1990) und kommt zum Beispiel in Carl Sagans Roman »Contact« aus dem Jahr 1985 vor: ein auf dem einfachstmöglichen Zeichenvorrat (nämlich »an« und »aus«) basierender Code, um Funkbotschaften an unbekannte intelligente Empfänger zu schicken. Dabei werden zunächst Zählzahlen (drei Piepser stehen für die Zahl Drei), dann Binärzahlen und sukzessive komplexere mathematische Operatoren eingeführt, in der Hoffnung, dass hinreichend intelligente Empfänger in der Lage sein werden, sich die Bedeutung der Symbole jeweils aus den vorangegangenen Zeilen zu erschließen. Am Ende stehen physikalische Begriffe wie Masse und Bewegung. Unterwegs wird, um all dies sozusagen »aus dem Nichts« zu erklären, unter anderem das Konzept von abstrakten Gesprächspartnern, die sich durch Fragen und Antworten austauschen, eingeführt. Freudenthals Codesprache nennt sich Lincos. 1994 und 2003 wurden tatsächlich Botschaften in Lincos über Radioteleskope ausgesendet.

Hier stoßen wir, wie ich finde, schon an die Grenzen unserer Vorstellungskraft. Die Philosophie beschäftigt sich heutzutage auch deshalb so massiv mit Sprache, weil wir, ganz gleich worum es geht, Sprache brauchen, um uns darüber auszutauschen. Können wir uns intelligente Wesen ganz ohne Sprache vorstellen? Könnte es, auch wenn wir sie uns nicht vorstellen können, nicht dennoch Wesen geben, die keine Individualität kennen? Die vielleicht miteinander verwachsen sind wie eine Pilzkolonie oder eine Staatsqualle, eventuell gar nicht in der Lage sind zu verstehen, was es heißen soll, dass jemand etwas fragt und jemand darauf antwortet? Gibt es vielleicht sogar irgendwo ein Denken, das nicht darüber funktioniert, zeitlich aufeinander folgende Symbole zu verarbeiten, oder nicht dazu geeignet ist, sich mit Mathematik zu beschäftigen?

So, wie in der Sciencefiction die Körper von Aliens als grundsätzlich menschenähnlich oder als völlig fremdartig konzipiert werden, kann man sich also vorstellen, dass außerirdische Intelligenz unserer entweder im Grundzug nahe ist oder eben auch völlig fern. In letzterem Fall kann man zwar denken, dass es das gibt, aber wir können uns mit unseren Möglichkeiten nicht denken, wie es ist. Die große Frage danach, wie fremd Außerirdische uns überhaupt sein können, lässt sich nur umreißen, nicht beantworten – das macht sie zu einer philosophischen Frage.

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