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Die fabelhafte Welt der Mathematik: Pi ist überall – Teil 3.14: Das einfachste Problem der Mathematik

Das Collatz-Problem scheint so simpel, dass selbst Grundschüler ihm folgen können. Und doch sucht man seit 85 Jahren vergeblich einen Beweis. Erstaunlicherweise bringt die Aufgabe aber auch Pi hervor!
Pi

Als »absolut hoffnungslos« bezeichnete der große Mathematiker Paul Erdös (1913–1996) das Vorhaben, je eine Lösung für das Collatz-Problem zu finden. Dabei klingt das Problem in seinen Grundannahmen so einfach, dass selbst Grundschulkinder es verstehen. Es beginnt mit einer Folge, die man nach diesen Regeln aufbaut: Man nehme eine Zahl; ist sie gerade, teilt man sie durch zwei; ist sie ungerade, dann multipliziert man sie mit drei und addiert eins hinzu. Das wiederholt man immer wieder. Zum Beispiel kann man mit 19 starten und erhält: 19, 58, 29, 88, 44, 22, 11, 34, 17, 52, 26, 13, 40, 20, 10, 5, 16, 8, 4, 2, 1, … Oder mit zwölf: 12, 6, 3, 10, 5, 16, 8, 4, 2, 1, … Sobald die Folge bei der Eins landet, wird sie periodisch, das heißt sie wiederholt sich, denn gemäß der Rechenvorschrift folgt: 1, 4, 2, 1, 4, 2, 1 und so weiter.

Das sich daraus ergebende Collatz-Problem, auch Collatz-Vermutung genannt, lautet: Jede natürliche Zahl, mit der man beginnt, landet irgendwann zwangsläufig bei der Eins. Demnach würde jede Zahlenfolge ein periodisches Ende nehmen. In den letzten Jahrzehnten haben etliche Fachleute und mathematikaffine Personen versucht, das vermeintlich einfachste Problem des Fachs zu lösen – allerdings vergeblich. Ich werde mich in dieser Kolumne jedoch nicht den gescheiterten Beweisideen widmen, sondern zeigen, dass auch in der Collatz-Vermutung die Kreiszahl Pi auftaucht!

Viele Menschen denken, Mathematik sei kompliziert und öde. In dieser Serie möchten wir das widerlegen – und stellen unsere liebsten Gegenbeispiele vor: von schlechtem Wetter über magische Verdopplungen hin zu Steuertricks. Die Artikel können Sie hier lesen oder als Buch kaufen.

Syrakus oder Syracuse?

Pi tritt in den seltsamsten Umgebungen in Erscheinung, etwa beim Billard, in Fraktalen, im Spiel des Lebens und in unendlichen Summen. Und tatsächlich findet man die Kreiszahl auch im Collatz-Problem. Da es manchmal unter dem Namen Syracuse-Vermutung anzutreffen ist, liegt nun der Verdacht nahe, dass es vielleicht eine Verbindung zu Archimedes von Syrakus gibt. Denn Pi heißt auch Archimedes-Konstante, weil dieser erstmals einen Algorithmus entwarf, um die Ziffern von Pi zu berechnen. Doch Syrakus ist nicht das gesuchte Bindeglied zwischen Pi und der Collatz-Vermutung: Während sich »Syrakus« im Fall von Archimedes auf seinen Geburtsort auf Sizilien bezieht, hat »Syracuse« im Namen des mathematischen Problems einen völlig anderen Ursprung, der mit seinem Bekanntwerden zu tun hat.

Stadt Syrakus auf Sizilien

Die Vermutung wird dem Mathematiker Lothar Collatz (1910–1990) zugeschrieben, der sich die Aufgabe 1937, zwei Jahre nach seiner Doktorarbeit, überlegt haben soll. Allerdings gibt es keine Aufzeichnungen davon. Auf dem internationalen Mathematikerkongress im Jahr 1950 soll er mit Stanisław Ulam und Shizuo Kakutani darüber gesprochen haben, die die Vermutung ebenfalls weiter verbreiteten. Zwei Jahre später trat Collatz eine Professur in Hamburg an und erzählte seinem Kollegen Helmut Hasse davon – der das Problem während seines Forschungsaufenthalts an der Syracuse University in New York populär machte. Daher wird die Collatz-Vermutung manchmal auch als Syracuse- oder Hasse-Vermutung bezeichnet.

Pi versteckt sich im Collatz-Problem

Die mediterrane Stadt Syrakus ist also nicht das Bindeglied zwischen Pi und der Collatz-Vermutung. Das wäre aber auch zu einfach. Stattdessen kann man die Kreiszahl über eine Rechenvorschrift aus den Folgen der Collatz-Vermutung berechnen, wie Roland Yéléhada herausfand. Dafür bildet man für alle natürlichen Zahlen bis n die entsprechenden Folgen. Für jede dieser Sequenzen zählt man die dazugehörigen Glieder und bildet deren Summe, zum Beispiel: (12, 6, 3, 10, 5, 16, 8, 4, 2, 1) hat 10 Folgenglieder und 67 als Summe. Dann testet man, ob die beiden Ergebnisse (in dem Fall 10 und 67) teilerfremd sind (ja). Das wiederholt man für alle Zahlen von 1 bis n und zählt, wie häufig die Ergebnisse nicht teilerfremd sind. Diesen Wert nennt man a und teilt ihn durch n. Indem man dann die Wurzel aus 6/(a/n) bildet, erhält man eine Näherung für Pi.

Testen Sie es selbst! Für n = 100 ergibt sich a = 66 und als Ergebnis aus der Wurzel: 3,01511... Für n = 1000 kommt a = 606 und 3,146583… heraus. Auch wenn diese Methode zur Berechnung der Kreiszahl nicht besonders schnell konvergiert, ist sie ein gutes Beispiel dafür, dass Pi an den unerwartetsten Orten auftaucht.

In diesem Fall hat das Phänomen mit Zufallszahlen zu tun. Denn durch das unvorhersehbare Verhalten der Collatz-Folgen sind deren Längen und Summenwerte geeignete Kandidaten für völlig willkürliche Werte. Und wie sich herausstellt, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass zwei zufällig gewählte Zahlen x und y teilerfremd sind, genau 6/π2 (ungefähr 61 Prozent). Dieses erstaunliche Ergebnis kommt einigen womöglich bekannt vor. Wer die Kolumne über Pi und das Basler Problem gelesen hat, erinnert sich vielleicht, dass das Ergebnis der darin untersuchten unendlichen Summe dem Kehrwert entsprach, also π2/6. Und das ist natürlich kein Zufall.

Länge der Collatz-Folgen | Die Länge der Collatz-Folgen für alle Zahlen von 1 bis 10 000 variiert stark.

Um das Ergebnis nachzuvollziehen, kann man mit einer einfacheren Frage beginnen: Wie wahrscheinlich ist es, dass eine natürliche Zahl durch sieben teilbar ist? Die Antwort ist simpel: Jede siebte Zahl erfüllt die Bedingung, also ein Siebtel. Daher beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass zwei zufällige Zahlen beide durch die Primzahlen p teilbar sind, 1/p2. Die Umkehrung, also dass mindestens eine der beiden Zahlen p nicht als Primfaktor hat, ergibt dann 1 − 1/p2. Daher ergibt sich als Wahrscheinlichkeit dafür, dass zwei Zahlen keine gemeinsamen Teiler haben, die Formel: (1 − 1/22)·(1 − 1/32)·(1 − 1/52)·(1 − 1/72)·… Man bildet also das Produkt über alle Terme 1 − 1/p2 für jede Primzahl p.

Primzahlen heraussieben

Aber wie berechnet man so ein unendlich langes Produkt? Tatsächlich fand der Schweizer Mathematiker Leonhard Euler bereits 1737 eine griffige Formel, um den komplizierten Ausdruck zu vereinfachen. Dafür startet man mit der unendlichen Summe über die Kehrwerte der Quadratzahlen, die wir bereits aus dem Basler Problem kennen, und nennen sie ζ(2) (ζ ist der griechische Buchstabe Zeta): 1 + ½2 + ⅓2 + ¼2 + … = ζ(2). Euler versuchte, aus dieser Summe nach und nach alle Primzahlen und deren Vielfache herauszusieben.

Das gelang ihm, indem er die ζ-Funktion nach und nach mit den Kehrwerten von quadrierten Primzahlen multiplizierte: ½2·ζ(2) = ½2 + ¼2 + ⅙2 + … Diese Summe enthält also nur die Quadrate gerader Zahlen. Daher zog er diese Gleichung von der ersten ab – und erhielt dadurch eine Reihe, die nur von Quadraten ungerader Zahlen abhängt: (1 − ½2)·ζ(2) = 1 + ⅓2 + ⅕2 + 172 + … Damit hatte er alle geraden Zahlen herausgesiebt.

Nun kann man das Ganze wiederholen, um auch die anderen Primzahlen und deren Vielfache zu eliminieren. Dafür multipliziert man das letzte Resultat mit ⅓2: ⅓2 ·(1 − ½2)·ζ(2) = ⅓2 + 1152 + 1212 + … Auch diese Gleichung zieht man wieder von der vorangehenden Summe ab, um alle Teiler von drei zu entfernen: (1 − ⅓2)·(1 − ½2)·ζ(2) = 1 + ⅕2 + 172 + …

Primzahlsieb
Primzahlsieb | Indem man – mit der Zwei beginnend – nach und nach alle natürlichen Zahlen durchgeht und ihre Vielfache (bis auf die Zahl selbst) herausstreicht, bleiben nur noch Primzahlen übrig.

Wiederholt man diesen Vorgang für alle Primzahlen, hat man irgendwann alle Terme der unendlichen Summe entfernt – bis auf die Eins. Somit lautet das Ergebnis: (1 − 1/22)·(1 − 1/32)·(1 − 1/52)·(1 − 1/72)·…·ζ(2) = 1. Die Faktoren vor der Zetafunktion entsprechen aber gerade der Wahrscheinlichkeit, dass zwei zufällige Zahlen teilerfremd sind. Die einzige Unbekannte ist also ζ(2). Aber den Wert kennen wir bereits! Es ist die unendliche Summe aus dem Basler Problem: π2/6.

Damit ist das Rätsel gelöst: Wenn man für viele Paare von Zufallszahlen (wie sie bei der Collatz-Vermutung entstehen) prüft, ob sie teilerfremd sind, nähert man sich der Wahrscheinlichkeit 6/π2. Teilt man also sechs durch das Ergebnis und zieht daraus die Wurzel, erhält man zwangsläufig einen Wert, der nahe bei Pi liegen sollte.

​​Was ist euer Lieblingsmathetheorem? Schreibt es gerne in die Kommentare – und vielleicht ist es schon bald das Thema dieser Kolumne!

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