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Freistetters Formelwelt: Warum die 2 so seltsam ist

Es kommt immer wieder vor, dass es etwas nur einmal gibt – und genauso oft existiert etwas unendlich oft. Aber dass etwas exakt zweimal vorkommt, ist extrem erstaunlich.
Eine goldene Zwei auf blauem Hintergrund
Eigentlich wirkt die Zwei ganz harmlos. Aus mathematischer Sicht ist sie es aber nicht.
Die legendärsten mathematischen Kniffe, die übelsten Stolpersteine der Physikgeschichte und allerhand Formeln, denen kaum einer ansieht, welche Bedeutung in ihnen schlummert: Das sind die Bewohner von Freistetters Formelwelt.
Alle Folgen seiner wöchentlichen Kolumne, die immer sonntags erscheint, finden Sie hier.

Wenn ich Vorträge über Astronomie halte, werde ich häufig gefragt, was es bedeuten würde, wenn wir irgendwann einmal Leben außerhalb der Erde entdecken. Meine Antwort lautet dann immer: Das würde vermutlich bedeuten, dass Leben im Universum extrem häufig vorkommt. Denn es ist durchaus denkbar, dass die Entstehung von Leben so selten stattfindet, dass es bis jetzt genau ein einziges Mal passiert ist, nämlich auf der Erde. Oder aber das Leben entsteht häufig und der Kosmos ist voll damit.

Aber dass Leben genau zweimal entstanden ist, ist kaum vorstellbar. Die Zahl 2 ist in diesem Fall also ein Hinweis darauf, dass wir noch viel mehr entdecken können. Doch in der Mathematik kann es durchaus anders sein. Betrachten wir dazu folgende Formel:

\[2^{p-1} \equiv 1 \ \left(\text{mod}\ p^2\right) \]

Diese Gleichung bedeutet, dass eine Zahl 2p-1 durch p2 dividiert werden kann. Oder anders gesagt: 2p-1 ist ein ganzzahliges Vielfaches von p2. Die Zahl p in der Formel muss allerdings eine Primzahl sein und alle Primzahlen, die sie erfüllen, werden »Wieferich-Primzahlen« genannt.

Der deutsche Mathematiker Arthur Wieferich hat sich Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem »kleinen fermatschen Satz« beschäftigt, welcher der Definition einer Wieferich-Primzahl ähnelt. Der Satz besagt, dass eine ganze Zahl a, die zur Potenz einer Primzahl p erhoben wird, kongruent zu a ist (sowohl ap als auch a haben bei der Division durch p denselben Rest). Wieferich hat damals herausgefunden, dass man den kleinen fermatschen Satz nur leicht modifizieren muss, um auf die obige Formel zu kommen. Die erste Primzahl, die diese Gleichung erfüllt, entdeckte im Jahr 1913 Waldemar Meißner: 1093. Ein paar Jahre später fand der niederländische Mathematiker Nicolaas Beeger ein zweites Beispiel: 3511.

Wie viele Wieferich-Primzahlen gibt es?

Weiter sind wir seither nicht gekommen: 1093 und 3511 sind die einzigen bekannten Beispiele für Wieferich-Primzahlen. Mit großem Computereinsatz wurden immer mehr Zahlen geprüft, allerdings ohne Erfolg. Eine hypothetische dritte Wieferich-Primzahl muss auf jeden Fall größer als 264 sein. Daraus folgt natürlich nicht, dass es keine weiteren Zahlen dieser Art gibt. Bis jetzt konnte niemand beweisen, dass es nur diese zwei Wieferich-Primzahlen gibt, noch zeigen, dass es mehr oder gar unendlich viele von ihnen gibt. Es ist sogar noch offen, ob es unendlich viele Primzahlen gibt, die keine Wieferich-Primzahlen sind.

Herauszufinden, wie viele Wieferich-Primzahlen es tatsächlich gibt, hat vermutlich eine geringere philosophische Bedeutung als die Frage nach der Einzigartigkeit des Lebens im Universum. Aber es ist auf jeden Fall seltsam, dass wir bis jetzt nur zwei dieser Zahlen entdeckt haben. Könnte man zeigen, dass solche Zahlen nicht existieren – oder dass es unendlich viele von ihnen gibt –, wäre das aus mathematischer Sicht nicht allzu ungewöhnlich. Das Nichts und die Unendlichkeit sind zwar für den menschlichen Verstand schwer zu fassen; für die Mathematik aber quasi Alltag. Auch der »1« wohnt noch eine gewisse fundamentale Qualität inne, aber wenn man es, so wie hier, mit einer »2« zu tun bekommt, wirft das Fragen auf.

Ich neige dazu, hier dasselbe zu vermuten wie im Beispiel des außerirdischen Lebens: Wenn wir schon zwei dieser Zahlen gefunden haben, dann ist es kaum vorstellbar, dass es keine weiteren mehr gibt. Aber die abstrakte Welt der Mathematik schert sich nicht um das, was wir uns vorstellen können oder wollen. Die Welt der Zahlentheorie ist immer wieder für Überraschungen gut. Vielleicht bleibt es im Fall der Wieferich-Primzahlen tatsächlich bei 1093 und 3511.

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