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Freistetters Formelwelt: Die Quadratur des Kreises

Manche mathematischen Probleme sind unlösbar, so auch die berühmte Quadratur des Kreises. Es sei denn, man hat zufällig eine Quadratrix dabei.
Quadratur des Kreises
Wie gelingt das Unmögliche? Mit einer Quadratrix!
Die legendärsten mathematischen Kniffe, die übelsten Stolpersteine der Physikgeschichte und allerhand Formeln, denen kaum einer ansieht, welche Bedeutung in ihnen schlummert: Das sind die Bewohner von Freistetters Formelwelt.
Alle Folgen seiner wöchentlichen Kolumne, die immer sonntags erscheint, finden Sie hier.

Wenn man ausdrücken will, dass etwas unmöglich ist, spricht man oft von der »Quadratur des Kreises«. Viele, die das tun, wissen aber gar nicht, was damit gemeint ist. Es handelt sich um ein geometrisches Problem der antiken Mathematik: Gegeben ist ein Kreis und gesucht ist ein Quadrat mit demselben Flächeninhalt. Das klingt nach einer simplen Aufgabe. Wenn der Kreis einen Radius von eins hat, dann beträgt sein Flächeninhalt genau π. Das gesuchte Quadrat muss also eine Seitenlänge haben, die der Wurzel aus π entspricht.

Aber so war die Sache damals in der Antike nicht gedacht. Das Quadrat soll geometrisch konstruiert werden, und zwar ausschließlich mit einem Zirkel und einem Lineal (ohne Einteilung). Mit diesen beiden »euklidischen Werkzeugen« lässt sich jede Menge anstellen, jedoch die Quadratur des Kreises ist unmöglich, wie im 19. Jahrhundert schließlich auch beweisen wurde.

Aber schon sehr viel früher kannte man ein Werkzeug, mit dem es doch klappt:

Diese Formel beschreibt – in moderner Notation – eine Kurve, die als »Quadratrix des Hippias« bekannt ist. Ihr Erfinder soll Hippias von Elis sein, der im 5. Jahrhundert v. Chr. gelebt hat, über den aber sonst nicht viel bekannt ist. Die »Suda«, ein Lexikon über Leben und Werk antiker Autoren, hat zu Hippias nur zu sagen, dass es sich um den Sohn des Diopithes und einen Schüler des Hegesidamus handelt und dass Hippias »sehr viel geschrieben« habe. Diese Schriften haben nicht bis heute überlebt; das Wissen um die Quadratrix aber glücklicherweise schon.

Dabei handelt es sich um eine kinematische Kurve, deren Entstehung man sich als dynamischen Prozess vorstellen kann. Angenommen, man hat ein Quadrat mit den Ecken A, B, C und D. Man verbindet die zwei gegenüberliegenden Ecken D und B mit einem Viertelkreis (dessen Radius der Seitenlänge des Quadrats entspricht). Jetzt stellen wir uns einen weiteren Punkt E vor, der sich entlang dieses Viertelkreises mit konstanter Winkelgeschwindigkeit bewegt. Gleichzeitig bewegt sich ein Punkt F entlang der Seite des Quadrats von D nach A. Die beiden Punkte starten zum gleichen Zeitpunkt und kommen zum gleichen Zeitpunkt an. Zu jedem Zeitpunkt kann man eine Linie von E zum Eckpunkt A ziehen und durch F eine Parallele zur Strecke AB legen. Die Menge aller Schnittpunkte dieser beiden Linien bildet die Quadratrix.

Quadratrix | Die rote Kurve entspricht der Quadratrix.

Wie so oft bei geometrischen Problemen ist es schwieriger, den Prozess zu beschreiben, als ihn tatsächlich auf dem Papier nachzuvollziehen. Aber im Wesentlichen ist die Quadratrix eine Kurve, die sich innerhalb des Viertelkreises vom Eckpunkt D des Quadrats auf die Seite AB hinabbiegt. Hat man diesen Prozess verstanden, dann kann man auch nachvollziehen, dass jemand wie Hippias von Elis so eine Kurve mit Lineal und Zirkel aus einem gegebenen Quadrat konstruieren konnte. Man kann sich auch ein entsprechendes mechanisches Gerät vorstellen (das aus zwei flexibel verbundenen Linealen besteht), mit dem sich die Quadratrix-Kurve direkt zeichnen lässt.

Etwas schwerer vorstellbar ist es, was man mit dieser Konstruktion Sinnvolles anstellen kann. Hippias selbst hat sie benutzt, um das Problem der Dreiteilung eines Winkels zu lösen. So wie die Quadratur des Kreises ist auch das ein klassisches Problem der Antike und genauso wenig mit Lineal und Zirkel lösbar. Aber da bei der Quadratrix der durchlaufene Winkel immer proportional zum zurückgelegten Abschnitt der Quadratseite ist, lässt sich ein Winkel damit in drei gleich große Winkel teilen. Oder in vier, fünf oder beliebig viele gleich große Winkel – und ganz genau genommen nur näherungsweise (da sich mit Zirkel und Lineal nicht jeder Punkt der Quadratrix erzeugen lässt). Dass sich mit der Quadratrix auch die Quadratur des Kreises bewerkstelligen lässt, fand man aber erst später heraus. Probieren Sie gerne selbst aus, wie das funktioniert.

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