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Die fabelhafte Welt der Mathematik: Tachyonen könnten laut Mathematik nun doch existieren

Teilchen, die schneller sind als das Licht, passten lange nicht in das Bild der Relativitätstheorie und der Quantenphysik. Doch es gibt einen mathematischen Trick, der ihre Existenz ermöglicht.
Ein hell weiß leuchtender Ring und weiße Kugeln, die  darum herum schweben, alles violett-pastellfarben.
Wenn sich etwas schneller bewegt als das Licht, führt das schnell zu paradoxen Situationen. Doch Mathematik kann diese Probleme beheben.
Viele Menschen denken, Mathematik sei kompliziert und öde. In dieser Serie möchten wir das widerlegen – und stellen unsere liebsten Gegenbeispiele vor: von schlechtem Wetter über magische Verdopplungen hin zu Steuertricks. Die Artikel können Sie hier lesen oder als Buch kaufen.

Während meines Physikstudiums hörte ich erstmals von Tachyonen. Allerdings nicht in einer Vorlesung, sondern als ein Kommilitone mir eine Internetseite zeigte, auf der Produkte mit Tachyonen teuer verkauft wurden. Diese Teilchen würden demnach Energie erzeugen und könnten eine Person gesünder machen. Wir lachten uns schlapp. Aber ich wurde auch neugierig. Hatte sich das Esoterik-Marketing alles frei ausgedacht oder haben Tachyonen eine physikalische Grundlage?

Recht schnell stellte ich fest, dass die Gesetze der Physik tatsächlich Tachyonen zulassen. Dabei handelt es sich um hypothetische Teilchen, die sich schneller als das Licht bewegen. Tachyonen besäßen dadurch allerlei erstaunliche Eigenschaften, wie der Physiker Olof Fröman in einer 1994 erschienenen Arbeit erklärte: »Stellen wir uns einen Jäger mit einer mit Tachyonen geladenen Waffe und einen Bären vor, der ebenfalls eine solche Waffe besitzt. Wenn der Bär mit einer ausreichend großen Geschwindigkeit (kleiner als die des Lichts) läuft, kann gemäß Einsteins spezieller Relativitätstheorie folgende Szene stattfinden: Der Jäger feuert ein Tachyon auf den Bären ab, der von diesem Tachyon getroffen wird. Bevor dieser stirbt, hat er Zeit, ein Tachyon aus seiner Waffe in Richtung des Jägers abzufeuern, der, als er von diesem Tachyon getroffen wird, stirbt, bevor er das Tachyon abgefeuert hat, das den Bären tötet.«

Ja, dieser Ausschnitt stammt tatsächlich aus einem seriösen Fachartikel und ist keinesfalls als Scherz gemeint. »​​Die mathematischen Formeln, auf denen die obigen Aussagen beruhen, sind unwiderlegbar«, betonte Fröman ein paar Sätze weiter. Auch andere Eigenschaften von Tachyonen erinnern mehr an Sciencefiction als an Physik; so könnten die Teilchen es nicht nur ermöglichen, Signale in die Vergangenheit zu schicken, sondern besäßen zudem negative Energie und eine imaginäre Masse. Damit scheint die Herkunft ihres Namens völlig nachvollziehbar – er stammt aus einer Sciencefiction-Geschichte des Autors James Blish.

Bisher waren Tachyonen aber auch nur das: Sciencefiction. Denn neben paradoxen Jäger-Bär-Begegnungen sprechen weitere Gründe gegen ihre Existenz. Unter anderem fügen sie sich nicht in die Symmetrie unseres Universums ein. Doch nun haben Forschende einen mathematischen Trick gefunden, der solche Probleme behebt. Demnach könnten Tachyonen zumindest aus theoretischer Sicht durchaus existieren.

Es wäre nicht das erste Mal, dass mathematische Erkenntnisse zu physikalischen Entdeckungen führen. So wurden beispielsweise Quarks, die Grundbausteine von Neutronen und Protonen in Atomkernen, erst mit Hilfe des abstrakten mathematischen Bereichs der Gruppentheorie gefunden.

Tachyonen sind laut Relativitätstheorie möglich

Um eines direkt klarzustellen: Tachyonen wurden noch nie beobachtet; die Versprechen der Esoterik-Website sind natürlich völliger Quatsch. Aus physikalischer Sicht könnte eine solche Teilchenklasse jedoch rein theoretisch existieren – zumindest, wenn man es schaffen würde, zu zeigen, dass sie mit allen bekannten Gesetzmäßigkeiten in Einklang gebracht werden können. Um das zu beweisen, widmeten Physiker den exotischen Teilchen immer wieder ihre Aufmerksamkeit. Unter anderem vermuteten einige Fachleute, dass bestimmte Neutrino-Typen (geisterhafte Elementarteilchen) in Wirklichkeit Tachyonen sind und sich überlichtschnell bewegen. Daten vom CERN schienen das im Jahr 2011 sogar zu bestätigen. Wie sich allerdings schnell herausstellte, handelte es sich hierbei um Messfehler. Bisher wurde noch keine Spur dieser Sciencefiction-Teilchen gefunden.

Falls Sie sich schon einmal mit der Relativitätstheorie auseinandergesetzt haben, klingt das Ganze vermutlich sehr überraschend. Schließlich wird immer wieder vorgebetet, dass sich nichts schneller bewegen kann als das Licht. Das ist aber nicht ganz die Wahrheit. Albert Einsteins Relativitätstheorien besagen lediglich, dass man Objekte niemals bis auf Lichtgeschwindigkeit – geschweige denn darüber hinaus – beschleunigen kann. Laut Relativitätstheorie hängt die Masse eines Objekts von seiner Geschwindigkeit ab; so gewinnen schnellere Objekte an Gewicht. Dieser Effekt verhindert, dass man langsame Objekte auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen kann: Die Masse nimmt mit wachsender Geschwindigkeit zu, wodurch man immer mehr Energie aufbringen muss, um sie weiter zu beschleunigen.

Wenn ein Objekt hingegen masselos ist, dann reist es laut Relativitätstheorie stets mit Lichtgeschwindigkeit (so wie Photonen). Schon früh fiel Physikern auf, dass Einsteins Theorie prinzipiell überdies Teilchen zulässt, die sich schneller als mit Lichtgeschwindigkeit bewegen – sofern ihre Masse imaginär ist, also ihr Wert der Wurzel einer negativen Zahl entspricht.

Letzteres klingt völlig kontraintuitiv, es sprengt die Vorstellungskraft. Doch es wäre nicht das erste Phänomen, bei dem das der Fall ist. Da sich Tachyonen nicht auf Geschwindigkeiten kleiner als die Lichtgeschwindigkeit abbremsen lassen, kann man ihre eigentliche Ruhemasse ohnehin nicht bestimmen. Eine imaginäre Masse reicht nicht als Grund aus, um Tachyonen zu verwerfen.

Paradoxa rund um Tachyonen

Anders sieht es hingegen mit logischen Paradoxien aus. Das erste Problem in diese Richtung erkannte der Physiker Richard Tolman bereits 1917. Angenommen, der Jäger und der Bär aus der eingangs beschriebenen Szene stehen still und der Jäger schießt auf das Tier, wodurch es stirbt. Wenn sich ein unbeteiligter Beobachter schnell genug (aber langsamer als mit Lichtgeschwindigkeit) bewegt, dann nimmt er die Ereignisse in umgekehrter Reihenfolge wahr: Der Bär stirbt, bevor der Jäger seine Waffe abgefeuert hat.

Physikerinnen und Physiker sahen aber auch das nicht als Ausschlusskriterium, da sich daraus kein wirkliches Paradoxon ergibt – das Geschilderte ist nur äußerst ungewohnt. Doch dann präsentierte der Physiker Christian Møller im Jahr 1952 das eingangs genannte Gedankenexperiment, bei dem ein Bär einen Menschen als Reaktion auf seine Tötung erschießt, bevor er überhaupt erlegt werden kann. Das stellt einen klaren Widerspruch dar und gilt als No-Go. Kausalität ist ein heiliges Prinzip der Physik. Wegen solcher Überlegungen gaben Fachleute die Idee von Tachyonen auf.

Das änderte sich allerdings im Jahr 1960, als der sowjetische Physiker Jakow Petrowitsch Terlezki das Prinzip der Kausalität unter die Lupe nahm. Wie er feststellte, ist Kausalität in unserer makroskopischen Welt immer erfüllt; auf der Mikroebene muss das dagegen nicht zwingend der Fall sein. Falls Tachyonen durch zufällige Prozesse entstehen (und nicht systematisch als Zerfallsprodukt eines bestimmten Teilchens zum Beispiel), können die paradoxen Szenarien nicht auf größerer Ebene stattfinden. Für den Jäger und den Bären bedeutet das: Es ist unmöglich, eine tachyonische Waffe gezielt abzudrücken. Sie feuert ganz zufällig los, unabhängig davon, was der Jäger und der Bär tun. Das unterbindet auch die Möglichkeit, Tachyonen jemals zum Kommunizieren zu nutzen und damit Nachrichten in die Vergangenheit zu schicken.

Neue Hoffnung auf Tachyonen

Daraufhin gab es viele Versuche, eine Quantentheorie von Tachyonen zu formulieren. Denn das ist der theoretische Rahmen, in den sich alle Elementarteilchen einfügen. Doch die Fachleute stießen schnell auf Probleme. Anders als gewöhnliche Teilchen gewinnen Tachyonen an Geschwindigkeit, wenn sie Energie verlieren. Da physikalische Systeme danach streben, möglichst wenig Energie zu besitzen, könnten Tachyonen ihre Energie abgeben und dadurch immer schneller werden – und zwar völlig ungebremst, bis sie schließlich unendlich hohe Geschwindigkeiten erreichen. Und damit erhalten sie auch unendlich viel negative Energie. Unendliche Werte sind in der Physik meist ein Zeichen dafür, dass die Theorie an dieser Stelle fehlerhaft ist, so auch hier.

Eine weitere Schwierigkeit ist, dass Tachyonen die Symmetrien des Universums nicht befolgen. Eine der wichtigsten Erkenntnisse der speziellen Relativitätstheorie ist die »Lorentz-Symmetrie«, die sicherstellt, dass die Gesetze der Physik für alle Beobachter gleich sind, solange keine äußere Kraft auf sie wirkt. Das heißt, die Welt ist und bleibt dieselbe, ob man nun still steht oder sich mit gleich bleibender Geschwindigkeit bewegt.

Möchte man ein Geschehnis für einen bewegten Beobachter beschreiben, nutzt man dafür so genannte Lorentz-Transformationen. Wenn ich beispielsweise vom Fahrrad aus sehe, wie ein Kind einen Ball hochwirft, wirkt es für mich, als bewegten sich Kind und Ball gleichzeitig. Stünde ich hingegen still, würde nur der Ball eine Bewegung von unten nach oben vollführen. Diese unterschiedlichen Beschreibungen werden durch Lorentz-Transformationen in Einklang gebracht. Das sind aus mathematischer Sicht nichts anderes als Symmetrietransformationen, die sich als Matrix darstellen lassen.

Tachyonen folgen dieser Lorentz-Symmetrie jedoch nicht. Für einen ruhenden Beobachter kann ein Tachyon völlig anders wirken als für einen bewegten. Über die Jahre wandten Physiker verschiedene Tricks an, um eine funktionierende Quantentheorie von Tachyonen zu formulieren, doch sie scheiterten stets an diesem Problem. Die Teilchen fügen sich nicht in das Fundament der speziellen Relativitätstheorie ein. Und wenn sich Fachleute damit zufriedengaben, dass Tachyonen nun mal seltsam sind und anderen Gesetzen folgen, führte das zu nicht hinnehmbaren logischen Widersprüchen. Sie mussten einen Weg finden, um die Sciencefiction-Teilchen in das Gefüge der speziellen Relativitätstheorie einzubringen.

Eine einfache Verdopplung

Wie Physiker um Jerzy Paczos von der Universität Stockholm im Sommer 2024 festgestellt haben, gibt es eine einfache mathematische Methode, die alle Probleme mit Tachyonen behebt: eine Verdopplung des Zustandsraums.

Will man verstehen, was damit gemeint ist, kann man die verschiedenen Arten von Zuständen betrachten, die Teilchen haben können. In der klassischen Physik wird der Zustand eines Objekts, etwa eines Balls, durch seine Geschwindigkeit und seine Position bestimmt. Der Zustandsraum ist folglich sechsdimensional (drei Raum- und drei Geschwindigkeitskoordinaten). Jeder Punkt des Raums entspricht einem bestimmten Zustand, in dem der Ball sein kann, etwa: Er befindet sich an Ort xy und bewegt sich mit Geschwindigkeit v nach Osten.

In der Quantenmechanik wird das Konzept etwas komplizierter. Teilchen sind nicht mehr rein punktförmige Objekte; vielmehr werden sie durch eine so genannte Wellenfunktion beschrieben, die alle relevanten Informationen über das Teilchen enthält: Ort, Geschwindigkeit und Spin. Der Zustandsraum ist kein sechsdimensionaler Raum mehr, sondern setzt sich aus verschiedenen Wellenfunktionen zusammen. Jeder Punkt in diesem Raum entspricht einer Wellenfunktion, die einen bestimmten Zustand darstellt. In der Quantenmechanik ist der Zustandsraum demnach ein Funktionenraum.

Quantenfeldtheorie

Anfang des 20. Jahrhunderts entstand die Quantenmechanik – und revolutionierte die Vorstellung von Materie. Plötzlich war ein Elektron nicht mehr bloß ein punktförmiges Teilchen, sondern besaß in manchen Situationen auch Eigenschaften, die eigentlich lediglich Wellen innehaben. In den folgenden Jahren verallgemeinerten die Fachleute die quantenphysikalischen Konzepte, indem sie den Formalismus nicht nur auf die Mechanik, sondern auch auf den Elektromagnetismus und die Kernkräfte übertrugen.

Das führt jedoch schnell zu Problemen: Die Quantenmechanik an sich kann beispielsweise bloß Systeme mit einer festen Teilchenzahl beschreiben, die sich nicht ändert. Möchte man aber etwa ein Elektron und sein Antiteilchen, das Positron, beschreiben, die sich gegenseitig vernichten, braucht man eine allgemeinere Theorie.

Und so entwickelte sich die Quantenphysik weiter. In den 1950er und 1960er Jahren setzten sich so genannte Quantenfeldtheorien immer mehr durch. In diesen ist die Raumzeit niemals leer, sondern von verschiedenen Feldern durchzogen. Schwingungen darin entsprechen Teilchen oder Antiteilchen. Doch die Quantenfelder sind niemals ruhig: Sie sind der Theorie zufolge stets von kleinen Kräuselungen durchzogen, die extrem kurzlebigen Teilchen entsprechen. Die »virtuellen« Teilchen lassen sich nicht direkt detektieren – ihre Auswirkungen konnten aber bereits nachgewiesen werden.

Im Lauf der Zeit hat sich die Quantenphysik weiterentwickelt. Die Quantenmechanik ist ein vereinfachtes Modell. Um die mikroskopische Welt akkurat zu beschreiben, muss man einen Schritt weiter gehen und die so genannte Quantenfeldtheorie nutzen. Anstatt ein Augenmerk auf Teilchen zu werfen, rücken in diesem Fall Felder ins Rampenlicht. Demnach ist die Raumzeit von mehreren Feldern durchzogen – eines für jede Art von Elementarteilchen. Zum Beispiel gibt es ein Quantenfeld für Elektronen. Im Grundzustand entspricht das Quantenfeld dem Vakuum, das heißt einem Zustand ohne Elektronen. Man kann es sich wie ein ruhendes Gewässer vorstellen. Ein Elektron entspricht einer Welle; zwei Wellen sind zwei Elektronen und so weiter. Der Zustandsraum der Quantenfeldtheorie besteht daher aus Feldern. Diese werden in der Mathematik ebenfalls durch Funktionen dargestellt, so dass der Zustandsraum auch in diesem Fall ein Funktionenraum ist.

»Nach einer natürlichen Erweiterung dieses Raums verschwinden die Probleme mit der Quantisierung von Tachyonenfeldern«Jerzy Paczos, Physiker

Das Team um Paczos hat bemerkt, dass der zu Tachyonen gehörende Zustandsraum zu klein ist. Zumindest ist er nicht groß genug, um die Lorentz-Symmetrie unseres Universums zu erfüllen. »Nach einer natürlichen Erweiterung dieses Raums verschwinden die Probleme mit der Quantisierung von Tachyonenfeldern, und es ist möglich, eine Theorie mit einem stabilen und relativistisch invarianten Tachyonen-Vakuum und einem nach unten begrenzten Energiespektrum zu konstruieren«, schreiben die Autoren in ihrer Veröffentlichung.

Um das zu verstehen, muss man die Probleme mit Tachyonen genauer betrachten. In der Quantenfeldtheorie ist es gewöhnlich so, dass sich die Anzahl der Teilchen durch Lorentz-Transformationen nicht verändert. Wenn ich mich mit gleich bleibender Geschwindigkeit bewege, sehe ich genauso viele Teilchen wie ein ruhender Beobachter.

Anders schien es hingegen bei Tachyonen. Ein solches Teilchen mit positiver Energie kann in einem bewegten Bezugssystem so aussehen, als würde ein Tachyon mit negativer Energie rückwärts in der Zeit reisen. Das führt zu Problemen: Wenn beispielsweise ein Teilchen ein Tachyon mit positiver Energie ausstrahlen würde, sähe ein bewegter Beobachter ein Tachyon negativer Energie, das in der Zeit rückwärts fliegt. Für ihn wirkt es so, als würde das Teilchen ein Tachyon absorbieren. Damit unterscheiden sich die Anfangs- und Endzustände je nach Beobachter: Eine ruhende Person sieht zuerst ein Teilchen und anschließend zwei, während die bewegte erst zwei und dann ein Teilchen wahrnimmt. »Dieses Szenario zeigt, dass Lorentz-Transformationen einen Ausgangszustand des Tachyonenfelds mit einem Eingangszustand vertauschen können«, schreiben die Forschenden. Auf diese Weise lässt sich keine funktionierende Quantenfeldtheorie für Tachyonen formulieren.

Eine alte Idee taucht wieder auf

Paczos und seine Kollegen haben aber eine Lösung gefunden – die auf eine in den 1960er Jahren von Yakir Aharonov formulierte Idee zurückgeht. Der hatte damals mit zwei weiteren Kollegen eine alternative Deutung der Quantenmechanik ausgearbeitet, den so genannten Zwei-Zustands-Formalismus. Dieser hat den Vorteil, dass er symmetrisch in der Zeit ist. Es spielt keine Rolle, ob man Prozesse vorwärts oder rückwärts abspielt, die physikalischen Gesetzmäßigkeiten bleiben gleich. In der gewöhnlichen Quantenmechanik ist das anders. So führen etwa Messungen dazu, dass die Wellenfunktion eines Teilchens kollabiert; dieser Vorgang lässt sich nicht umkehren.

In Aharonovs Deutung der Quantenmechanik muss man hingegen sowohl sich vorwärts als auch rückwärts entwickelnde Quantenzustände beachten, um einen Quantenzustand zu beschreiben. Es gibt demnach einen Anfangszustand, der sich in Richtung Zukunft entwickelt, und einen zweiten, der vom Endzustand zeitlich rückwärts läuft. Vergangene und zukünftige Messungen liefern in diesem Bild gemeinsam die vollständige Information zu einem Quantensystem.

Ob man nun lieber die gewöhnliche Quantenmechanik oder den Zwei-Zustands-Formalismus wählt, ist jedem selbst überlassen – rechnerisch kommt genau dasselbe heraus. Paczos und seine Kollegen haben diesen Ansatz nun für Quantenfelder und insbesondere Tachyonen ausgearbeitet. Durch diese Erweiterung werden der Anfangs- und der Endzustand eines Systems gleichzeitig behandelt, als so genannte Zwillingszustände, wodurch sich das Problem mit der Lorentz-Transformation erledigt. Für eine vollständige Beschreibung sind jeweils Anfangs- und Endzustand nötig; und diese ändern sich als Gesamtes nicht durch eine Lorentz-Transformation. Ein bewegter und ein ruhender Beobachter nehmen daher bei Betrachtung dieser beiden Zustände stets dasselbe wahr. »Diese Zwillingszustände sind keine mathematischen Kuriositäten«, schreiben die Fachleute. Die Anwendung des Zwei-Zustands-Formalismus auf Tachyonen verdeutliche, dass diese Variante der Quantenphysik der gewöhnlichen Deutung vorzuziehen sei.

Der mathematische Trick eines doppelt so großen Zustandsraums, der Zwei-Zustands-Formalismus, erlaubt es also, eine funktionierende Theorie von Tachyonen zu formulieren. Damit steht der Existenz solcher exotischen Teilchen aus mathematischer Sicht nichts mehr im Weg. Sie müssen nur noch entdeckt werden.

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