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Schlichting!: Warum platzende Blasen einen Kranz aus Tröpfchen hinterlassen

Blasen zerfallen in mehreren Stufen zu immer kleineren Exemplaren. Währenddessen entstehen winzige Wassertröpfchen, von denen viele auch als Aerosole in die Luft gehen.
Eine halbkugelförmige Blase hinterlässt einen Kreis, der von Blasen gesäumt wird, die ihrerseits platzen und schließlich als Tropfen enden.
Von einer Blase auf einer Oberfläche bleiben ein Ring aus Bläschen und eine Menge Spritzer übrig.
Hinter zahlreichen alltäglichen Dingen versteckt sich verblüffende Physik. Seit vielen Jahren spürt H. Joachim Schlichting diesen Phänomenen nach und erklärt sie in seiner Kolumne. Schlichting ist Professor für Physik-Didaktik und arbeitete bis zur Emeritierung an der Universität Münster. Alle seine Beiträge finden sich auf dieser Seite.

Wer einmal beim Geschirrspülen genauer darauf geachtet hat, wird die dabei entstehenden und wieder vergehenden Seifenblasen bemerkt haben. Zwar spielt der Schaum an sich für die Reinigung des Geschirrs keine Rolle. Aber das Entstehen und vor allem das Vergehen der Blasen in Form von kleinen Implosionen ist visuell wie akustisch reizvoll – und auch physikalisch spannend.

Dabei spielen sich unterschiedliche Szenarien ab, je nachdem, ob eine Blase auf einer Flüssigkeit, einer festen Unterlage oder frei in der Luft platzt. Die Vorgänge laufen so schnell ab, dass sie sich direkt kaum wahrnehmen lassen. Dafür braucht man schon Hochgeschwindigkeitskameras.

Bei Blasen aus reinem Wasser wäre das Unterfangen sogar noch schwieriger, denn sie sind äußerst kurzlebig. Seifenblasen halten länger und ermöglichen überhaupt erst die in diesem Artikel beschriebenen Beobachtungen. Dabei werden dem Wasser Tenside beigefügt, etwa in Form von Geschirrspülmittel. Das setzt die spezifische Grenzflächenenergie (Grenzflächenspannung) herab, wodurch die Gebilde viel größer und dauerhafter werden.

Eine Blase platzt, wenn sich ein Loch in der Blasenwand bildet. Abgesehen von äußeren Einwirkungen entsteht das nach einer gewissen Zeit ganz von selbst: Die flüssige Wand wird fortlaufend dünner, da schwerkraftbedingt ein Teil der Schicht zwischen den Grenzflächen nach unten rinnt und zudem ein weiterer Teil verdunstet.

Die begrenzte Lebenszeit hat sowohl ästhetisch als auch physikalisch ihren eigenen Reiz. Beobachtet man etwa beim Geschirrspülen das farbenprächtige Irisieren einer Blase, die auf einem Weinglas sitzt, so zeigt sich anhand der wechselnden Farben indirekt die allmählich dünner werdende Haut. Verschwinden schließlich die Farben, platzt kurz darauf die Blase – und hinterlässt mit Tröpfchen ein kreisförmiges Zeichen ihrer vergangenen Existenz.

Kreisförmige Spuren | Eine Halbblase auf einem Weinglas wird zu einem Kranz aus kleinen Tropfen.

Wie kommt es zu dem Kranz aus Tropfen? Die flüssige Blasenhaut hat eine innere und äußere Grenzschicht mit der Luft ausgebildet und dabei Grenzflächenenergie aufgebracht. In der Natur gibt es eine grundsätzliche Tendenz, so viel Energie wie unter den gegebenen Umständen möglich an die Umgebung abzugeben, das heißt in diesem Fall die Grenzfläche zu minimieren. Das äußert sich bei einer frei schwebenden Blase in deren Kugelform sowie im Unterschied dazu in einer Art Halbkugelform, wenn die Blase auf einer hydrophilen Unterlage sitzt. Die jeweilige Größe wird durch ein Gleichgewicht bestimmt, nämlich jenes zwischen der Grenzflächenspannung und dem Luftdruck im Inneren – wie bei einem Luftballon.

»Mein Gehirn treibt öfters wunderbare Blasen auf, die schnell, wie sie entstanden sind, zerspringen«Friedrich Schiller

Wenn eine Blase platzt, kommt es sehr plötzlich zum Druckausgleich mit der Umgebung. Bei einer frei schwebenden Blase stellt man lediglich ganz pauschal fest, dass die Fragmente ihrer Haut zu einzelnen Tropfen zusammenschnurren. Eine Blase, die auf einer festen Unterlage sitzt, verrät etwas mehr vom Ablauf. Der Vorgang hinterlässt typischerweise einen kreisförmigen Fleck, dessen Peripherie zunächst mit kleinen Bläschen und am Ende mit Tröpfchen besetzt ist.

Umringter Überrest | Eine halbkugelförmige Blase hinterlässt einen Kreis, der von Blasen gesäumt wird, die ihrerseits platzen und schließlich als Tropfen enden.

Das lässt bei aller Chaotik des Geschehens auf einen zumindest teilweise geordneten Prozess schließen, der sich leicht reproduzieren lässt. Dazu pustet man zum Beispiel mit einem Strohhalm eine Blase auf einer Glasplatte auf und wartet ihr Ende ab. Wem das zu lange dauert, der kann mit dem Finger nachhelfen und von oben ein Loch erzeugen.

Ein brüchiger Schlauch zerreißt in Bläschen

Das Platzen läuft für das menschliche Auge viel zu schnell ab. Im Jahr 2010 hat daher ein Team um James Bird von der Harvard University mit Hilfe von Highspeed-Aufnahmen den Mechanismus dokumentiert und durch numerische Verfahren reproduziert.

Demnach faltet sich unmittelbar nach der Entstehung des Lochs die zurückschnellende Blasenhaut zuerst nach innen. Dabei entsteht ein Torus, in dem abermals Luft eingeschlossen wird. Er ist aber instabil und zerspringt in zahlreiche Bläschen. Denn unterhalb einer bestimmten Größe des Torus besitzt dieser mehr Grenzfläche als alle resultierenden Blasen zusammengenommen. Der Zerfall spart also abermals Grenzflächenenergie ein. Jener so genannten Plateau-Rayleigh-Instabilität begegnet man im Spülbecken auch an anderer Stelle: Ein feiner Wasserstrahl zerreißt nach einer gewissen Fallhöhe ebenfalls in einzelne Tropfen.

Die Forschungsgruppe fand außerdem heraus, dass es den neu entstandenen Blasen nicht anders ergeht als den ursprünglichen – sie platzen ihrerseits, wiederholen gegebenenfalls den Aufspaltungsprozess und so weiter. Eine solche Kaskade produziert schließlich Tröpfchen, die um zwei Größenordnungen kleiner sind als die Ausgangsblasen.

Driftende Blasen | Auf einem Teich schnellt Wasser, das von einer Halbblase eingedellt wurde, nach deren Platzen nach oben. Die dadurch ausgelösten Wellen breiten sich auf der Wasseroberfläche aus.

Wenn eine Halbblase auf einer Wasseroberfläche platzt, sind die Verhältnisse etwas komplizierter. Der erhöhte Druck in ihrem Inneren dellt die Wasserschicht etwas ein. Beim Platzen der Blase schnellt daher nicht nur die Blasenhaut zurück, sondern ebenfalls die vertiefte Wasseroberfläche. Auf Grund der Trägheit schießt das Wasser dabei in Form eines Bergs empor. Um die Erhöhung herum bilden sich viele kleinere Tochterblasen, die sofort zerplatzen und ihrerseits winzige Fontänen in die Luft senden. Diese zerfallen in Aerosoltröpfchen, die zu leicht sind, um gleich wieder herabzufallen.

Laut den Untersuchungen entstehen also durch Blasen auf festen und flüssigen Grenzflächen schließlich in der Luft schwebende Tröpfchen. Das ist für zahlreiche andere Forschungsbereiche bedeutsam. Beispielsweise werden Aerosole mit der Übertragung von Krankheiten in Schwimmbädern und Whirlpools in Verbindung gebracht. Im größeren Maßstab transportiert die Meeresgischt gelöste Gase, Salze, biologische Stoffe und Wärmeenergie in die Atmosphäre. Das wirkt sich auf weit entfernte Ökosysteme und das Klima aus. Auf häuslichen Skalen wiederum gibt es einen besonders angenehmen Effekt: Die feinen Tröpfchen vom prickelnden Sekt machen die Aromastoffe des Getränks für uns noch weit oberhalb von dessen Oberfläche auf angenehme Weise wahrnehmbar.

  • Quellen
Bird, J. C. et al.: Daughter bubble cascades produced by folding of ruptured thin films. Nature Letters 465, 2010

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