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Metallischer Wasserstoff: Schnell publizieren, bevor es kaputtgeht

Nur weil ein Experiment extrem kompliziert ist und seit Jahrzehnten immer wieder schiefgeht, muss man das Ergebnis noch lange nicht überprüfen! Das kritisiert Lars Fischer.
Ein Mann, umwirbelt von Seiten mit Tortendiagrammen

Nach Jahrzehnten voller Misserfolge ist man natürlich besonders vorsichtig, wenn das ersehnte Resultat dann doch endlich vorliegt. Das gilt ganz besonders in der Wissenschaft. Das haben sich anscheinend auch Ranga P. Dias und Isaac F. Silvera gedacht, die selbst ernannten endgültigen Entdecker des metallischen Wasserstoffs, der Schlagzeilen gemacht hat. Allerdings etwas anders, als man denken sollte.

Lars Fischer | Lars Fischer ist Wissenschaftsjournalist und Redakteur bei "Spektrum.de".

Normalerweise bedeutet Vorsicht in der Wissenschaft, ein erfolgreiches Experiment zu wiederholen. Gerne drei- oder viermal, um wirklich sicherzustellen, dass andere Kolleginnen und Kollegen das Resultat auch nachvollziehen können. Günstig ist auch, möglichst viele unterschiedliche Dinge zu messen und mit den erwarteten Ergebnissen zu vergleichen. Das alles ist aber noch keine Garantie, wie 2011 zwei Forscher vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz feststellen mussten. Mikhail Eremets und Ivan Troyan hatten sich ebenfalls an metallischem Wasserstoff versucht, doch obwohl sie 200 Diamantstempel verbrauchten und sich Lob für ihre Gründlichkeit abholten, ihr Ergebnis erwies sich als nicht haltbar, wie "Nature" anmerkt.

Dias und Silvera jedenfalls scheinen das als warnendes Beispiel verstanden zu haben – und verzichteten, als sie das erste Indiz für metallischen Wasserstoff sahen, auf derlei aufwändige Überprüfung. Stattdessen schoben sie ihre Apparatur vorsichtig in eine geschützte Ecke und berichteten der Welt, dass sie etwas Spiegelndes in ihrer Probekammer gefunden haben. Und das sei, dieses Mal aber wirklich, der so lange erfolglos gesuchte Aggregatzustand. Sie wollten ihre Beobachtung erst einmal publizieren, bevor sie weitere Messungen an dem empfindlichen Material machten, lassen sie sich von "Nature" zitieren.

Ich bin an diesem Punkt nicht sicher, ob die beiden Forscher einfach nur bodenlos naiv sind oder sich schon kalkuliert an der Grenze zum wissenschaftlichen Betrug bewegen. Dass Experimente mit Wasserstoff unter extrem hohen Drücken notorisch schwierig sind, weiß man. Zum Beispiel hätte sich erweisen können, dass das reflektierende Material gar kein metallischer Wasserstoff ist oder dass sich der Befund in Nachfolgeexperimenten überhaupt nicht bestätigt. Das wäre natürlich sehr ärgerlich. Nur: Genau deswegen überprüft man Ergebnisse. Erst dann ist das auch diese Wissenschaft, von der immer alle reden.

Außerordentliche Behauptungen erfordern zwar außerordentliche Belege, aber anscheinend reicht im Zeitalter der Häppchen-Publikationen die bloße Hoffnung, solche nachliefern zu können. Das dachte sich vermutlich auch "Science" – jedenfalls hat die Zeitschrift die doch etwas dünne Datenbasis anstandslos durchgehen lassen. Weshalb selbst der sprichwörtliche dritte Reviewer nicht zumindest eine oder zwei zusätzliche Messungen verlangt hat, bleibt ebenfalls etwas rätselhaft. Wenn man aber sich nicht darauf verlassen kann, dass wissenschaftliche Veröffentlichungen auch mit hinreichend Daten unterfüttert sind, bleibt nur eines: sie mit Vorsicht genießen.

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